Entscheidungsstichwort (Thema)

Versorgungszusage. Teilwiderruf. rückwirkend. schriftliche Erklärung. Eingriff in dynamische Zuwachsraten. Teilwiderruf einer Versorgungszusage: schriftliche Erklärung gegenüber betroffenen Arbeitnehmern

 

Leitsatz (amtlich)

1. Im Falle der Änderung von Versorgungsrichtlinien einer Unterstützungskasse reicht es aus, wenn diese Änderungen im Betrieb oder Unternehmen allgemein bekannt gemacht werden. Es genügt dafür, dass der betroffene Arbeitnehmer die Möglichkeit hat, von der Änderung Kenntnis zu nehmen. Vor diesem Hintergrund dient eine nach der Versorgungsordnung geforderte „schriftliche Erklärung” gegenüber den betroffenen Arbeitnehmern nur der Klarstellungs- und Beweisfunktion, sie hat keine konstitutive Wirkung. Eine Zurückweisung derselben gemäß § 174 BGB geht mithin „ins Leere”.

2. Sofern der Teilwiderruf einer Versorgungsordnung unter Vertrauensschutzgesichtspunkten für sog. „rentennahen Jahrgänge” ausgeschlossen ist, ist eine darin enthaltene Stichtagsregelung nicht deshalb unzulässig, weil sie im Einzelfall zu Härten führt. Die Nähe zur Schnittgrenze als solche ist noch kein Härtefall, der zur teleologischen Reduktion der anspruchseinschränkenden Regelung führen muss.

 

Normenkette

BGB §§ 125, 127, 174; BetrAVG § 1

 

Verfahrensgang

ArbG Kiel (Urteil vom 14.09.2010; Aktenzeichen 5 Ca 853 a/09)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 12.02.2013; Aktenzeichen 3 AZR 414/12)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Kiel vom 14. September 2010, Az. 5 Ca 853 a/09, abgeändert und die Klage abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz trägt der Kläger.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit des Teilwiderrufs einer Versorgungszusage.

Der am …1949 geborene Kläger ist seit dem 01.03.1979 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin, der Gewerkschaft öffentliche Dienste Transport und Verkehr (ÖTV), als Gewerkschaftssekretär beschäftigt. Mit Wirkung zum 01.01.2001 kam es zur Verschmelzung der Gewerkschaften ÖTV sowie vier weiterer so genannter Quellgewerkschaften mit der Gründungsorganisation der Beklagten. Gemäß § 5 Abs. 2 des Verschmelzungsvertrages galten die Allgemeinen Anstellungsbedingungen der Gründungsgewerkschaften solange fort, bis sie durch eine für alle Beschäftigten der Beklagten einheitlich geltende, neue Regelung ersetzt wird.

Auf das Arbeitsverhältnis des Klägers fanden mithin zunächst die allgemeinen Arbeitsbedingungen der Gewerkschaft ÖTV in ihrer jeweils gültigen Fassung Anwendung (AAB-ÖTV, Bl. 41 ff. d. A.). Gemäß § 6 AAB-ÖTV gewährte die Gewerkschaft ÖTV ihren Beschäftigten eine zusätzliche Altersversorgung:

„§ 6 AAB-ÖTV zusätzliche Altersversorgung

(1)

Die Gewerkschaft ÖTV ist Mitglied der Unterstützungskasse des DGB e.V. Die zusätzliche Altersversorgung ihrer Beschäftigten ist geregelt durch die Unterstützungsrichtlinien der Unterstützungskasse des DGB e.V. und die Vereinbarung über die Zahlung von Alters-, Invaliden- und Hinterbliebenenversorgung.

(2)

Beschäftigte werden nach den jeweils geltenden Unterstützungsrichtlinien der Unterstützungskasse des DGB e.V. als Begünstigte angemeldet; darüber werden sie nach Ablauf der Probezeit informiert.”

Aufgrund seines Eintrittsdatums galten für den Kläger die Unterstützungsrichtlinien 1988 (UR 88, Bl. 44 d. A.). Die UR 88 sehen eine endgehaltsbezogene Versorgungsleistung vor, die vom Bemessungsentgelt und der so genannten Anrechnungszeit abhängig ist, § 6 UR 88. Gemäß § 4 UR 88 besteht das Bemessungsentgelt aus dem versorgungsfähigen Arbeitsentgelt (Monatsgehälter, regelmäßige Sonderzahlungen und entgeltbezogene Pauschalbeträge) während des Bemessungszeitraums (letzten 12 Kalendermonate vor Eintritt des Unterstützungsfalles). § 6 UR 88 enthält folgende Regelung:

„§ 6 UR 88 Berechnung der Unterstützung

(1)

Die Gesamtversorgung beträgt nach einer Anrechnungszeit von 10 vollen Jahren 35 v.H. des Bemessungsentgelts. Sie steigt ab dem 11. Anrechnungsjahr um jährlich 2 v.H. und steigt ab dem 26. Anrechnungsjahr um jährlich 1 v.H. des Bemessungsentgelts.

(2)

Die Gesamtversorgung darf 70 v.H. des Bemessungsentgelts nicht übersteigen.

(3)

Die Unterstützung ist der Betrag, der sich ergibt, wenn die Gesamtversorgung um die gesetzliche Rente und die anderen nach § 7 anrechenbaren Leistungen gemindert wird.”

Am 06.06.1995 beschloss die Unterstützungskasse des DGB e.V. eine Neuregelung der Versorgung in Form der Versorgungsordnung 1995 (VO 95). In der VO 95 ist eine beitragsorientierte Versorgung vorgesehen, bei der Anwartschaften über eine Rückdeckungsversicherung vorausfinanziert werden. Die Mitglieder der Unterstützungskasse zahlen monatliche Beiträge für die bei ihnen Beschäftigten. Deren spätere monatliche Unterstützung errechnet sich aus der Summe von Rentenbausteinen, die während der Anrechnungszeit in jedem Kalenderjahr erworben werden (§ 6 VO 95). Mit Schreiben vom 01.12.1995 gab die Gewerkschaft ÖTV gegenüber der Unterstützungskasse des DGB e.V...

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