Entscheidungsstichwort (Thema)
Minijob. Mehrere Beschäftigungsverhältnisse. Sozialversicherungsbeiträge. Abzug. Auskunftspflicht. Vorlagepflicht
Leitsatz (redaktionell)
Ein geringfügig beschäftigter Arbeitnehmer verletzt seine Auskunfts- und Vorlagepflicht gem. § 28o SGB IV gegenüber dem Arbeitgeber nicht bereits dann, wenn er nicht unaufgefordert mitteilt, welche Einkünfte er aus einem weiteren Arbeitsverhältnis erzielt, wenn dem Arbeitgeber bekannt ist, dass ein zweites Arbeitsverhältnis besteht.
Normenkette
SGB IV §§ 28g, 28o Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Lübeck (Urteil vom 21.04.2004; Aktenzeichen 4 Ca 646/03) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichtes Lübeck vom 21.4.2004 – 4 Ca 646/03 – abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Anschlussberufung wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Frage, ob die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung zu erstatten.
Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes erster Instanz sowie des Inhalts des erstinstanzlichen Urteils wird auf die angefochtene Entscheidung vom 21.04.2004 verwiesen, gegen die die Beklagte rechtzeitig Berufung eingelegt und diese begründet hat.
Die Beklagte wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen. Weiter trägt sie vor, das Arbeitsgericht habe zu Unrecht die Aussage des Ehemannes der Beklagten nicht für glaubhaft erachtet. Sie, die Beklagte, habe ihre Pflichten nach § 28 o SGB IV weder vorsätzlich noch grob fahrlässig verletzt. Die Begründung zum Gesetzentwurf des § 28 g SGB IV besage, dass die Regelung der Sätze 2 und 3 insbesondere dann als unbillig empfunden werde, wenn ein geringfügig Beschäftigter den Arbeitgeber schuldhaft über das Bestehen weiterer geringfügiger Beschäftigungsverhältnisse und damit über das Eintreten von Beitragspflichten im Unklaren gelassen habe. Auch müssten die Auskünfte zur Durchführung des Meldeverfahrens und zur Beitragszahlung erforderlich sein. Dies sei der Fall, wenn der Arbeitgeber die Daten nicht habe oder nur mit größerem Aufwand als über den Beschäftigten beschaffen könne. Diese Voraussetzung sei nicht erfüllt. Dem Kläger wäre es ein Leichtes gewesen, sie, die Beklagte, nach ihrer Vergütung bei dem Zeugen K. zu fragen.
Die Beklagte beantragt,
das am 21.04.2004 verkündete Urteil des Arbeitsgerichtes Lübeck – Az. 4 Ca 646/03 – aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das angefochtene Urteil, soweit ihm stattgegeben worden ist und trägt weiter vor, es sei nicht nachvollziehbar, warum das Arbeitsgericht ihm lediglich den hälftigen Betrag der geltend gemachten Klageforderung zugesprochen habe. Ihm stehe der volle Betrag in Höhe von 1.892,55 Euro als Schadensersatz bzw. aus ungerechtfertigter Bereicherung zu. Sein Anspruch ergebe sich aus § 28 e S. 4 in Verbindung mit § 28 o Abs. 1 SGB IV. Es sei durch die Vernehmung des Zeugen K. vor dem Arbeitsgericht nicht bewiesen worden, dass die Verteilung der Vergütung zwischen dem Kläger und dem Ehemann der Beklagten so abgestimmt worden sei, dass die Geringverdienergrenze nicht überschritten werde. Für ein entsprechendes Telefonat habe keine Veranlassung bestanden. Das der Beklagten gezahlte Gehalt sei aus den monatlich erteilten Abrechnungen hervorgegangen. Es habe auch ein entsprechendes Telefonat nicht gegeben. Für die Annahme eines Mitverschuldens bestehe kein Grund. Richtig sei, dass die Beklagte ihren Pflichten nach § 28 o Abs. 1 SGB IV zumindest grob fahrlässig nicht nachgekommen sei. Sie habe die Höhe ihrer Vergütung bei beiden Arbeitgebern gekannt und hätte dem Kläger mitteilen müssen, dass sie bei ihrem Ehemann um 300,00 DM monatlich verdiente. Dies habe sie aber nicht getan. Ihn, den Kläger, habe keine Verpflichtung getroffen, die Beklagte hierzu zu fragen. Er habe die Höhe der von ihm selbst gezahlten Vergütung gekannt und daher davon ausgehen dürfen, dass die Beklagte ihn bei Überschreitung der Geringverdienergrenze informieren würde. Die Beklagte habe daher grob fahrlässig gehandelt. Ihn selbst treffe kein Mitverschulden.
Der Kläger beantragt,
das am 21.04.2004 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck, Az. 4 Ca 646/03, abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 1.892,55 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 06.02.2002 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Sie verweist darauf, dass hinsichtlich der beiden geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse eine Abstimmung erforderlich gewesen sei. Die erteilten Lohnabrechnungen hätten hierfür nicht ausgereicht.
Ergänzend wird auf den Inhalt der Akten insbesondere die wechselseitigen Schriftsätze mit Anlagen und Erklärungen zu Protokoll Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung der Beklagten hat in vollem Umfang Erfolg. Die Anschlussberufung des Klägers hingegen ist abzuweis...