Entscheidungsstichwort (Thema)
Bereitschaftsdienst. Vergütung. Überstunden. Vergütung von Bereitschaftsdienst
Leitsatz (amtlich)
1. Der Arbeitgeber kann aufgrund seines Weisungsrechts, das Zeit, Ort und Art der Arbeitsleistung umfasst, grundsätzlich einseitig bestimmen, ob der Arbeitnehmer Bereitschaftsdienst oder Mehrarbeit leisten soll.
2. Bereitschaftsdienst darf nur angeordnet werden, wenn der Arbeitgeber zwar davon ausgehen kann, dass Arbeit anfällt, diese aber in der Zeit des Bereitschaftsdienstes nach aller Erfahrung nicht mit mindestens der Hälfte dieser Zeit den Angestellten in Anspruch nimmt.
3. Wann die tatsächliche Arbeitsleistung während des Bereitschaftsdienstes erbracht wird, bestimmt allein der Arbeitgeber. Zwischen dem Ende der Regelarbeitszeit und der Abforderung der Arbeitsleistung aus dem sich anschließenden Bereitschaftsdienst bedarf es keiner logischen bzw. tatsächlichen Zäsur von einer Sekunde.
4. Die stillschweigende Anordnung des Arbeitgebers, die während der Regelarbeitszeit begonnene Arbeit über das Dienstende hinaus während des sich anschließenden Bereitschaftsdienstes fortzusetzen und zu beenden, kann ihrem Wesen nach sowohl die Anordnung von Überstunden als auch der Abruf von Bereitschaftsarbeit sein. Wenn der Arbeitgeber durch Aufstellung eines Dienstplanes Bereitschaftsdienst angeordnet hatte, bedarf es einer eindeutigen Erklärung, dass er diese Anordnung aufhebt und stattdessen nunmehr Überstunden anordnet. Fehlt es hieran, liegt Bereitschaftsarbeit vor.
Normenkette
BAT § 15 Abs. 6a, § 17 Abs. 1; SR 2a BAT
Verfahrensgang
ArbG Kiel (Urteil vom 07.12.2005; Aktenzeichen öD 6 Ca 1350 b/04) |
Tenor
1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteils des Arbeitsgerichts Kiel vom 07.12.2005, Az.: 6 Ca 1350 b/04, abgeändert und die Klage abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz trägt die Klägerin.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die 49-jährige Klägerin ist seit dem 01.03.2002 bei dem Beklagten als OP-Krankenschwester im Krankenhaus P. beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis finden kraft einzelvertraglicher Inbezugnahme der Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträge in der für den Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) jeweils geltenden Fassung Anwendung. Die Klägerin ist eingruppiert in Vergütungsgruppe Kr VI. Bei einer 38,5 Stundenwoche beträgt die monatliche Grundvergütung EUR 2.010,80. Hieraus errechnen sich ein Bruttostundenlohn von EUR 13,60 und eine Überstundenvergütung von EUR 17,00 brutto pro Stunde. Der Bereitschaftsdienst wird vergütet auf der Grundlage des § 15 Abs. 6 a BAT sowie der Nr. 6 Abschnitt B der Sonderregelung 2 a zum BAT. Diese Vorschriften lauten wie folgt:
§ 15 Abs. 6 a BAT
Der Angestellte ist verpflichtet, sich auf Anordnung des Arbeitgebers außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit an einer vom Arbeitgeber bestimmten Stelle aufzuhalten, um im Bedarfsfalle die Arbeit aufzunehmen (Bereitschaftsdienst). Der Arbeitgeber darf Bereitschaftsdienst nur anordnen, wenn zu erwarten ist, dass zwar Arbeit anfällt, erfahrungsgemäß aber die Zeit ohne Arbeitsleistung überwiegt.
Zum Zwecke der Vergütungsberechnung wird die Zeit des Bereitschaftsdienstes einschließlich der geleisteten Arbeit entsprechend dem Anteil der erfahrungsgemäß durchschnittlich anfallenden Zeit der Arbeitsleistung als Arbeitszeit gewertet und mit der Überstundenvergütung (§ 35 Abs. 3 Unterabs. 2) vergütet. Die Bewertung darf 15 v. H., vom 8. Bereitschaftsdienst im Kalendermonat an 25 v. H. nicht unterschreiten. Die danach errechnete Arbeitszeit kann stattdessen bis zum Ende des dritten Kalendermonats auch durch entsprechende Freizeit abgegolten werden (Freizeitausgleich). Für den Freizeitausgleich ist eine angefangene halbe Stunde, die sich bei der Berechnung ergeben hat, auf eine halbe Stunde aufzurunden. Für die Zeit des Freizeitausgleichs werden die Vergütung (§ 26) und die in Monatsbeträgen festgelegten Zulagen fortgezahlt.
Nr. 6 zu SR 2 a BAT
B. Bereitschaftsdienst und Rufbereitschaft
(1) …
(2) Zum Zwecke der Vergütungsberechnung wird die Zeit des Bereitschaftsdienstes einschließlich der geleisteten Arbeit wie folgt als Arbeitszeit gewertet:
a) Nach Maßgabe der während des Bereitschaftsdienstes erfahrungsgemäß durchschnittlich anfallenden Arbeitsleistungen wird die Zeit des Bereitschaftsdienstes wie folgt als Arbeitszeit gewertet:
Stufe |
Arbeitsleistung |
Bewertung als Arbeitszeit |
A |
0 – 10 % |
15 % |
B |
≫ 10 – 25 % |
25 % |
C |
≫ 25 – 40 % |
40 % |
D |
≫ 40 – 49 % |
55 % |
….” |
Entsprechend dieser Regelungen erhält die Klägerin für die geleisteten Bereitschaftsdienste eine pauschalierte Vergütung bzw. einen entsprechenden Freizeitausgleich nach der Stufe B.
Die Klägerin war im Zeitraum vom 04.10.2002 bis 30.01.2004 regelmäßig zum Bereitschaftsdienst eingeteilt. Die tatsächliche Arbeitsleistung während des Bereitschaftsdienstes schloss sich zumeist an die regelmäßige Arbeitszeit an, sodass die Klägerin ihre Arbeiten a...