REVISION

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Verwirkung. Klagefrist. prozessual. Obergrenze. Kündigung. Kündigungsschutz. Schwerbehinderter. Sonderkündigungsschutz

 

Leitsatz (amtlich)

Die prozessuale Befugnis, eine außerordentliche Kündigung eines einem besonderen Kündigungsschutz unterfallenden Arbeitnehmers im Wege der Klage anzugreifen, kann verwirken. Angesichts der dreiwöchigen Klagefrist des § 4 KSchG bildet ein Zeitraum von zwei bis drei Monaten die zeitliche Obergrenze, bis zu der spätestens ein Arbeitnehmer Klage erheben kann, will er die Rechtsunwirksamkeit einer Kündigung aus sonstigen Gründen gerichtlich geltend machen.

 

Normenkette

KSchG §§ 4, 13; SchwBehG § 12; BGB § 242

 

Verfahrensgang

ArbG Kiel (Urteil vom 06.06.1985; Aktenzeichen 1a Ca 99/85)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kiel vom 6. Juni 1985 – 1a Ca 99/85 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Die Revision gegen das Urteil wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer Kündigung.

Die Beklagte betrieb eine Polstermöbelfabrik. Sie beschäftigte seit 04.01.1960 den nunmehr 54 Jahre alten, zu 50 v. Hundert schwerbehinderten Kläger als Facharbeiter gegen ein monatliches Bruttoarbeitsentgelt von zuletzt 2.030,– DM. In der Nacht vom 02. zum 03.01.1984 brannte das Betriebsgebäude der Beklagten in Hohenwestedt ab. Bei der Beklagten war daraufhin eine Produktion nicht möglich. Die Beklagte führte mit dem Betriebsrat über die beabsichtigte Kündigung ihrer Arbeitnehmer eine Besprechung. Der Betriebsrat teilte der Beklagten unter dem 09.01.1984 folgendes mit:

„Der BR der Firma O. u. Co. nimmt hiermit Stellung zu Ihrem Schreiben vom 6.1.1984 an den BR. Nach der Besichtigung der Brandstätte durch die Vertreter der GHK (Z., T.) und dem BR der Firma (P., S., D., P. und W.) haben wir den Brandschaden gesehen, und vertreten ebenfalls die Meinung, daß hier zur Zeit an eine Produktion nicht zu denken ist, denn der Schaden ist einfach zu groß. Bei der Besprechung, die anschließend um 18.45 Uhr im Büro der Firmenleitung mit dem Verbandsvorsteher de V. sowie einem weiteren Vertreter der Arbeitgeberseite, Frau und Herrn O. sowie die oben genannten Damen und Herren des BR und der GHK stattgefunden hat, wurden alle offen stehenden Fragen geklärt u. a. VL-Leitung, Resturlaub, Krankenscheine, BR bleibt weiter bestehen. Diese Besprechung wurde von beiden Seiten sachlich und recht harmonisch durchgeführt. Von Seiten des BR bestehen deshalb keine Bedenken gegen die ausgesprochenen Kündigungen aller Arbeitnehmer.

Ferner wurde ebenfalls beschlossen, daß für anfallende Arbeiten (Büro, Heizung, Aufräumarbeiten) Arbeitnehmer weiter beschäftigt werden dürfen oder dazu angefordert werden. Unter der Berücksichtigung des § 52 aus dem MTN ist der BR mit den Kündigungen einverstanden, und hat auch keine Bedenken, daß die abgesprochenen Vereinbarungen eingehalten, und alle Arbeitnehmer weiter eingestellt werden sobald die Produktion wieder anläuft.”

Mit Schreiben vom 12.02.1984 kündigte die Beklagte am 13.01.1984 die Arbeitsverhältnisse sämtlicher Arbeitnehmer – darunter auch das des Klägers – unter Hinweis auf Ziffer 52 MTN fristlos. In dem Kündigungsschreiben heißt es u. a.:

„Nur auf diese Weise ist es uns überhaupt möglich, den Betrieb wieder aufzubauen, sobald wir von der Versicherung die entsprechende Entschädigung für den Wiederaufbau erhalten haben. Würde der Betrieb weiter mit den laufenden Lohnkosten belastet werden, ohne zu produzieren, so wäre der Weg in den Konkurs vorgezeichnet. Es gäbe keine Möglichkeit, den Betrieb neu zu errichten und somit die zerstörten Arbeitsplätze wieder zu schaffen. Wir bedauern diese Entwicklung. Wir glauben jedoch, daß im Endeffekt auch in Ihrem Interesse nur die sofortige Lösung des Arbeitsverhältnisses zur Erhaltung der Möglichkeit des Wiederaufbaues liegt. Der Betriebsrat hat nach eingehender Beratung der Kündigung zugestimmt.”

In der Zeit nach dem Brand bis längstens zum 15.06.1984 schloß die Beklagte mit rund 30 ihrer ehemaligen Arbeitnehmer sogenannte „zweckbestimmte Aushilfsverträge” für Aufräumarbeiten, zur Beseitung der durch den Brand entstandenen Schäden und zur Aufrechterhaltung einer Notproduktion ab. Dementsprechende Arbeitsverträge vom 9. April 1984 und 19. April 1984 wurden mit dem Kläger jeweils befristet für die Zeit vom 9. bis zum 19. April 1984 und für die Zeit vom 24. April bis zum 30. Mai 1984 abgeschlossen. Jeweils in § 1 dieser „zweckbestimmten Aushilfsverträge” ist bestimmt:

„Firma und Mitarbeiter sind sich darüber einig, daß das bisherige Arbeitsverhältnis gem. Ziffer 52 MTN wegen der Schwere der Störung durch den Brand aufgelöst ist, und zwar ab 13.01.1984.”

§ 6 Nr. 1 der zweckbestimmten Aushilfsverträge hat den Inhalt:

„Das Aushilfsverhältnis endet zum vorgesehenen Zeitpunkt, ohne daß es einer Kündigung bedarf. Es endet ferner, wenn vor diesem Zeitpunkt der Zweck erreicht ist, oder Produktionsschwierigkeiten auftreten.”

Mit Schreiben vom 15.08.1984 teilte die Beklagte ihr...

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