Leitsatz
In einem Rechtsstreit auf Zahlung von Kindesunterhalt stritten die Parteien darüber, wie der notwendige Selbstbehalt des barunterhaltspflichtigen Vaters zu bemessen sei, der mit seiner neuen Lebensgefährtin und deren beiden Kindern zusammenlebte.
Sachverhalt
Der am 5.5.1991 geborene Kläger und sein am 18.8.1998 geborener Bruder sind aus der geschiedenen Ehe des Beklagten mit ihrer Mutter hervorgegangen, in deren Haushalt sie seit der Trennung ihrer Eltern lebten. Die Unterhaltsansprüche der Kinder gegen den Beklagten waren durch Unterhaltsfestsetzungsbeschluss tituliert, der Anspruch des Klägers allerdings zeitlich begrenzt bis einschließlich 4.5.2003. Der Bruder des Klägers erhielt Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz.
Hinsichtlich des Klägers war der Beklagte aufgefordert worden, Kindesunterhalt in Höhe des Regelbetrages nach der RegelbetragVO zu zahlen.
Der Beklagte war seit Juni 2003 als Leiharbeiter beschäftigt und bezog nach Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber zum 15.3.2004 Arbeitslosengeld i.H.v. monatlich 937,00 EUR. Während der Zeit vom 30.4.2004 bis zum 29.10.2004 war er erneut als Leiharbeiter beschäftigt und erzielte Einkünfte i.H.v. monatlich 1.145,00 EUR. Nach erneuter Kündigung durch den Arbeitgeber erhielt er seit Oktober 2004 wieder Arbeitslosengeld i.H.v. 937,00 EUR.
Der Beklagte wohnte mit seiner neuen Lebensgefährtin und deren beiden Kindern im Alter von 15 und 19 Jahren zusammen. Die Lebensgefährtin war vollschichtig berufstätig und erzielte monatliche Nettoeinkünfte von zwischen 1.200,00 EUR und 1.400,00 EUR. An den Mietkosten beteiligte sich der Beklagte mit monatlich 360,00 EUR.
Das AG hat der Klage teilweise stattgegeben und den Beklagten zur Zahlung rückständigen Unterhalts für die Zeit bis Februar 2005 i.H.v. insgesamt 3.091,00 EUR sowie laufenden Unterhalt für die Zeit ab März 2005 i.H.v. monatlich 247,00 EUR verurteilt. Auf die Berufung des Beklagten hat das OLG Unterhaltsrückstand für die Zeit bis Februar i.H.v. 1.660,00 EUR ausgeurteilt sowie laufenden Unterhalt ab März 2005 i.H.v. monatlich 137,00 EUR und für die Zeit ab Juli 2005 i.H.v. monatlich 110,00 EUR. Hiergegen richtete sich die zugelassene Revision des Klägers, der eine Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils begehrte.
Sein Rechtsmittel hatte Erfolg.
Entscheidung
Die Revision des Klägers führte zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
Der BGH hat in seiner Entscheidung ausgeführt, dass gegenüber Unterhaltsansprüchen minderjähriger oder privilegierter volljähriger Kinder der notwendige Selbstbehalt mit Beträgen zu bemessen sei, die dem sozialhilferechtlichen Bedarf entsprechen oder allenfalls geringfügig darüber hinausgehen. Es müsse zwischen dem notwendigen Selbstbehalt eines erwerbstätigen und eines nichterwerbstätigen Unterhaltsschuldners differenziert werden. Der dem Unterhaltsschuldner zu belassende notwendige Selbstbehalt könne allein wegen der Anrechnung eines fiktiven Erwerbseinkommens aus einer Nebentätigkeit i.H.v. 150,00 EUR nicht mit dem in den jeweiligen Unterhaltsleitlinien angegebenen Selbstbehalt eines erwerbstätigen Unterhaltspflichtigen bemessen werden, da anderenfalls dem Unterhaltsberechtigten fast der gesamte Vorteil aus der Hinzurechnung des fiktiven Einkommens aus der Nebentätigkeit wieder genommen werde. Geringe Nebeneinkünfte dürften nicht dazu führen, dem Pflichtigen einen gleich hohen Selbstbehalt zu belassen, wie einem vollschichtigen Erwerbstätigen.
Der notwendige Selbstbehalt könne bis auf den notwendigen Lebensbedarf nach sozialhilferechtlichen Grundsätzen herabgesetzt werden, wenn der Unterhaltspflichtige im Rahmen einer neuen Lebensgemeinschaft durch die gemeinsame Haushaltsführung Kosten spare. Auch sozialhilferechtlich müsse sich der Unterhaltspflichtige auf einen im Rahmen einer Bedarfsgemeinschaft geringeren Betrag verweisen lassen. Eine gemeinsame Haushaltsführung führe regelmäßig zu einer Kostenersparnis oder einem Synergieeffekt dadurch, dass eine Vielzahl von täglichen Bedürfnissen in Mehrpersonenhaushalten insgesamt den gleichen oder nur einen geringfügig höheren finanziellen Aufwand verursachen als in einem Einpersonenhaushalt. Ein solcher Vorteil sei an den Unterhaltsgläubiger weiterzugeben, da Eltern minderjähriger oder privilegiert volljähriger Kinder eine gesteigerte Unterhaltspflicht treffe und sie daher gehalten seien, alle verfügbaren Mittel zu ihrem und dem Unterhalt der Kinder gleichmäßig zu verwenden. Der notwendige Selbstbehalt diene lediglich dazu, dem Unterhaltspflichtigen einen Anteil seines Einkommens zu belassen, der jedenfalls den eigenen sozialhilferechtlichen Bedarf sichere und unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles angemessen darüber hinausgehe.
Wenn der volle Unterhaltsbedarf nicht erfüllt werden könne, sei dem Unterhaltsschuldner auch nicht mehr zu belassen, als er in seiner konkreten Situation für den notwendigen eigenen Bedarf benötige. Eine Ei...