Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsrentenanpassung. dreijähriger Prüfungszeitraum. reallohnbezogene Obergrenze. Billigkeitskontrolle. Ermittlung des Nettoreallohnanstiegs zur Anpassung der Betriebsrente. Feststellungsantrag zum Anspruch auf erhöhte Betriebsrente bei verkürztem Prüfungszeitraum und fehlerhafter Nachberechnung der reallohnbezogenen Obergrenze
Leitsatz (amtlich)
1. Die nunmehr ausdrückliche Bezugnahme auf "vergleichbare Arbeitnehmergruppen" in § 16 Abs. 2 Nr. 2 BetrAVG gebietet es, dass der Arbeitgeber nicht nur berechtigt, sondern verpflichtet ist, bei der Ermittlung des Nettoreallohnanstiegs im Rahmen der Anpassungsentscheidung eine sachgerechte und nach Vergütungsgesichtspunkten orientierte Gruppenbildung vorzunehmen.
2. Bei der Ermittlung des Nettoreallohnanstiegs sind die Anwartschaftsrechte auf Versorgungslohn nicht mit in die Gesamtnettoeinkünfte mit einzubeziehen. Die Versorgungsanwartschaft erhöht nicht den Lebensstandard des Arbeitnehmers während seines aktiven Berufslebens.
Normenkette
BetrAVG § 16 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 1; ZPO § 256 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Kiel (Entscheidung vom 10.08.2011; Aktenzeichen 4 Ca 389 a/11) |
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kiel vom 10.08.2011 - Az.: 4 Ca 389 a/11 - wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Anpassung der dem Kläger zustehenden Betriebsrente.
Der heute 59-jährige Kläger war in der Zeit vom 01.02.1981 bis zum 31.12.2005 zuletzt als Vertriebsbeauftragter bei der Beklagten beschäftigt. Der Kläger schied aufgrund einer Vorruhestandsregelung vom 24.06.2005 aus dem Arbeitsverhältnis aus, in welcher - soweit hier von Belang - Folgendes geregelt wurde (Bl. 9, 10 d. A.):
"3. Herr Z. erhält hiermit die Zusage zur vorgezogenen Altersrente nach den Bestimmungen des I. Versorgungswerkes.
Die Rente wird Herrn Z. ab dem Folgemonat nach Ausscheiden gewährt."
Die vorgezogene Altersrente betrug anfangs, d. h. ab dem 01.01.2006, € 2.187,00 monatlich (Bl. 11, 12 d. A.). Zum 01.07.2009 erhöhte die Beklagte die betriebliche Rente einheitlich um 2,91 %. Demgemäß zahlte die Beklagte in der Folgezeit an den Kläger eine Betriebsrente in Höhe von monatlich € 2.251,00 brutto. Davor hatte die Beklagte zuletzt die Betriebsrenten zum 01.07.2006 angepasst. Mit Schreiben vom 23.06.2009 (Bl. 13 d. A.) begründete die Beklagte die Erhöhung zum 01.07.2009 um 2,91 % mit dem entsprechenden durchschnittlichen Anstieg der Nettogehälter der aktiven Mitarbeiter des I.-Konzerns Deutschland während der letzten drei Jahre. Mit Schreiben vom 20.12.2010 legte der Kläger gegen die Rentenanpassung "Widerspruch" ein und begehrte eine Rentenanpassung um 6,04 % entsprechend der Steigerung des Verbraucherpreisindexes. Dies lehnte die Beklagte ab.
Mit seiner am 01.03.2011 erhobenen Feststellungsklage verfolgt der Kläger seine geltend gemachten Ansprüche auf Rentenanpassung in Höhe der Steigerung des Verbraucherpreisindexes von unstreitig 6,04 % mit Wirkung ab dem 01.07.2009 weiter.
Der Kläger hat beantragt,
festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm ab dem 01.07.2009 eine monatliche Betriebsrente von € 2.319,00 brutto zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat demgegenüber behauptet,
sie habe bei der Rentenanpassung die Nettolohnentwicklung aller Mitarbeiter des I.-Konzerns Deutschland innerhalb des dreijährigen Beurteilungszeitraums von Ende 2005 bis Ende 2008 berücksichtigt. Ende 2005 habe sie, die Beklagte, 11.538 Mitarbeiter beschäftigt, deren Jahresdurchschnittseinkommen € 64.674,00 betragen habe. Ende 2008 seien bei ihr demgegenüber nur noch 6.142 Mitarbeiter beschäftigt worden, die durchschnittlich € 69.543,00 im Jahr verdient hätten. Da innerhalb des I.-Konzerns Deutschland im maßgeblichen Zeitraum erhebliche Umstrukturierungen erfolgt seien, die u. a. auch zu einer nahezu Halbierung der Beschäftigtenzahl bei der Beklagten geführt habe, könnten bei der Reallohnentwicklung nicht nur die Beschäftigten der Beklagten zugrunde gelegt werden. Dies würde ein stark verfälschtes Bild ergeben. Ende 2005 seien im I.-Konzern Deutschland mit zehn Gesellschaften insgesamt 17.354 Mitarbeiter beschäftigt gewesen, deren Jahresdurchschnittseinkommen € 61.694,00 betragen habe. Ende 2008 hätten zum I.-Konzern Deutschland zwölf Gesellschaften gezählt mit insgesamt 17.182 Beschäftigten, die über ein Jahresdurchschnittseinkommen von € 62.044,00 verfügt hätten. Hierbei seien neben den Vollzeitarbeitnehmern auch Teilzeitarbeitnehmer, befristet beschäftigte Arbeitnehmer, Arbeitnehmer in Eltern- oder Altersteilzeit sowie alle Vergütungsbestandteile berücksichtigt worden. Ausgenommen seien lediglich die sogenannten "Executives". Hierbei handele es sich um Mitarbeiter des sogenannten gehobenen Führungskreises. Diese würden nach einem anders gearteten Bezahlungsprogr...