Entscheidungsstichwort (Thema)
Tarifliche Mehrarbeitszuschläge bei Teilzeitbeschäftigung. Unbegründete Zahlungsklage auf Mehrarbeitszuschläge für unterhalb der regulären Arbeitszeit geleistete Überstunden
Leitsatz (amtlich)
Auslegung des § 4 Ziff. 1 des zwischen der E.. Deutschland GmbH und der Gewerkschaft NGG geschlossenen Manteltarifvertrag vom 15.06.2013.
Leitsatz (redaktionell)
1. Ist nach dem Wortlaut der Tarifvorschrift Mehrarbeit mit dem tariflichen Stundenlohn zzgl. 25 % Zuschlag zu vergüten und wird Mehrarbeit bestimmt als die über die regelmäßige quartalsmäßige Arbeitszeit hinaus angeordnete und geleistete Arbeit, die nicht innerhalb des Quartals mit Freizeit ausgeglichen wurde, besteht für Teilzeitbeschäftigte ein Anspruch auf Mehrarbeitszuschlag nur dann, wenn sie die für Vollzeitbeschäftigte geltende regelmäßige Arbeitszeit überschreiten.
2. Haben die Tarifvertragsparteien ausdrücklich abweichende Regelungen für Teilzeitbeschäftigte im Verhältnis zu Vollzeitbeschäftigten getroffen, bei der Definition der zuschlagspflichtigen Mehrarbeit jedoch nicht die individuell geschuldeten Teilzeitarbeit sondern die Überschreitung der regulären Arbeitszeit zugrunde gelegt, ist diese Unterscheidung als gewollt anzusehen, wenn sich die Tarifvertragsparteien der Auswirkungen, die die Vollzeit- und Teilzeitbeschäftigung auf die jeweiligen Tarifansprüche haben, durchaus bewusst waren, da einzelne Tarifnomen wie die über Arbeitszeitverkürzung bei einer regelmäßigen 40-Stunden-Woche, über die Berechnung der Entgeltfortzahlung und Urlaubsentgelts und Urlaubsgeldes sowie über die Jahressonderzuwendung abweichende Regelungen für Teilzeitbeschäftigte enthalten, die sich an der individuell vereinbarten oder tatsächlich geleisteten Arbeitszeit im Verhältnis zum jeweilig geregelten Anspruch eines Vollzeitbeschäftigten orientieren.
Normenkette
TVG § 1; TzBfG § 4; GG Art. 3, 3 Abs. 1; MTV § 3 Nr. 1 S. 1, § 4 Nr. 1 S. 2
Verfahrensgang
ArbG Kiel (Entscheidung vom 11.02.2015; Aktenzeichen 3 Ca 1989 a/14) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Kiel vom 11.02.2015 - AZ.: 3 Ca 1989 a/14 - teilweise abgeändert und
- die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 24,91 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins- satz seit dem 01.10.2014 zu zahlen;
- im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
- Die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz trägt die Klägerin.
- Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, an die Klägerin für die von ihr über die regulär vereinbarte Teilzeitarbeit hinausgehenden Arbeitsstunden tarifliche Mehrarbeitszuschläge zu zahlen.
Bei der Beklagten handelt es sich um ein deutschlandweit tätiges Cateringunternehmen. Die 62-jährige Klägerin ist bei der Beklagten seit dem 01.01.2009 als Verkäuferin in Teilzeit beschäftigt und erbringt ihre Arbeitsleistung im W. in F.. Im hier streitgegenständlichen Zeitraum betrug ihr Stundenlohn 9,49 € brutto und die wöchentliche Arbeitszeit 22,5 Stunden bzw. 97,6 monatlich. Die Beklagte zahlt an die Klägerin einen gleichbleibenden Tarifmonatslohn in Höhe von 925,85 € brutto. Hierüber erhält die Klägerin jeweils am Monatsende eine Abrechnung. Am Ende des nächsten Monats erhält die Klägerin eine zweite Abrechnung für den Vormonat, in der neben dem festen Tarifmonatslohn auch die im Vormonat geleisteten Mehrarbeitsstunden abgerechnet werden. Diese zweite Abrechnung enthält vor der Monatsangabe den Buchstaben "R". Gemäß § 9 des zugrundeliegenden Arbeitsvertrages finden auf das Arbeitsverhältnis die zwischen der Beklagten und der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten abgeschlossenen Haustarifverträge Anwendung (Bl. 5 ff. d. A.). Dazu gehört u. a. der Haus-Manteltarifvertrag vom 15.06.2013 (künftig: MTV, Bl. 19 ff. d. A.). Dieser enthält - soweit hier von Belang - folgende Regelungen:
"§ 3 - Arbeitszeit, Pause und Ruhezeiten
1. Arbeitszeit (bis 31.12.2014)
Die durchschnittliche Arbeitszeit, ausschließlich der Pausen, beträgt bis zum 31.12.2014 wöchentlich 40 Stunden. Diese sind an 5 Tagen innerhalb der Woche von Montag (0:00 Uhr) bis Sonntag (24:00 Uhr) abzuleisten. Dabei sind folgende Ober- und Untergrenzen für Vollzeitkräfte zu berücksichtigen:
1. Die tägliche Arbeitszeit darf 5 Stunden nicht unter- und 10 Stunden nicht überschreiten.
2. die wöchentliche Arbeitszeit darf 28 Stunden nicht unter- und 48 Stunden nicht überschreiten.
3. Die monatliche Arbeitszeit darf 139 Stunden nicht unter- und 200 Stunden nicht überschreiten.
Für Teilzeitkräfte gelten die obigen Arbeitszeitgrenzen entsprechend des Verhältnisses der mit ihnen vereinbarten Arbeitszeit zur Vollzeitarbeit. Davon abweichende Ober- und Untergrenzen können gelten, sofern der/die Arbeitnehmer/in ausdrücklich sein/ihr Einverständnis erklären.
...
§ 4 - Zuschlagspflichtige Tätigkeiten
1. Mehrarbeit
Mehrarbeit ist zu vermeiden.
Die über die regelmäßige quartalsmä...