Fristlose Kündigung wegen Whatsapp-Chat

Ein Arbeitnehmer, der sich in einer privaten Chatgruppe in beleidigender und menschenverachtender Weise über Vorgesetzte und Kollegen äußert, kann sich gegen seine außerordentliche Kündigung nur im Ausnahmefall darauf berufen, dass er darauf habe vertrauen dürfen, die Chatinhalte würden vertraulich bleiben. Dies entschied das Bundesarbeitsgericht und hob damit das anderslautende Urteil der Vorinstanz auf.

Der gekündigte Arbeitnehmer arbeitete bei einem Luftverkehrsunternehmen in Niedersachsen mit etwa 2.100 Mitarbeitenden als Gruppenleiter Lagerlogistik. Seit 2014 gehörte er einer WhatsApp-Chatgruppe mit fünf anderen Arbeitnehmern an. Im November 2020 wurde ein ehemaliger Kollege als weiteres Gruppenmitglied aufgenommen. Alle Gruppenmitglieder waren langjährig befreundet, zwei Mitglieder waren sogar Brüder. Neben rein privaten Themen äußerte sich der Arbeitnehmer – wie auch mehrere andere Gruppenmitglieder – in beleidigender, rassistischer, sexistischer und zu Gewalt aufstachelnder Weise über Vorgesetzte und Arbeitskollegen.

Fristlose Kündigung aufgrund der Chat-Inhalte

Eines der Gruppenmitglieder zeigte im Rahmen von Gesprächen über einen Arbeitsplatzkonflikt den Verlauf des WhatsApp-Chats auf seinem Smartphone einem anderen Mitarbeiter, der den Chatverlauf auf sein eigenes Smartphone kopierte und ihn dem Betriebsrat zuleitete. Der Betriebsratsvorsitzende informierte den Personalleiter über das Bestehen der WhatsApp-Gruppe und berichtete ihm über den Inhalt des Chats. Ergänzend übersandte er dem Personalleiter ein 316-seitiges Word-Dokument mit dem Inhalt des Chat-Verlaufs für die Zeit vom 19. November 2020 bis 17. Januar 2021. Das Gruppenmitglied, das den Chatverlauf öffentlich gemacht hatte, unterschrieb eine Bestätigung über die Richtigkeit der Inhalte.  Der Arbeitgeber kündigte daraufhin das Arbeitsverhältnis des Arbeitnehmers außerordentlich fristlos.

Schutz wegen Vertraulichkeit der Kommunikation?

Dagegen wehrte sich der Arbeitnehmer mit einer Kündigungsschutzklage. Er war der Ansicht, der Inhalt des Chat-Verlaufs habe vom Arbeitgeber nicht verwendet werden dürfen und dürfe auch im Rechtsstreit nicht verwertet werden, da es sich um einen rein privaten Austausch gehandelt habe.  Sowohl das Arbeitsgericht Hannover als auch das LAG Niedersachsen in der Berufungsinstanz gaben der Klage des Arbeitnehmers statt und erklärten die Kündigung für unzulässig.

Das Arbeitsgericht Hannover war der Meinung, die Äußerungen des Klägers rechtfertigten die Kündigung nicht, da sie in einem privaten Chat gefallen seien und im Hinblick auf die Vertraulichkeit der Kommunikation besonderen Schutz genössen. Durch die Äußerungen gegenüber den Mitgliedern der Chatgruppe sei der Betriebsfrieden nicht beeinträchtigt worden.

Können Äußerungen in einer WhatsApp-Gruppe überhaupt vertraulich sein?

Dies sah das LAG Niedersachsen ähnlich. Die Äußerungen des Arbeitnehmers im Rahmen der Chatgruppe seien zwar grundsätzlich geeignet, eine außerordentliche Kündigung gemäß § 626 BGB zu rechtfertigen, rechtfertigten aber im vorliegenden Fall aufgrund der Umstände, unter denen sie gefallen seien, die Kündigung nicht. Sie seien Bestandteil einer vertraulichen Kommunikation zwischen den Teilnehmern der Chatgruppe und genössen als solche verfassungsrechtlichen Schutz, der dem Schutz der Ehre der durch die Äußerungen betroffenen Personen vorgehe. Die Tatsache, dass es sich um eine WhatsApp-Gruppe mit etlichen Mitgliedern gehandelt habe, schränke die Vertraulichkeit der Kommunikation nicht ein. Der Austausch zwischen den Mitgliedern der Chatgruppe sei auf Vertraulichkeit ausgerichtet gewesen.

Die Mitglieder hätten untereinander Ende-zu-Ende verschlüsselte Nachrichten ausgetauscht, die für Außenstehende nicht einsehbar waren. Aufgrund der langjährigen Freundschaften habe ein besonderes Vertrauensverhältnis bestanden. Auch die Größe der Chatgruppe habe die Annahme der Vertraulichkeit nicht ausgeschlossen. Die Äußerungen seien nicht vor einem Kreis von Mitarbeitern gefallen, der so groß war, dass der Arbeitnehmer nicht sicher davon ausgehen durfte, dass die Kollegen seine Äußerungen für sich behalten würden. Zu allen Mitgliedern der Gruppe habe der Arbeitnehmer ein enges persönliches Verhältnis gehabt, das geeignet gewesen sei, sein Vertrauen auf die Verschwiegenheit der Gruppenmitglieder Dritten gegenüber zu begründen. Er habe daher davon ausgehen können, dass seine Äußerungen über Dritte diesen nicht zur Kenntnis gelangen. Dies gelte umso mehr, als die Mitarbeiter in der Chat-Gruppe bereits seit dem Jahr 2014 Nachrichten ausgetauscht hätten, ohne dass diese jemals Außenstehenden bekannt geworden seien.

Lediglich privater Meinungsaustausch?

Die Chatgruppe habe auch keinen dienstlichen Bezug gehabt. Sie sei von den Mitgliedern als private Gruppe gebildet worden. Soweit sie sich über Arbeitskollegen und Geschehnisse am Arbeitsplatz ausgetauscht hätten, habe dies keinen dienstlichen Bezug begründet. Insofern habe es sich lediglich um einen privaten Meinungsaustausch gehandelt, der sich wegen der gemeinsamen Tätigkeit für den Arbeitgeber auch mit Aspekten des Arbeitslebens der Gruppenmitglieder auseinandergesetzt habe. Der Arbeitnehmer habe auch seine arbeitsvertragliche Rücksichtnahmepflicht nicht dadurch verletzt, dass er versucht habe, die anderen Gruppenmitglieder zu arbeitsvertragswidrigem oder strafbarem Handeln zu bewegen. Soweit Äußerungen über gewalttätiges Verhalten gegenüber Mitgliedern der Geschäftsführung des Arbeitgebers und des Betriebsrates erfolgt seien, bestünden keine Anhaltspunkte dafür, dass sich dahinter eine Absicht, entsprechend tätig zu werden verborgen habe. Der Betriebsfrieden sei durch die Chat-Äußerungen des Arbeitnehmers nicht beeinträchtigt worden und der Arbeitnehmer habe seine im Rahmen des Chats geäußerte Haltung nicht nach außen getragen.

Daher seien die Äußerungen des Arbeitnehmers im Rahmen des Gruppenchats nicht geeignet, eine personenbedingte Kündigung zu rechtfertigen.

Bundesarbeitsgericht ist anderer Auffassung

Dieses Urteil hatte jedoch vor dem Zweiten Senat des Bundesarbeitsgerichts keinen Bestand. Das BAG stufte die Annahme des LAG Niedersachsen, hier habe eine berechtigte Vertraulichkeitserwartung des Arbeitnehmers betreffend der ihm vorgeworfenen Äußerungen vorgelegen, als rechtsfehlerhaft ein. Eine Vertraulichkeitserwartung ist nach Auffassung des BAG nur dann berechtigt, wenn die Mitglieder der Chatgruppe den besonderen persönlichkeitsrechtlichen Schutz einer Sphäre vertraulicher Kommunikation in Anspruch nehmen können. Das wiederum ist abhängig von dem Inhalt der ausgetauschten Nachrichten sowie der Größe und personellen Zusammensetzung der Chatgruppe. Sind Gegenstand der Nachrichten – wie vorliegend – beleidigende und menschenverachtende Äußerungen über Betriebsangehörige, bedarf es einer besonderen Darlegung, warum der Arbeitnehmer berechtigt erwarten konnte, deren Inhalt werde von keinem Gruppenmitglied an einen Dritten weitergegeben.

LAG Niedersachsen muss erneut verhandeln

Das Bundesarbeitsgericht hat das Berufungsurteil insoweit aufgehoben und die Sache an das Landesarbeitsgericht Niedersachsen zurückverwiesen. Dieses wird dem Arbeitnehmer Gelegenheit geben, darzulegen, warum er angesichts der Größe der Chatgruppe, ihrer zwischenzeitlich geänderten Zusammensetzung, der unterschiedlichen Beteiligung der Gruppenmitglieder an den Chats und der Nutzung eines auf schnelle Weiterleitung von Äußerungen angelegten Mediums eine berechtigte Vertraulichkeitserwartung haben durfte.

Hinweis: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 24. August 2023, Az. 2 AZR 17/23


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