REVISION ZUGELASSEN JA

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Gefahrgeneigte Tätigkeit. Überfahren einer Ampel bei Rotlicht. Betriebsrisiko. Schadensminderung

 

Leitsatz (amtlich)

Überfährt ein Kraftfahrer eine Verkehrsampel bei Rotlicht, handelt er grob fahrlässig und ist damit für den seinem Arbeitgeber entstehenden Schaden grundsätzlich vollen Umfangs verantwortlich.

Allerdings kann eine Minderung des Schadens im Rahmen des § 242 BGB eintreten, wenn die volle Haftung den Arbeitnehmer auf unabsehbare Zeit wirtschaftlich übermäßig belasten würde.

 

Normenkette

BGB § 611

 

Verfahrensgang

ArbG Kiel (Urteil vom 30.07.1987; Aktenzeichen 2a Ca 307/87)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 12.10.1989; Aktenzeichen 8 AZR 276/88)

 

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Kiel vom 30. Juli 1987 unter Zurückweisung der Berufung im übrigen teilweise geändert.

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 55.097,57 DM nebst 8,25 % Zinsen seit dem 04. März 1987 zu zahlen.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen Klägerin und Beklagter je zur Hälfte.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob die Klägerin gegen den Beklagten, der am 15. August 1984, als er einen Omnibus der Klägerin fuhr, auf einer Kreuzung mit einem Lkw zusammengestoßen ist, einen Schadensersatzanspruch in Höhe von 110.195,15 DM hat.

Am Vormittag des 15. August 1984 fuhr der Beklagte mit einem Omnibus der Klägerin auf der Werftstraße in Flensburg in Richtung Dänemark. Auf der Kreuzung Werftstraße/Gasstraße stieß er mit dem Bus mit einem LKW zusammen, der von links auf der Gasstraße die Kreuzung überquerte. Der Bus wurde erheblich beschädigt. Der Unfallschaden der Klägerin beläuft sich auf 110.195,15 DM.

Ein Ermittlungsverfahren gegen den Beklagten wegen fahrlässiger Körperverletzung hat die Staatsanwaltschaft beim Landgericht Flensburg mit Bescheid vom 01.10.1984 mit der Begründung eingestellt, daß „ein erhebliches Verschulden an dem Zustandekommen des Verkehrsunfalls nicht nachgewiesen werden” könne – Js. –. Mit Bußgeldbescheid vom 09.11.1984 hat die Stadt Flensburg gegen den Beklagten eine Geldbuße in Höhe von 130,– DM festgesetzt. Auf den Einspruch des Beklagten ist das Ordnungswidrigkeitenverfahren durch Beschluß des Amtsgerichts Flensburg vom 14.05.1985 eingestellt worden – OWi (…) –.

Die Klägerin hat vorgetragen:

Der Beklagte sei in die durch die Werft- und Gasstraße gebildete Kreuzung in Flensburg hineingefahren, obwohl die für ihn maßgebliche Ampel bereits einige Sekunden „Rot” gezeigt habe.

Die Klägerin hat beantragt,

den Beklagten kostenpflichtig und vorläufig vollstreckbar zu verurteilen, an die Klägerin 110.195,15 DM zuzüglich 10 % Zinsen seit dem 20. Dezember 1984 zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat vorgetragen:

Er sei bei „Grün” in den Kreuzungsbereich hineingefahren. Die Klägerin treffe ein erhebliches Mitverschulden, weil sie für den Bus keine Vollkasko-Versicherung abgeschlossen habe. Schließlich seien die Ansprüche durch Ablauf der Ausschlußfrist nach dem einschlägigen Manteltarifvertrag verfallen.

Wegen des Sach- und Streitstandes in erster Instanz im übrigen wird gemäß § 543 ZPO auf das angefochtene Urteil des Arbeitsgerichts Kiel vom 30. Juli 1987 nebst seinen Verweisungen Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat dem Zahlungsbegehren der Klägerin vollen Umfangs mit der Begründung stattgegeben, daß der Beklagte am 15. August 1984 seine Sorgfaltspflichten aus dem Arbeitsverhältnis dadurch grob fahrlässig verletzt habe, daß er mit dem Bus der Klägerin in Flensburg in den Kreuzungsbereich Werft-/Gasstraße eingefahren sei, obwohl die für ihn maßgebliche Ampel „Rot” gezeigt habe. Nach den Grundsätzen der positiven Vertragsverletzung sei der Beklagte daher zum Ersatz des durch sein grob fahrlässiges Fehlverhalten entstandenen Unfallschadens verpflichtet. Daß der Beklagte in den Kreuzungsbereich bei „Rot” eingefahren sei, ergebe sich aus den Aussagen der Zeugen, die vor dem Landgericht Kiel gehört worden seien, ferner aus dem Gutachten des Sachverständigen K.. Die Haftung des Beklagten sei auch nicht dadurch eingeschränkt, daß er an dem Unfalltag als Busfahrer eine schadensgeneigte Tätigkeit ausgeführt habe; dem Beklagten falle nämlich grobe Fahrlässigkeit zur Last, so daß er den gesamten Schaden der Klägerin zu ersetzen habe. Ein Kraftfahrer, der eine auf „Rot” stehende Verkehrsampel überfahre, verletze die ihm im Verkehr obliegende Sorgfalt grob fahrlässig. Besondere Entschuldigungsgründe habe der Beklagte nicht vorgetragen. Ob die Klägerin verpflichtet gewesen wäre, für den von dem Beklagten gefahrenen Omnibus eine Vollkasko-Versicherung abzuschließen, könne dahinstehen; denn im vorliegenden Fall wäre die Haftung des Beklagten auch bei Bestehen einer Vollkasko-Versicherung nicht eingeschränkt gewesen; der Beklagte würde nämlich, wenn die Versicherung den Schaden ersetzt hätte, dieser gegenüber gemäß § 67 VVG haften. Die Ansprüche der Klägerin seien auch nich...

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