REVISION / RECHTSBESCHWERDE / REVISIONSBESCHWERDE ZUGELASSEN NEIN
Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtskräftiges Urteil. ehrenamtlicher Richter. keine Ernennungsurkunde. Fortsetzung des Verfahrens. neue Entscheidung
Leitsatz (amtlich)
Hat bei einer arbeitsgerichtlichen Entscheidung ein ehrenamtlicher Richter mitgewirkt, der, wie sich später herausstellt, seine Ernennungsurkunde nicht erhalten hatte, so kann der Prozeß mit der Begründung, daß die Kammer nicht vorschriftsgemäß besetzt gewesen sei, nicht von Amts wegen fortgesetzt und neu entschieden werden.
Normenkette
ArbGG § 65
Verfahrensgang
ArbG Kiel (Urteil vom 11.04.1990; Aktenzeichen 5a Ca 1701/89) |
ArbG Kiel (Urteil vom 09.11.1989; Aktenzeichen 5a Ca 1701/89) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Kiel vom 11.04.1990 aufgehoben.
Es wird festgestellt, daß das Verfahren 5a Ca 1701/89 bereits durch Urteil des Arbeitsgerichts Kiel vom 09.11.1989 rechtskräftig abgeschlossen worden ist.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob der Rechtsstreit 5a Ca 1701/89 durch Urteil des Arbeitsgerichts vom 09.11.1989 beendet worden ist oder erst durch Urteil vom 11.04.1990.
Die Klägerin reichte am 04.10.1989 Klage auf Zahlung von 17,55 DM mit der Begründung ein, daß die Beklagte die Tariferhöhung von 3,9 % auch auf die übertarifliche Gehaltszulage von 450,– DM für August 1989 weitergeben müsse. Durch Urteil vom 09.11.1989 gab das Arbeitsgericht der Klage statt; bei dieser Entscheidung wirkte ein ehrenamtlicher Richter mit, dessen Amtszeit mit dem 30.09.1989 abgelaufen war und der die Ernennungsurkunde für eine mit dem 01.10.1989 beginnende neue Amtszeit, wie er im Januar 1990 erklärte, nicht erhalten hatte. Diese Umstände teilte das Arbeitsgericht den Parteien gemäß Beschluß vom 29.03.1990 mit und beraumte einen neuen Termin zur streitigen Verhandlung am 11.04.1990 an.
Durch Urteil vom 11.04.1990 hat das Arbeitsgericht die Zahlungsklage mit der Begründung abgewiesen, daß es sich bei dem Urteil vom 09.11.1989 um ein sog. Nicht- bzw. Scheinurteil handele, das keinerlei rechtliche Wirkung entfalte, insbesondere nicht die erste Instanz beendet habe; an dieser Entscheidung habe nämlich ein ehrenamtlicher Richter mitgewirkt, dessen Amtszeit bereits abgelaufen war; die Richterbank sei daher am 09.11.1989 nicht vorschriftsmäßig besetzt gewesen; bei der Entscheidung handele es sich nicht um ein nach § 579 Abs. 1 Ziff. 1 ZPO anfechtbares Urteil; diese Vorschrift betreffe die Fälle unvorschriftsmäßiger Besetzung eines gerichtsverfassungsmäßig bestehenden Gerichts; vorliegend habe aber ein Nicht-Gericht entschieden.
Gegen dieses ihr am 19.04.1990 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 15.05.1990 Berufung eingelegt und diese am 11.06.1990 begründet.
Die Klägerin trägt vor:
Das Urteil vom 09.11.1989 sei kein Schein- oder Nichturteil, welches keine rechtlichen Wirkungen entfalte, ein Nichtgericht sei seinerzeit nicht tätig geworden, vielmehr sei die 5. Kammer des Arbeitsgerichts Kiel ein im Arbeitsgerichtsgesetz vorgesehenes Gremium. Die Teilnahme eines Nichtrichters neben einem Berufsrichter und einem ehrenamtlichen Richter mache die Kammer nicht zu einem in der Gerichtsverfassung nicht vorgesehenen Gremium, sondern nur zu einem fehlerhaft besetzten Gericht. Deshalb habe das Arbeitsgericht das Urteil vom 09.11.1989 nicht ignorieren und das Verfahren von Amts wegen wiederaufnehmen dürfen. Besetzungsfehler könnten nur auf die Rüge einer Partei hin berücksichtigt werden.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Kiel vom 11. April 1990 abzuändern und festzustellen, daß bereits das Urteil des Arbeitsgerichts Kiel vom 09.11.1989, 5a Ca 1701/89, den Rechtsstreit rechtskräftig abgeschlossen hat;
hilfsweise,
das Verfahren einzustellen, weil es durch rechtskräftiges Urteil vom 09. November 1989, 5a Ca 1701/89, beendet worden ist;
hilfsweise,
den Rechtsstreit für erledigt zu erklären und der Beklagten die Kosten aufzuerlegen;
hilfsweise,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 17,55 DM brutto zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen und die Klage abzuweisen.
Die Beklagte trägt vor:
Der Hauptantrag sei in dieser Form unzulässig; ein Feststellungsantrag wäre in Form einer Feststellungsklage, wenn überhaupt zulässig, zunächst an das Arbeitsgericht Kiel zu richten. Das Urteil vom 09.11.1989 sei ein sog. „Schein- oder Nichturteil”, das, die erste Instanz nicht beendet habe. Die 5. Kammer des Arbeitsgerichts habe das Urteil nicht erlassen, weil eine völlig unbeteiligte dritte Person bei der Entscheidung mitgewirkt habe. Eigene Fehler von so eklatanter Art, daß ein Urteil von einer beliebigen Person mitgefaßt und verkündet werde, müsse die Justiz selbst bereinigen können, indem das Gericht selbst entscheide, daß kein Urteil vorliege. Würde diese Möglichkeit nicht bestehen und die beteiligten Parteien, aus weichen Gründen auch immer, eine Restitutions- oder Nichtigkeitsklage nicht erheben, so wü...