Entscheidungsstichwort (Thema)
Abmahnung. Berechtigung. Verhältnismäßigkeit. Gleichbehandlungsgrundsatz
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein Arbeitnehmer, dem gegenüber eine Abmahnung ausgesprochen wurde, ist grundsätzlich wegen sich hieraus ergebender Belastungen für das Arbeitsverhältnis befugt, die Berechtigung der Abmahnung gerichtlich überprüfen zu lassen.
2. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ist im Rahmen der gerichtlichen Kontrolle einer Abmahnung nur insoweit von Bedeutung als Form und Umstände der Abmahnung betroffen sind, nicht aber insoweit, ob die Abmahnung eine Überreaktion des Arbeitgebers darstellt.
Normenkette
BGB § 1004
Verfahrensgang
ArbG Elmshorn (Urteil vom 30.06.2005; Aktenzeichen 5 Ca 676 d/05) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Elmshorn vom 30.06.2005 – 5 Ca 676 d/05 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Zulässigkeit einer Abmahnung.
Der Kläger ist am … 1949 geboren. Bei der Beklagten ist er seit dem 30.09.1985 als Maschinenführer mit einer Vergütung von zuletzt 2.000 EUR brutto beschäftigt.
Die Beklagte hatte im Jahr 2003 eine verhaltensbedingte Kündigung ausgesprochen, die der Kläger durch Klage angegriffen hatte (5 Ca 1459 c/03 ArbG Elmshorn). Die Beklagte erklärte in diesem Rechtsstreit in der Verhandlung vom 22.03.2003, aus dieser Kündigung keine Rechte mehr herleiten zu wollen. Sie behielt sich aber vor, wegen des der Kündigung zugrunde liegenden Sachverhaltes eine Abmahnung auszusprechen. Die mit Datum vom 09.12.2003 erteilte Abmahnung griff der Kläger durch Klage vor dem Arbeitsgericht Elmshorn an (5 Ca 2878 b/03). In diesem Rechtsstreit verglichen sich die Parteien am 13.01.2004 wie folgt:
„Unter der Voraussetzung, dass dem Kläger im Jahr 2004 keine weitere rechtmäßige Abmahnung erteilt wird, verpflichtet sich die Beklagte, die Abmahnung vom 09.12.2003 mit Ablauf des Jahres 2004 aus der Personalakte des Klägers zu entfernen.”
Der Kläger war im Jahr 2004 arbeitsunfähig erkrankt. Ab dem 06.12.2004 wurde ihm bis zum 14.01.2005 Erholungsurlaub erteilt.
Am 23.02.2005 wurde der Kläger zum Falzen des Kunstkataloges S. eingeteilt. Der Auftrag umfasste mehrere Falzbögen, und zwar in Form eines so genannten 2-Bund-Falzes und war in einer Auflage von 700 Stück zu erstellen. Der Kläger hatte den Auftrag, die Bögen 6, 8 und 4 zu falzen. Seine Kolleginnen K. F. und Si. L. waren für die Falzung der weiteren Bögen eingeteilt. Nachdem der Kläger etwa ein Drittel seines Teils erledigt hatte, wurde er abgerufen. Die weiteren Arbeiten wurden durch andere Mitarbeiter erledigt. Die Beklagte gab die gefalzten Bögen an eine externe Buchbinderei, wo Farbablagerungen auf den Falzbögen festgestellt wurden. Strittig ist, ob dies bei den gesamten 700 Exemplaren der Fall ist.
Die Beklagte führte mit dem Kläger sowie den beiden anderen für die Arbeit eingeteilten Mitarbeiterinnen Gespräche und erteilte dem Kläger mit Datum vom 22.03.2005 eine Abmahnung (Bl. 7, 8 d. A.). Den anderen beiden Mitarbeiterinnen sprach sie Ermahnungen aus, die sie in diesem Rechtsstreit damit begründet hat, dass deren Arbeitsverhältnisse bislang unbelastet gewesen seien.
Mit der am 30.03.2005 erhobenen Klage hat der Kläger Unzulässigkeit der Abmahnung gerügt und vorgetragen, er habe die Bögen ordnungsgemäß in die Falzmaschine gelegt und auch die ersten vier Bögen eines jeden Falzvorganges kontrolliert, wobei sich keine Farbauffälligkeiten gezeigt hätten. Bei einer Abteilungsversammlung, die kürzlich stattgefunden habe, seien schwerwiegendere Fehler angesprochen worden, ohne dass diese Mitarbeiter Abmahnungen oder Ermahnungen erhalten hätten.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, die ihm mit Schreiben vom 22.03.2005 erteilte Abmahnung ersatzlos aus der Personalakte zu entfernen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat vorgetragen, ihr Betriebsleiter habe den Kläger im Gespräch vom 04.03.2005 darauf hingewiesen, dass der Farbaufbau vom ersten zu den weiteren Falzbögen immer stärker geworden sei und mit jedem weiteren Bogen das Ablegen der Farbe bereits beim Falzbeginn zu erkennen gewesen sei. Der Kläger habe in diesem Gespräch eingeräumt, dies nicht bemerkt zu haben und geäußert, dass er seinen Fehler selbst als ärgerlich empfinde. Die Fehlproduktion hätte sich vermeiden lassen, wenn der Kläger fachgerechte Kontrollen durchgeführt und den Falzvorgang gestoppt hätte. Das Aufblättern der einzelnen gefalzten Bogen sei bei dem 2-Bund-Falz einfach und schnell möglich.
Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 30.06.2005 die Klage abgewiesen und ausgeführt, der Kläger habe die erforderlichen Kontrollen unterlassen. Er könne sich nicht darauf berufen, dass die Beklagte gegenüber anderen Mitarbeitern keine Abmahnungen ausgesprochen oder die beiden Kolleginnen lediglich ermahnt habe. Die Beklagte habe dargetan, dass sie ein abgestuftes Programm „bei Fehlverhalten ihrer Mitarbeiter” befolge und in der Vergangenheit bereits er...