Entscheidungsstichwort (Thema)
Kündigung. dringende betriebliche Gründe. Betriebsänderung. Interessenausgleich. Namensliste. Vermutung. Widerlegung. Sozialauswahl. grobe Fehlerhaftigkeit. Abmahnung. Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung. Einreichung. Verspätung
Leitsatz (redaktionell)
1. Die unternehmerische Organisationsentscheidung betrifft nicht nur die (Um-)Gestaltung von Arbeitsabläufen, sondern auch die Frage, mit welcher Belegschaftsstärke bzw. mit welcher vorgehaltenen Personalkapazität der Arbeitgeber sein Unternehmensziel künftig erreichen will.
2. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ist im Rahmen der gerichtlichen Abmahnungskontrolle nur insoweit von Bedeutung, als Form und Umstände der Abmahnung gemeint sind. Er betrifft nicht die Frage, ob die Abmahnung als solche eine Überreaktion des Arbeitgebers darstellt.
Normenkette
KSchG § 1 Abs. 5; BGB § 314
Verfahrensgang
ArbG Elmshorn (Urteil vom 16.11.2005; Aktenzeichen 4 Ca 1168 c/05) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Elmshorn vom 16.11.2005 – 4 Ca 1168 c/05 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um den Bestand ihres Arbeitsverhältnisses und die Rechtmäßigkeit einer erteilten Abmahnung.
Der Kläger ist am ….1970 geboren. Er ist verheiratet und unterhaltspflichtig für 2 Kinder. Bei der Beklagten absolvierte er von August 1988 bis 1991 eine Ausbildung zum 2 zum Industriemechaniker. Mit Wirkung vom 28.1.1991 wurde er als Industriemechaniker (Schlosser) eingestellt. Seine Vergütung betrug zuletzt ca. 3.000 EUR brutto monatlich (Lohngr. VII). Im Jahr 1997 wurde der Kläger mit seinem Einverständnis als Heizer in das Heizkraftwerk versetzt. Dort konnte er durch die Tätigkeit im Schichtdienst ein höheres Nettoentgelt erzielen. Das Heizkraftwerk versorgte auch die Fa. …, deren Betrieb zum 31.12.2005 geschlossen wurde, mit Energie. Von dem Entschluss, den Betrieb der … zum 31.12.2005 zu schließen, erfuhr die Beklagte am 11.1.2005. Sie beschloss umfangreiche Maßnahmen und Organisationsänderungen, die zu einem Interessenausgleich und Sozialplan mit Datum vom 18.5.2005 führten (Bl. 18 d.A.). Unter Anderem wurden die Kostenstellen Dampf- und Stromerzeugung und Kläranlage um insgesamt 22 Stellen gekürzt, wobei 9 dieser Stellen der Lohngruppe VII zuzuordnen sind. Hinsichtlich der Einzelheiten der Änderungen wird auf das erstinstanzliche Urteil verwiesen. Anlage 1 des Interessenausgleichs ist eine Namensliste der zu kündigenden Mitarbeiter, in der auch der Kläger aufgeführt ist (Bl. 23 d.A.). Der Betriebsrat wurde über die beabsichtigte Kündigung am 19.5.2005 unterrichtet. Am 27.5.2005 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum Ablauf des 31.12.2005 (Bl. 5 d.A.). Hiergegen hat der Kläger am 14.6.2005 Klage erhoben.
Der Kläger war vom 6. 6. bis 7.7.2005 arbeitsunfähig erkrankt. Am 8.7.2005 erschien der Kläger, der seine Tätigkeit um 5:30 Uhr hätte aufnehmen sollen, nicht zur Arbeit. Er meldete sich nicht ab. Um 16:45 Uhr wurde eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung beim Pförtner abgegeben. Die Beklagte sprach wegen dieses Sachverhalts eine Abmahnung aus (Bl. 27 d.A.), die der Kläger durch Klagerweiterung vom 12.8.2005 angegriffen hat.
Der Kläger hat vorgetragen, die Tätigkeit als Heizer werde trotz der Schließung des Betriebs der … nicht beeinträchtigt. Es seien insgesamt 4 Heizer und ein Maschinist gekündigt und mindestens in gleicher Zahl Heizer angelernt worden. Er sei auch bereit, wieder als Schlosser zu arbeiten. Mit den Schlossern sei er vergleichbar und schutzwürdiger als der Mitarbeiter F.. Zudem habe die Beklagte neue Stellen ausgeschrieben.
Die Abmahnung sei unberechtigt. Er habe wegen Magenbeschwerden am 7.7.2005 abends ein Medikament gegen Magenbeschwerden und eine Beruhigungstablette eingenommen. Durch die Kombination beider Medikamente sei er benommen gewesen und erst am Nachmittag des nächsten Tages wieder wach geworden. Er sei weiter sehr benommen gewesen, zu seinem Hausarzt gegangen und habe dort eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erhalten. Dies könne ihm nicht vorgeworfen werden.
Der Kläger hat beantragt,
- festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 27.5.2005 nicht beendet worden ist und über den 31.12.2005 hinausgehend zu unveränderten Bedingungen fortbestehe,
- die Beklagte zu verurteilen, die von ihr gegenüber dem Kläger mit Schreiben vom 13.7.2005 ausgesprochene Abmahnung aus der Personalakte des Klägers zu entfernen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat sich auf den Interessenausgleich mit Namensliste bezogen und weiter vorgetragen, die Schlosser seien in Lohngruppe VIII und daher nicht mit dem Kläger vergleichbar. Der Mitarbeiter F. scheide daher aus der Sozialauswahl aus, desgleichen J., der Maschinist/Springer sei. Die ausgeschriebenen Stellen seien nicht frei, sondern infolge von Umsetzungen wieder zu besetzen gewesen.
Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 16.11.2005, auf das hinsichtlich ...