Entscheidungsstichwort (Thema)

Abfindung nach Altersteilzeit zur Minderung eines Rentenverlusts. "Vorzeitiger Rentenbeginn" als sozialversicherungsrechtlicher Begriff. Altersrente für besonders langjährig Versicherte

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Haben die Tarifvertragsparteien geregelt, eine Abfindung nach Altersteilzeit diene ausschließlich der Minderung des Rentenverlusts, den der Arbeitnehmer durch den vorzeitigen Rentenbeginn nach der Altersteilzeit erleidet, wollten sie einen besonderen Ausgleich für besondere Fälle regeln. Nicht erfasst werden die - regelmäßig auftretenden - Fälle, in denen bereits aufgrund des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses wegen des etwas abgesenkten Verdiensts ein Rentennachteil entsteht.

2. Im Sozialversicherungsrecht gibt es den Terminus des vorzeitigen Rentenbeginns. Verwendet ein Tarifvertrag diesen Begriff, ist damit - soweit es nicht eindeutige andere Definitionen gibt - der sozialversicherungsrechtliche Begriff gemeint.

3. Kann der Beschäftigte eine Altersrente für besonders langjährig Versicherte (§ 36 und § 236b SGB VI) in Anspruch nehmen, sieht das Gesetz keine vorzeitige Inanspruchnahme dieser Altersrente vor. Vielmehr handelt es sich um einen regulären Renteneintritt mit abgesenktem Renteneintrittsalter ohne Verringerung der Zugangsfunktion nach § 77 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2a SGB VI.

 

Normenkette

SGB VI §§ 36, 77 Abs. 2 S. 1 Nr. 2a, § 236b; ATZ TV § 6

 

Verfahrensgang

ArbG Neumünster (Entscheidung vom 29.10.2020; Aktenzeichen 4 Ca 1203 a/19)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 25.01.2022; Aktenzeichen 9 AZR 248/21)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Neumünster vom 29.10.2020 - 4 Ca 1203 a/19 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Zahlung einer Abfindung aus dem auf das Arbeitsverhältnis der Parteien anwendbaren Tarifvertrag zur Förderung von Altersteilzeit für die Arbeitnehmer verschiedener Unternehmen des D.-Konzerns (nachfolgend: Konzern AtzTV).

Der am ... 1955 geborene Kläger schloss unter dem 29. September 2017 mit der Beklagten eine Altersteilzeitvereinbarung. In § 1 dieser Vereinbarung heißt es zu den Rechtsgrundlagen, dass insbesondere das Altersteilzeitgesetz und der Konzern AtzTV Anwendung finden.

In § 2 der Altersteilzeitvereinbarung regelten die Parteien, dass sich die Arbeitszeit in eine Arbeitsphase vom 1. Oktober 2017 bis 15. Mai 2018 und in eine Freistellungsphase vom 16. Mai 2018 bis 31. Dezember 2018 aufteilt. Weiterhin heißt es in § 2, das Altersteilzeitarbeitsverhältnis ende spätestens am 31. Dezember 2018, ohne dass es einer Kündigung bedürfe.

In § 5 der Altersteilzeitvereinbarung regelten die Parteien die Zahlung eines Aufstockungsbetrags.

Im Konzern AtzTV heißt es in § 6:

"Abfindung zur Minderung von Rentenverlusten

(1.) Der Arbeitnehmer, der zum Endes des Altersteilzeitverhältnisses

- das 60. Lebensjahr vollendet hat, erhält eine Abfindung in Höhe von 12.000,00 EUR,

- das 61. Lebensjahr vollendet hat, erhält eine Abfindung in Höhe von 10.000,00 EUR,

- das 62. Lebensjahr vollendet hat, erhält eine Abfindung in Höhe von 8.000,00 EUR,

- das 63. Lebensjahr vollendet hat, erhält eine Abfindung in Höhe von 6.000,00 EUR,

- das 64. Lebensjahr vollendet hat, erhält eine Abfindung in Höhe von 4.000,00 EUR.

(2.) Die Abfindung dient ausschließlich der Minderung des Rentenverlustes, den der Arbeitnehmer durch den vorzeitigen Rentenbeginn erleidet.

...".

Der Kläger bezieht seit dem 1. Januar 2019 ausweislich des ihm erteilten Rentenbescheids eine Altersrente für besonders langjährig Versicherte in Höhe von 1.469,22 EUR brutto und einen monatlichen Zahlbetrag in Höhe von 1.306,88 EUR.

Der Kläger holte diverse Rentenauskünfte bei der Deutschen Rentenversicherung ein.

Ausweislich der Rentenauskunft vom 24. August 2020 hätte der Kläger bei einem Rentenbeginn am 1. Januar 2019 und der fiktiven Annahme, dass vor dem Rentenbeginn keine Altersteilzeit vorgelegen hätte, eine Rente für besonders langjährig Versicherte in Höhe von 1.469,84 EUR brutto erhalten, und zwar bei einer monatlichen Bruttovergütung in der Zeit vom 1. Oktober 2017 bis 31. Dezember 2018 in Höhe von 3.085,99 EUR.

Ausweislich weiterer Rentenauskünfte hätte der Kläger eine Altersrente für langjährig Versicherte bei einem Rentenbeginn am 1. April 2021 (ohne Abschlag) und der fiktiven Annahme, dass vor Rentenbeginn keine Altersteilzeit vorgelegen hätte, je nach Anwendung alternativer tariflicher Vergütungsregelungen entweder in Höhe von monatlich 1.655,59 EUR brutto oder in Höhe von monatlich 1.657,37 EUR brutto erhalten.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, er habe Anspruch auf eine Abfindung in Höhe von 6.000,00 EUR, da er bei Beendigung des Altersteilzeitverhältnisses das 63. Lebensjahr vollendet habe. Zwar sei es richtig, dass er abschlagsfrei eine Altersrente für besonders langjährig Versicherte beziehe. Gleichwohl erleide er sowohl durch das geringere Gehalt während der Altersteilzeit als auch durch den zeitlich früheren Rentenei...

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