Entscheidungsstichwort (Thema)

Lohn. Verzugslohn. Anrechnung. anderweitiger Verdienst. Freistellungsvereinbarung. Erlassvertrag. Auslegung. Auslegung einer Freistellungserklärung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die vertragliche Arbeitspflicht eines Arbeitnehmers erlischt nur durch den Abschluss eines Erlassvertrages i. S. v. § 397 Abs. 1 ZPO oder durch den Abschluss eines Änderungsvertrages (BAG, Urt. v. 19.03.2002 – 9 AZR 16/01 –, BB 2002, 1703 f.).

2. Die Freistellung eines Arbeitnehmers von der Arbeitspflicht bedeutet als solche nur einen Verzicht auf das Angebot der Arbeitsleistung. Mit der Freistellung tritt mithin regelmäßig Annahmeverzug des Arbeitgebers mit den Rechtsfolgen des § 615 BGB ein. Will der Arbeitgeber den Arbeitnehmer hingegen unter Fortzahlung der Vergütung und ohne Anrechnung anderweitigen Verdienstes von der Arbeit freistellen, muss diese Regelung der Freistellungserklärung eindeutig zu entnehmen sein (BAG, Urt. v. 23.09.2009 – 5 AZR 518/08 –, NZA 2010, 781 ff.).

 

Normenkette

BGB §§ 611, 133, 157, 397, 145 ff., § 615 S. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Lübeck (Urteil vom 14.06.2011; Aktenzeichen 3 Ca 751/11)

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck vom 14. Juni 2011, Az.: 3 Ca 751/11, wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über Gehaltsansprüche des Klägers aus einem beendeten Arbeitsverhältnis.

Der 54-jährige Kläger war bei der Beklagten seit dem 01.08.1994 als Versicherungskaufmann zu einem monatlichen Gehalt von zuletzt EUR 2.311,47 brutto beschäftigt. Mitte 2010 beschlossen die Gesellschafter der Beklagten, die Geschäftstätigkeit zum 31.12.2010 vollständig einzustellen. Auf der Betriebsversammlung vom 29.07.2010 unterrichtete die Beklagte ihre Belegschaft hiervon und teilte zugleich mit, dass vier Mitarbeiter von der Fa. M. Assekuranzkontor GmbH (im Folgenden: M.) übernommen werden könnten.

Ebenfalls am 29.07.2010 hörte die Beklagte den Betriebsrat zu den beabsichtigten Kündigungen an. In dem Anhörungsschreiben wies die Beklagte u. a. auf Folgendes hin (vgl. Bl. 82 d. A.):

„… Die beabsichtigte Kündigung ist aus dringenden betriebsbedingten Gründen veranlasst. Die Firma Dr. E. GmbH & Co. KG wird die bei ihr beschäftigten Mitarbeiter über diesen Termin hinaus nicht weiter beschäftigen können, unabhängig etwa darüber hinaus zu leistender Vergütung als Folge längerer Kündigungsfristen. Das Geschäft wird ersatzlos eingestellt. Die Gesellschafter wie auch die Geschäftsführung bedauern diesen Schritt, sehen aber aufgrund der gegebenen Gesamtumstände keine Fortführungsperspektiven.”

Mit Schreiben vom 26.08.2010 kündigte die Beklagte dem Kläger fristgerecht zum 28.02.2011. Zur Begründung führte sie u. a. aus (Bl. 81 d. A.):

„… Wie wir Ihnen und Ihren Kollegen schon mitgeteilt haben, werden wir den Betrieb der Firma Dr. E. GmbH & Co KG spätestens zum 31.12.2010 vollständig einstellen. Der Geschäftsbetrieb wird stillgelegt. Eine Beschäftigungsmöglichkeit über den 31.12.2010 hinaus besteht daher nicht. Wir bedauern daher, das mit Ihnen bestehende Arbeitsverhältnis aus dringenden betrieblichen Gründen ordentlich mit Wirkung zum 28.02.2011, hilfsweise ordentlich zum nächstzulässigen Termin zu kündigen.

Sofern Sie vor Ablauf der Frist aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden wollen, um anderweitig eine neue Aufgabe zu übernehmen, werden wir Ihnen selbstverständlich nicht im Wege stehen.”

Bis zum Jahresende 2010 erfüllte der Kläger seine Arbeitspflicht gegenüber der Beklagten und erhielt bis einschließlich Dezember 2010 die ihm vertraglich zustehende Vergütung.

Auf Vermittlung der Beklagten wurde der Kläger von der Fa. M. zum 01.01.2011 eingestellt. Der Kläger nahm am 02.01.2011 seine Tätigkeit bei der Fa. M. auf und erzielt dort ein Monatsgehalt in zumindest gleicher Höhe wie zuvor bei der Beklagten. Vor diesem Hintergrund regte die Beklagte mit Schreiben vom 23.01.2011 gegenüber dem Kläger an, das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis mit Wirkung zum 31.12.2010 aufzuheben. Damit war der Kläger nicht einverstanden. Die Beklagte zahlte an den Kläger für die Monate Januar und Februar 2011 kein Gehalt.

Mit Anwaltsschreiben vom 01.03.2011 beanspruchte der Kläger letztendlich erfolglos Abrechnung und Zahlung von Annahmeverzugslohn für die Monate Januar und Februar 2011 (Bl. 7 – 9 d. A.).

Mit der am 25.03.2011 vor dem Arbeitsgericht erhobenen Klage hat der Kläger seine diesbezüglichen Zahlungsansprüche weiterverfolgt.

Er hat vorgetragen,

die Beklagte habe ihn ausweislich des Kündigungsschreibens mit Wirkung ab dem 01.01.2011 von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung freigestellt. Sie habe damit auf die Erfüllung der Arbeitspflicht unwiderruflich verzichtet mit der Folge, dass er, der Kläger, auch für die Monate Januar und Februar 2011 Anspruch auf die vereinbarte Arbeitsvergütung habe, ohne dass seine bei der Fa. M. erhaltene Vergütung angerechnet werden könne. Der Kläger beruft sich auf...

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