Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Normenkette
§ 15 Abs. 1, 3 WEG, § 242 BGB, § 1004 BGB
Kommentar
1. a) Mit der Zweckbestimmung eines Teileigentums als "Laden" lässt sich der Betrieb einer Gaststätte nicht vereinbaren (h. R. M. und verfestigte obergerichtliche Rechtsprechung).
b) Einem erst nach längerer Zeit geltend gemachten Anspruch auf Unterlassung einer der Teilungserklärung widersprechenden Nutzung eines Teileigentums steht nur dann der Einwand der Verwirkung entgegen, wenn weitere Umstände hinzutreten, die die verzögerte Geltendmachung des Rechts als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen.
c) Bei dem Einwand der Verwirkung ist neben dem Verhalten des Berechtigten auch das Verhalten des Verpflichteten unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben zu beurteilen.
2. a) Im vorliegenden Fall wurde bereits seit 1964 von verschiedenen Pächtern im betroffenen Teileigentum ein gastronomischer Betrieb geführt und 1991 das bisherige "Bierstüberl" zur Vollgaststätte umgebaut. Schon 1964 sprach sich der damalige Verwalter gegen die Eröffnung des Bierstüberls aus und verwies auf Beschlussgenehmigungserfordernisse. Einer der Antragsgegner (ein Rechtsanwalt) erwiderte darauf u. a. unter Verwendung seines anwaltlichen Briefpapiers, dass Wohnungseigentümer durch den Pachtvertrag nicht in ihren Rechten beeinträchtigt seien, dass deren Zustimmung zum Pachtvertrag auch nicht erforderlich sei und dass er um Mitteilung an die Miteigentümer bitte, dass sie bei Vorgehen gegen den Betrieb der geplanten Gaststätte für alle ihm und der Mieterin entstehenden Schäden aufkommen müssten. "Unter diesem Druck" erklärte der damalige Verwalter die vereinbarte Vermietungszustimmung des Ladens als Gaststätte. Bei Abschluss eines neuen Pachtvertrages mit dem jetzigen Betreiber der Gaststätte im Jahr 1990 wurde eine weitere Zustimmung der jetzigen Verwaltung nicht eingeholt. Die restlichen Eigentümer nahmen den Betrieb des Bierstüberls von 1964 bis 1990 widerspruchslos hin, beschlossen dann allerdings 1991, gegen den Betrieb der Gaststätte gerichtlich vorzugehen; dieser Beschluss wurde rechtskräftig für ungültig erklärt, da zum einen der Gegenstand der Beschlussfassung im Einladungsschreiben nicht hinreichend angekündigt war und durch einen Mehrheitsbeschluss nicht verbindlich geregelt werden könne, dass ein Sondereigentum nicht mehr als Gaststätte genutzt werden durfte.
Zwei Eigentümer (Wohnungskäufer 1989 bzw. 1990) sowie 3 weitere Miteigentümer beantragten daraufhin gerichtlich Nutzungsunterlassung. Das AG wies den Antrag ab, das LG hob allerdings auf sofortige Beschwerde der beiden Rechtsnachfolger (Käufer 1989 und 1990) die amtsgerichtliche Entscheidung auf und verurteilte die Ladeneigentümer (Antragsgegner) bei Meidung eines Ordnungsgeldes bis zu DM 200.000,- ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, entsprechende Gaststättennutzung außerhalb der gesetzlichen Ladenöffnungszeiten, soweit der Betrieb über den Ausschank von Getränken und die Verabreichung von kleinen Gerichten hinausgehe, zu unterlassen (bei gleichzeitiger genereller Untersagung eines Gaststättenbetriebes im Vorgarten).
b) Das BayObLG bestätigte die landgerichtliche Entscheidung.
Verwirkung setze voraus, dass seit der Möglichkeit, das Recht geltend zu machen, längere Zeit verstrichen sei und besondere Umstände hinzuträten, die die verspätete Geltendmachung des Rechts als gegen Treu und Glauben verstoßend erscheinen ließen.
Sei i. ü. ein Unterlassungsanspruch gem. § 15 Abs. 3 WEG, § 1004 BGB gegen einen Wohnungseigentümer verwirkt, so wirke dies allerdings entgegen der Auffassung des LG für und auch gegen Sondernachfolger (BayObLG, NJW-RR 91, 1041).
Von einer Verwirkung sei jedoch im vorliegenden Fall nicht auszugehen. Durch ihre mit der Androhung von Schadenersatzforderungen veranlasste Untätigkeit allein konnten die übrigen Wohnungseigentümer bei den Antragsgegnern nicht das Vertrauen erwecken, sie würden sich auf Dauer mit einer nach der Gemeinschaftsordnung nicht zulässigen Nutzung als Gaststätte abfinden. Ein derartiges Vertrauen hätte allenfalls durch positive Handlung oder Äußerungen der übrigen Wohnungseigentümer entstehen können.
Auch das Verhalten der jeweiligen Verwalter (Zustimmungen zum Betrieb der Ladenräume als Gaststätte) müssten sich Wohnungseigentümer nicht zurechnen lassen. Ein Verwalter habe hier bei Zustimmungserklärungen in eigenem Namen und in eigener Zuständigkeit gehandelt, ohne Wohnungseigentümer selbst dadurch zu binden.
Der Antragsgegner zu 1) (RA) habe vielmehr durch sein Antwortschreiben 1964 Miteigentümer maßgeblich veranlasst, Unterlassungsansprüche gegen ihn nicht geltend zu machen, sodass sich die Antragsgegner auch deshalb nicht auf Verwirkung berufen könnten. Der Inhalt des genannten Schreibens widerspreche eindeutig und zweifelsfrei der Rechtslage, wobei er durch Verwendung seines anwaltlichen Briefpapiers seinen Argumenten besonderes Gewicht verliehen habe. Offensichtlich hätten Verwalter und Wohnungseigentümer sich durch dieses Schreiben und die darin angedrohten Sch...