Leitsatz
Auch formbedürftige Vertragsbestandteile sind der Auslegung zugänglich, wenn sie sich als unklar erweisen. Hierbei kann auf außerhalb der Urkunde liegende Umstände zurückgegriffen werden. Maßgeblich ist hierbei die Sicht der Vertragsparteien zum Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrags.
(Leitsatz der Redaktion)
Normenkette
BGB § 550
Kommentar
Der entschiedene Fall betrifft ein Wohn- und Geschäftshaus, das aus mehreren Geschossen besteht, wobei sich auf jeder Etage mehrere Mieteinheiten befinden. In einer der Mieteinheiten wurde seit längerer Zeit eine Schneiderei betrieben. Anlässlich des Betreiberwechsels schloss der Eigentümer mit dem Nachfolger des bisherigen Mieters im August 2002 einen neuen auf 10 Jahre befristeten Mietvertrag. Die Mietsache wurde in dem schriftlichen Mietvertrag beschrieben als "die im Anwesen XY gelegenen Flächen mit einer Gesamtnutzfläche von 44,5 qm zum Betrieb einer Schneiderei".
Weitere Einzelheiten betreffend den Mietgegenstand enthielt der schriftliche Mietvertrag nicht. Insbesondere war aus der Vertragsurkunde nicht ersichtlich, in welchem Stockwerk und an welcher Stelle der Etage (links/rechts) sich die Mieträume befinden. Der Mieter hat das Mietverhältnis mit Schreiben vom 27.3.2009 vorzeitig gekündigt, weil er bessere Räume gefunden hatte. Der Vermieter beantragt die Feststellung, dass das Mietverhältnis durch diese Kündigung nicht beendet wurde.
Das Gericht hat zugunsten des Vermieters entschieden: Der Mietvertrag war für die Zeit von 10 Jahren abgeschlossen. Ein solches Mietverhältnis kann gem. § 550 Satz 2 BGB vorzeitig gekündigt werden, wenn die Schriftform nicht gewahrt ist. Die Schriftform ist nur gewahrt, wenn sich alle wesentlichen Vertragsvereinbarungen aus der Vertragsurkunde ergeben. Unter anderem setzt die Regelung des § 550 BGB voraus, dass der Mietgegenstand hinreichend genau beschrieben wird. Dies führt zu der Frage, ob durch die im Mietvertrag wiedergegebene Beschreibung des Mietgegenstands die Schriftform gewahrt ist oder ob die Mietsache so bezeichnet werden muss, dass auch jeder Außenstehende die Belegenheit des Objekts zweifelsfrei erkennen kann.
Der Senat führt hierzu im Anschluss an das Urteil des BGH vom 7.7.1999 (XII ZR 15/97, NJW 1999 S. 3257) aus, dass auch formbedürftige Vertragsbestandteile der Auslegung zugänglich sind, wenn sie sich als unklar erweisen. Hierbei kann auf außerhalb der Urkunde liegende Umstände zurückgegriffen werden. Maßgeblich ist die Sicht der Vertragsparteien zum Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrags. Im Entscheidungsfall hat der Senat berücksichtigt, dass in den Räumlichkeiten seit langer Zeit eine Schneiderei betrieben wurde und dass die Belegenheit des Mietobjekts dem Mieter bekannt war, weil dieser die Räume vor dem Vertragsschluss besichtigt hatte.
Link zur Entscheidung
OLG Koblenz, Beschluss v. 23.6.2010, 2 U 159/10, MDR 2010 S. 1375