Entscheidungsstichwort (Thema)
Außerordentliche Kündigung. privates Surfen im Internet. private Nutzung des Mobiltelefons. Außerordentliche Kündigung bei privater Nutzung des Internets während der Arbeitszeit
Leitsatz (amtlich)
1. Das nicht ausdrücklich oder zumindest konkludent genehmigte private Surfen im Internet während der Dienstzeit in erheblichem zeitlichem Umfang kann an sich geeignet sein, einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung darzustellen. Dies gilt insbesondere, wenn dem Arbeitgeber hierdurch zusätzliche Kosten entstehen oder der Ruf geschädigt wird, weil strafbare oder pornographische Darstellungen herunter geladen werden.
2. Bei einem gleichsam ausschweifenden privaten Surfen im Internet und privaten Telefonieren während der Arbeitszeit bedarf es vor Ausspruch der fristlosen Kündigung in der Regel keiner Abmahnung. Dies gilt jedoch nicht, wenn der Arbeitgeber diese Pflichtverletzungen in der Vergangenheit zwar formlos gerügt, aber letztlich geduldet hat. Einzelfallentscheidung: Aufgrund der Gesellschafterstellung des Arbeitnehmers und der sich daraus ergebenden weitergehenden Arbeitnehmerrechte verstieß die Kündigung vorliegend wegen fehlender einschlägiger Abmahnung gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.
Normenkette
BGB § 626; KSchG § 1 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Flensburg (Urteil vom 17.11.2005; Aktenzeichen 3 Ca 1531/04) |
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Flensburg, Kammer Husum, vom 17. November 2005, Aktenzeichen 3 Ca 1531/04, wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung wegen privater Nutzung des Internets sowie eines Diensthandys während der Dienstzeit.
Der 38-jährige Kläger ist bei der Beklagten, einem Abfallentsorgungsbetrieb, seit dem 01.03.1996 als Anlagentechniker im Außendienst beschäftigt. Er als gelernter Meister und der Geschäftsführer der Beklagten gründeten den Betrieb und sind beide Gesellschafter der Beklagten mit einem Geschäftsanteil von jeweils 50 %.
Mit Schreiben vom 18.08.2004 erteilte die Beklagte dem Kläger eine Abmahnung wegen Nichterledigung von Terminaufgaben und Fernbleiben vom Arbeitsplatz (Bl. 6 d. GA).
Der Kläger führte über das ihm zur Verfügung gestellte Mobiltelefon jedenfalls neun private Telefonate am 23.09.2004 und jedenfalls zwei private Telefonate am 24. und 28.09.2004. Zwischen den Parteien ist streitig, ob weitere Handygespräche privat oder dienstlich veranlasst waren. Darüber hinaus nutzte der Kläger den für ihn installierten Computer an diesen drei Tagen insgesamt 220 Minuten für private Zwecke und zwar 42 Minuten am 23.09.2004, 173 Minuten am 24.09.2004 und fünf Minuten am 28.09.2004.
Mit Schreiben vom 29.09.2004 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers fristlos, da er „zum Wiederholtenmahl (seine) Arbeitskraft während der Betriebs üblichen Arbeitszeit nicht der Firma zur Verfügung gestellt (habe), obwohl (er) dafür schon am 18.08.04 eine Abmahnung erhalten” habe (Bl. 7 d. GA.).
Gegen diese Kündigung hat der Kläger am 18.10.2004 vor dem Arbeitsgericht Flensburg Feststellungsklage erhoben.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstands in erster Instanz sowie der erstinstanzlichen Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils einschließlich der Inbezugnahmen verwiesen, § 69 Abs. 2 ArbGG.
Das Arbeitsgericht hat der Klage mit Urteil vom 17.11.2005 stattgegeben. Für eine außerordentliche Kündigung fehle es an einem wichtigen Grund nach § 626 Abs. 1 BGB. Ein wichtiger Grund „an sich” sei gegeben, wenn der Arbeitnehmer den üblichen Rahmen geduldeter Privattelefonate und Internetnutzung bei weitem überschreite. Indessen setze eine wirksame Kündigung – gleich aus welchen Gründen – im Regelfall ein ausdrückliches Verbot oder eine einschlägige Abmahnung voraus. Nur wenn der Arbeitnehmer die Pflichtwidrigkeit seines Verhaltens ohne Weiteres erkennen könne und er mit einer Billigung dieses Verhaltens durch den Arbeitgeber auch nicht rechnen durfte, wenn er nicht gewillt sei, sich vertragsgerecht zu verhalten oder bei Störungen im Vertrauensbereich könne etwas anderes gelten. Weder die private Nutzung des Mobiltelefons noch diejenige des Internetanschlusses sei verboten gewesen. Die Beklagte habe den Kläger vor Ausspruch der Kündigung auch nicht wegen eines derartigen Fehlverhaltens abgemahnt. Die Abmahnung vom 18.08.2004 sei insoweit nicht einschlägig. Eine Abmahnung sei vorliegend auch nicht entbehrlich gewesen. Die Beklagte habe lediglich die hohen Handykosten beklagt, sodass der Kläger damit rechnen musste, dass ihm ein privater Anteil berechnet würde, nicht aber damit, dass er seinen Arbeitsplatz auf's Spiel setze. Darüber hinaus sei der Kläger beherrschender Mitgesellschafter der Beklagten und damit maßgeblich am Ergebnis der Beklagten beteiligt. Aufgrund dieser gesellschaftsrechtlichen Stellung und im Hinblick auf seine Außendien...