Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Leitsatz
Nach Meinung eines Amtsgerichts muss der Verwalter "10 Minuten abwarten", bevor er die Erstversammlung schließt, um - wie bestandskräftig beschlossen und in der Einladung vermerkt - im Rahmen einer Eventualeinberufung die Zweit- bzw. Wiederholungsversammlung eine halbe Stunde später zu eröffnen!
Auf Anfechtungsantrag des 4 Minuten nach Schließung der Erstversammlung erschienenen (und anschließend sofort wieder gegangenen) Eigentümers wurden alle Beschlüsse der Wiederholungsversammlung für ungültig erklärt!
Normenkette
§ 25 Abs. 4 WEG
Kommentar
1. Eine Gemeinschaft hatte bereits 1997 bestandskräftig beschlossen, dass für den Fall der Nichtbeschlussfähigkeit der ersten Eigentümerversammlung ein zweiter Versammlungstermin 30 Minuten nach dem Termin der ersten Versammlung abgehalten werden könne (sog. Eventualeinberufung). Der versammlungsleitende Verwalter hatte in einer auf 17. 12. 1999, 18.30 Uhr geladenen Versammlung diese unstreitig um 18.30 Uhr eröffnet und mangels Beschlussfähigkeit um 18.31 Uhr wieder geschlossen, verbunden mit dem Hinweis (gem. Ladung), die Zweitversammlung sei hiermit auf 19 Uhr anberaumt. Der Geschäftsführer einer Baufirma mit Mehrheitsanteilen und Mehrheitsstimmrecht erschien um 18.34 Uhr, also zu einem Zeitpunkt, zu dem der Verwalter die (Erst-)Versammlung bereits geschlossen hatte; anschließend verließ er sogleich wohl "erbost" wieder die Versammlung, da der Verwalter nicht gewillt war, vor 19 Uhr die EV zu eröffnen.
2. Auf Anfechtung dieses Eigentümers hin wurden sämtliche, ab 19 Uhr in der Wiederholungsversammlung gefassten Beschlüsse vom AG aufgehoben!
Nach Meinung des Gerichts war es nicht zulässig, mit der Einberufung bereits eine Einberufung etwa zu einer späteren Stunde desselben Tages für den Fall zu verbinden, dass die Beschlussfähigkeit für die erste Versammlung nicht erreicht werden sollte; damit würde den Eigentümern, die an der Teilnahme verhindert seien, die Möglichkeit genommen, an den Beschlüssen mitzuwirken (BGB, RGRK Augustin, WEG, 12. Auflage 1996, Rn. 5 m.w.H.).
Nach Meinung des Gerichts könne dahinstehen, ob der 1997 gefasste Beschluss im Hinblick auf die zitierte Kommentarstelle nur anfechtbar oder nichtig sei bzw. ob es der Verwalter darauf abgesehen hatte, durch provozierende Fragen den Geschäftsführer der Antragstellerin zu bewegen, die Versammlung zu verlassen, wohl wissend, dass der Geschäftsführer der Antragstellerin die Mehrheit der Anteile vertrat. Es widerspreche ordnungsgemäßer Verwaltung, wenn eine auf 18.30 Uhr anberaumte Versammlung um 18.31 Uhr wieder geschlossen werde mit dem Hinweis, die Versammlung sei nicht beschlussfähig. Selbst wenn die Versammlung auf 18.30 Uhr "sine tempore" anberaumt worden sei, müsse der Verwalter jedenfalls 10 Minuten abwarten, da stets die Möglichkeit bestehe, dass sich ein Eigentümer verspäte, der an der Versammlung teilnehmen wolle. Das Vorgehen des Verwalters habe hier die Rechte der Antragstellerin derart eingeschränkt, dass die Beschlüsse aus formellen Gründen aufzuheben waren.
Link zur Entscheidung
( AG Mönchengladbach-Rheydt, Beschluss vom 19.05.2000, 15 UR II 1/00 WEG, mitgeteilt von Verwaltung J. Walter, Mönchengladbach)
Zu Gruppe 4: Wohnungseigentumsverwaltung
Anmerkung:
Diese Entscheidung erscheint mir in Begründung und Ergebnis nicht vertretbar. Sicher kann ein Verwalter gewisse Zeit abwarten, ob sich zum geladenen Termin der Erstversammlung noch durch Erscheinen einiger "Nachzügler" eine Beschlussfähigkeit der Erstversammlung ergibt; er muss hier allerdings nicht zuwarten, geschweige denn einen vom Gericht bestimmten Zeitraum (wie hier vom AG mit 10 Minuten bestimmt!); er kann zu Recht zeitlich nach benanntem Ersttermin unter Hinweis auf zu diesem Zeitpunkt nicht bestehender Beschlussfähigkeit auf Versammlungseröffnung der Zweitversammlung (Wiederholungsversammlung) - wie in der Ladung vermerkt eine halbe Stunde später - verweisen, zumal nach (noch) herrschender Rechtsmeinung frühere Beschlüsse zur Ermöglichung der sog. Eventualeinberufung in Abweichung zu § 25 Abs. 4 WEG mangels Anfechtung als bestandskräftig (also nicht nichtig) anzusehen sind (vgl. auch KG Berlin, Entscheidung vom 17. 5. 2000, Az.: 24 W 3651/99). Einen Formverstoß des Versammlungsleiters kann ich also nicht erkennen, wenn dieser um/nach 19 Uhr die sog. Wiederholungsversammlung eröffnete; der - wenn auch geringfügig - zum Erstversammlungstermin zu spät erschienene Mehrheitseigentümer hatte zu diesem Zeitpunkt die Versammlung bereits wieder verlassen, sodass auch ohne Frage die (nach wie vor) beschlussunfähige Versammlung als Wiederholungsversammlung eröffnet werden konnte. Es wäre dem wenn auch wenige Minuten zu spät erschienenen Mehrheitseigentümer durchaus zumutbar gewesen, den Beginn der Wiederholungsversammlung um 19 Uhr abzuwarten; auch eine solche Wiederholungsversammlung kann durchaus beschlussfähig sein oder werden (im Sinne des § 25 Abs. 3 WEG).
Das Vorgehen des Versammlungsleiters widersprach m.E. also nicht Grundsätzen ordnu...