Entscheidungsstichwort (Thema)
Kündigung, fristlos, fristgemäß, verhaltensbedingt. Pflichtverletzung. Vertrauensmann. Betriebsfrieden. Gewerkschaft. Internet. Intranet. Ausländerfeindlich. Schreiben, Inhalt
Leitsatz (redaktionell)
Bei außerdienstlichen Äußerungen eines Arbeitnehmers in einem gewerkschaftlichen Intranet bezüglich Personen und Vorgängen im Betrieb des Arbeitgebers sind bei der insoweit als Kündigungsgrund in Betracht kommenden Verletzung der vertraglichen Rücksichtnahmepflicht auch die grundrechtlichen Rahmenbedingungen, insbesondere das Grundrecht auf Meinungsfreiheit, zu beachten. Diese Grundrechtsposition kann einer außerordentlichen Kündigung entgegenstehen.
Normenkette
BGB § 626 Abs. 1; GG Art. 5, 9 Abs. 3; KSchG § 1 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Flensburg (Urteil vom 13.06.2001; Aktenzeichen 1 Ca 333/01) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Flensburg vom 13.06.001 – 1 Ca 333/01 – teilweise geändert :
Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die außerordentliche Kündigung vom 21.02.2001 beendet worden ist.
Die weitergehende Klage wird abgewiesen mit der Maßgabe, dass das Arbeitsverhältnis durch die hilfsweise ordentliche Kündigung vom 21.02.2001 frühestens zum 31.03.2001 beendet worden ist.
Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer fristlosen – hilfsweise fristgemäßen Kündigung seitens der Beklagten sowie die Weiterbeschäftigung des Klägers.
Der am …1954 geborene Kläger ist seit dem 29.05.1995 bei der Beklagten als Entsorger zu einem Entgelt von derzeit durchschnittlich 2.847,38 EUR beschäftigt.
Die Beklagte hat mit Schreiben vom 21.02.2001, dem Kläger am 22.02.2001 zugegangen, das Arbeitsverhältnis außerordentlich fristlos und hilfsweise fristgemäß gekündigt. Der Kündigung liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Der Kläger ist gewählter Vertrauensmann der Gewerkschaft IG Metall im Betrieb der Beklagten. Bei der Beklagten gab es im Jahr 2000 und auch danach zwei betriebliche Konfliktfelder. Das eine Thema betraf die Einführung eines neuen Schichtsystems. Es konnte weder zwischen dem Arbeitgeberverband NORDMETALL und der IG Metall noch zwischen der IG Metall und der Beklagten und auch nicht mit dem bei der Beklagten gebildeten Betriebsrat eine Einigung erzielt werden. Hierbei ist zu beachten, dass dem bei der Beklagten gebildeten Betriebsrat, dem auch überwiegend IG Metall-Mitglieder angehören, mehrheitlich eine andere inhaltliche Position als die IG Metall und damit auch der Kläger vertritt. Im Rahmen der Konflikte um die Schichtmodelle hatte die Beklagte einen Aushang vom 13.12.2000 veranlasst, in dem das Verhalten der IG Metall in Bezug auf die Einführung von Schichtmodellen und Arbeitszeitkonten indirekt kritisiert wurde und die Entlassung von 100 Mitarbeitern in Aussicht gestellt wurde. Das Schreiben war auch von der Betriebsratsvorsitzenden Pe. unterzeichnet (Abl. Bl. 61 d. A.).
Ein zweites Konfliktfeld ist die Problematik der Senkung des Krankenstandes. Die Beklagte führte hierzu ein Projekt „Sie fehlen uns, wenn Sie fehlen” durch. In der betriebsintern verteilten Zeitschrift „D.-Nachrichten” veröffentlichte die Beklagte hierzu einen Zwischenbericht, der von dem bei der Beklagten beschäftigten leitenden Angestellten P. unterzeichnet war. Unter der Rubrik „Hauptursachen für einen hohen Krankenstand” führte er u. a. auch Folgendes auf (Abl. Bl. 31 d. A.):
„Hoher Krankenstand bei türkischen Mitarbeitern (aufgrund Landeskultur und/oder Qualifikation?)”.
Nachdem diese Formulierung auf Kritik gestoßen war, veranlasste die Beklagte am 07.12.2000 einen Aushang (Bl. 33 d. A.), in dem es u. a. heißt:
„Die Projektgruppe hat sich intensiv bemüht, Erklärungen und Lösungsansätze zu diesen Ursachen zu erarbeiten. Zu keinem Zeitpunkt ging es darum, türkische Mitarbeiter zu diskriminieren.
Daher wird der fälschlicherweise verwendete Begriff „Landeskultur” hiermit offiziell zurückgezogen. Die Daten der AOK dürfen nicht dazu führen, ausländerfeindliche Bemerkungen über türkische Mitarbeiter zu machen. Wir haben schließlich seit Jahrzehnten bei D. ein gutes Verhältnis zu den ausländischen Mitarbeitern aus mehr als 15 Nationen.”
Der Aushang war unterzeichnet für die Personalleitung vom Zeugen H., für die Projektgruppe vom Zeugen P., für den Betriebsrat vom Zeugen G..
Am 15.12.2000 setzte der Kläger ein Schreiben in das von der IG Metall Bezirk Küste im Internet betriebene „Netzwerk Küste” unter der Rubrik „IG Metall Dialog”, das u. a. folgenden Inhalt hat (Abl. Bl. 34 d. A.):
„Aber der größte Skandal ist, dass dieses Projekt auch noch von einem leitenden Angestellten in den „D.-Nachrichten” (ein von der Geschäftsleitung gesteuertes angebliches Mitarbeiterblatt) vorgestellt wurde. Darunter der Punkt: Hohe Fehlzeiten der türkischen Mitarbeiter, mögliche Ursache: d...