Leitsatz
§ 24 Nr. 4 b VHB 84, wonach der Versicherer die Zahlung aufschieben kann, solange gegen den VN ein strafrechtliches Verfahren "läuft", gibt dem Versicherer kein Leistungsverweigerungsrecht mehr, wenn das Verfahren vorläufig eingestellt wird.
Normenkette
§ 24 Nr. 4 b VHB 84
Sachverhalt
Die Kl. verlangte Versicherungsleistung von der Bekl., bei der sie eine Hausratversicherung abgeschlossen hat. Im Antrag auf Abschluss des Versicherungsvertrags waren die Kl. und ihr Ehemann als Antragsteller aufgeführt, der Antrag aber nur von der Kl. unterschrieben. Die Bekl. stellte ihren Versicherungsschein an beide Eheleute aus, an die sie auch die Prämienrechnung sandte.
Am 19.7.1994 wurde in die versicherte Wohnung eingebrochen. Es soll ein Schaden von mehr als 111.000 DM entstanden sein. Der Täter wurde ermittelt und verurteilt. Gegen den Ehemann der Kl. ist in anderer Sache ein Strafverfahren anhängig. Darin wird er der Vortäuschung einer Straftat, des Versicherungsbetrugs und des schweren Diebstahls beschuldigt. Die Hauptverhandlung wurde am 12.12.1995 ausgesetzt, weil ein Zeuge nicht erschienen war. Dieser Zeuge gab gegenüber der Polizei an, der Ehemann der Kl. habe den Einbruchdiebstahl vom 19.7.1994 "inszeniert". Das daraufhin von der Staatsanwaltschaft gegen den Ehemann eingeleitete Ermittlungsverfahren wurde am 15.4.1996 im Hinblick auf das andere bereits anhängige Verfahren nach § 154 Abs. 1 StPO eingestellt.
Wegen des Ermittlungsverfahrens gegen den Ehemann der Kl. berief sich die Bekl. auf ein Leistungsverweigerungsrecht nach § 24 Nr. 4 b VHB 87.
Das LG hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Kl. hatte keinen Erfolg. Die Revision der Kl. führte zur Aufhebung und Zurückverweisung.
Entscheidung
Nach der Entscheidung des Berufungsgerichts (BG) hat das LG zu Recht ausgeführt, dass sich die Bekl. auf § 24 Nr. 4 b VHB 84 berufen könne. Das gegen den Ehemann eingeleitete Ermittlungsverfahren sei noch nicht rechtskräftig eingestellt. Die genannte Regelung lautet:
"Der Versicherer kann die Zahlung aufschieben, solange … gegen den Versicherungsnehmer oder eine mit ihm in häuslicher Gemeinschaft lebende volljährige Person aus Anlass des Versicherungsfalles ein behördliches oder strafrechtliches Verfahren läuft."
Dazu hatte das LG, vom BG durch Bezugnahme gebilligt, ausgeführt: Das strafrechtliche Ermittlungsverfahren "laufe" deshalb noch, weil es gem. § 154 Abs. 4 StPO binnen drei Monaten nach Rechtskraft des wegen der anderen Tat ergehenden Urteils wieder aufgenommen werden könne.
Dieser Auslegung des § 24 Nr. 4 b VHB 84 ist der BGH nicht beigetreten.
Für die Entscheidung des vorliegenden Falles - so der BGH - komme es nur auf den Teil der Klausel an, wonach der Versicherer die Zahlung aufschieben kann, solange gegen den VN ein strafrechtliches Verfahren läuft. Dieser Teil stelle eine eigenständige Regelung dar. Er sei deshalb von der Bestimmung abtrennbar, die eine in häuslicher Gemeinschaft mit dem VN lebende volljährige Person betreffe.
Was unter der Voraussetzung für ein Leistungsverweigerungsrecht, nämlich dass gegen den VN noch ein strafrechtliches Verfahren "läuft", verstanden werden soll, sei in der instanzgerichtlichen Rechtsprechung und dem Schrifttum umstritten. Zum Teil werde die Auffassung vertreten, die Voraussetzung entfalle erst, wenn das Verfahren formell eingestellt sei, wobei die Einstellung rechtskäftig sein müsse. Eine vorläufige Einstellung nach § 205 StPO soll nicht ausreichen. Der Versicherer soll aber dann kein Leistungsverweigerungsrecht haben, wenn er selbst bei der Staatsanwaltschaft angeregt hat, zunächst den Ausgang des Zivilverfahrens abzuwarten. Zum anderen werde in der Regelung nur ein "pactum de non petendo" gesehen, das die Fälligkeit des materiellrechtlichen Anspruchs auf die Leistung nicht berühre.
Ausgangspunkt für die Auslegung des § 24 Nr. 4 b VHB 84 - so der BGH - sei der Wortlaut der Klausel. Nach allgemeinem Sprachgebrauch bezeichne "laufen" einen Vorgang der Bewegung. Was stehe und ruhe, laufe nicht. Das gelte auch im übertragenen Sinn. Deshalb werde ein durchschnittlicher VN in einem Verfahren, das eingestellt ist, kein laufendes mehr sehen. Nach seinem Verständnis bewege sich in einem eingestellten Verfahren nichts mehr. Zwar fange es wieder an zu laufen, wenn es erneut aufgenommen wird. Das ändere aber nichts daran, dass ein durchschnittlicher VN ein eingestelltes Verfahren, möge es auch nur vorläufig eingestellt sein, nicht mehr als ein noch laufendes Verfahren ansehe.
Nach § 11 Abs. 1 VVG seien die Leistungen des Versicherers fällig, wenn dieser seine Feststellungen zum Versicherungsfall beendet hat. Ist das strafrechtliche Ermittlungsverfahren (vorläufig) eingestellt, hindere dies den Versicherer nicht, seine eigenen Ermittlungen fortzusetzen, sofern dazu ausreichender Anlass bestehe. Dem könne sich auch ein verständiger VN nicht verschließen. Er könne und brauche aufgrund der Klausel des § 24 Nr. 4 b VHB 84 aber nicht damit zu rechnen, dass sein Anspruch auf die Leistung...