Sabine Jungbauer, Dipl.-Ing. Werner Jungbauer
Rz. 310
Zum 1.1.2022 wird § 130d ZPO eingeführt (Fettdruck durch die Verfasser):
§ 130d ZPO Nutzungspflicht für Rechtsanwälte und Behörden
Vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen, die durch einen Rechtsanwalt, durch eine Behörde oder durch eine juristische Person des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihr zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse eingereicht werden, sind als elektronisches Dokument zu übermitteln. Ist dies aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich, bleibt die Übermittlung nach den allgemeinen Vorschriften zulässig. Die vorübergehende Unmöglichkeit ist bei der Ersatzeinreichung oder unverzüglich danach glaubhaft zu machen; auf Anforderung ist ein elektronisches Dokument nachzureichen.
Rz. 311
Korrespondierende Vorschriften zu § 130d ZPO sind z.B. in § 14b FamFG, § 46g ArbGG, § 65d SGG, § 55d VwGO u. § 52d FGO enthalten. Das Inkrafttreten dieser Bestimmungen, das erst zum 1.1.2022 vorgesehen ist, kann mittels Opt-In-Klausel, siehe Art. 24 Abs. 2 des Gesetzes zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten auf den 1.1.2020 bzw. 1.1.2021 vorgezogen werden.
Rz. 312
Art. 24 Abs. 2 des Gesetzes zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten regelt diese "Opt-In-Klausel" wie folgt:
(2) Die Landesregierungen können für ihren Bereich durch Rechtsverordnung bestimmen, dass die in Artikel 26 Absatz 7 genannten Bestimmungen ganz oder teilweise bereits am 1.1.2020 oder am 1.1.2021 in Kraft treten. Sofern die Landesregierung von der Ermächtigung nach Absatz 1 Gebrauch gemacht hat, kommt nur ein Inkrafttreten am 1.1.2021 in Betracht.
Rz. 313
§ 130d ZPO enthält zudem einen Rettungsanker für die Fälle, wenn die Technik im entscheidenden Moment "schlapp macht". Was mit "vorübergehend" gemeint ist, wird wohl die Rechtsprechung mit Leben füllen. Sicherlich nicht gemeint ist der Fall einer angesagten kurzfristigen Stromunterbrechung am frühen Nachmittag, wenn es dem Anwalt noch zuzumuten ist, die Einreichung zu einem späteren Zeitpunkt vorzunehmen. Das beA bietet ja zudem hier den Vorteil, dass die Versendung "von überall" her erfolgen kann, da das beA über jeden gängigen Web-Browser aufgerufen werden kann, sofern auf dem entsprechenden Gerät die Client Security installiert ist.
Rz. 314
Die Beachtung der Nutzungspflicht durch die Anwälte ist oberstes Gebot. Da die korrekte Einreichung eine Frage der Zulässigkeit ist, ist diese auch von den Gerichten von Amts wegen zu prüfen. Wird die Nutzungspflicht nicht beachtet, ist die Prozesserklärung nicht wirksam; bei Klagen führt dies zwangsläufig zur Klageabweisung. Der Gegner kann auf die Einhaltung der Prozessvoraussetzung auch nicht verzichten oder sich rügelos einlassen, § 295 Abs. 2 ZPO.
Rz. 315
Wichtig ist auch, dass § 130d ZPO nur "technische Gründe" für eine vorübergehende Unmöglichkeit zulässt. Nicht anwendbar ist § 130d ZPO z.B. dann, wenn der Anwalt aus persönlichen Gründen die Einreichung nicht vornehmen kann. Nach Ansicht des Gesetzgebers spielt es keine Rolle, ob die Ursache für die vorübergehende technische Unmöglichkeit in der Sphäre des Gerichts oder in der Sphäre des Einreichenden zu suchen ist, da ein vorübergehender Ausfall der technischen Einrichtungen des Rechtsanwalts dem Rechtssuchenden nicht zum Nachteil gereichen soll, zumal vor allem zur Wahrung von materiell-rechtlichen Verjährungs- oder Ausschlussfristen, bei denen keine Wiedereinsetzung, aber eine Rückwirkung der Verjährungshemmung auf den Zeitpunkt der Einreichung gem. § 167 ZPO möglich ist, die Ersatzeinreichung notwendig sein kann. Allerdings verweist der Gesetzgeber auch darauf, dass nach § 130d ZPO die Glaubhaftmachung möglichst gleichzeitig mit der Ersatzeinreichung erfolgen soll; er führt hierzu weiter aus: "Jedoch sind Situationen denkbar, bei denen der Rechtsanwalt erst kurz vor Fristablauf feststellt, dass eine elektronische Einreichung nicht möglich ist, und bis zum Fristablauf keine Zeit mehr verbleibt, die Unmöglichkeit darzutun und glaubhaft zu machen. In diesem Fall ist die Glaubhaftmachung unverzüglich (ohne schuldhaftes Zögern) nachzuholen." Hieraus lässt sich entnehmen, dass die Glaubhaftmachung nicht ohne Weiteres am nächsten Tag erfolgen kann, wenn noch genügend Zeit bleibt, dies gleichzeitig mit der Ersatzeinreichung zu tun. Es ist daher von einer künftig eher engen Auslegung durch die Rechtsprechung auszugehen. Bei einer späteren Glaubhaftmachung sind die Gründe darzulegen, die die Gleichzeitigkeit ausgeschlossen haben. Interessant dürfte der Fall sein, wenn der Anwalt das Büro längst verlassen hat und sich z.B. um 22.00 Uhr nachts für das Kanzleipersonal herausstellt, dass die Technik die Übersendung des vom Anwalt zuvor z.B. mit qeS signierten und hochgeladenen Schriftsatzes auf elektronischem Weg nicht zulässt. Es wird wohl kaum erwartet werden können, dass das Kanzleipersonal eine entsprechende Glaubhaftmachung eig...