Roland Bornhofen, Prof. Dr. Udo Bühler
Rz. 34
Welche Rechtsqualität und welchen Umfang die in einer Ausgleichs- oder Abgeltungsvereinbarung abgegebenen Erklärungen haben, ist nach den Regeln der §§ 133, 157 BGB durch Auslegung zu ermitteln. Als rechtstechnische Mittel für den Willen der Parteien, ihre Rechtsbeziehung zu bereinigen, kommen insbesondere der Erlassvertrag, das konstitutive und das deklaratorische Schuldanerkenntnis in Betracht. Ein Erlassvertrag (§ 397 Abs. 1 BGB) ist dann anzunehmen, wenn die Parteien vom Bestehen einer bestimmten Schuld ausgehen, diese aber übereinstimmend als nicht mehr zu erfüllen betrachten. Ein konstitutives negatives Schuldanerkenntnis i.S.v. § 397 Abs. 2 BGB liegt vor, wenn der Wille der Parteien darauf gerichtet ist, alle oder eine bestimmte Gruppe von bekannten oder unbekannten Ansprüchen zum Erlöschen zu bringen. Ein deklaratorisches negatives Schuldanerkenntnis ist anzunehmen, wenn die Parteien nur die von ihnen angenommene Rechtslage eindeutig dokumentieren und damit fixieren wollen. Unterzeichnet ein Arbeitnehmer eine vom Arbeitgeber außerhalb eines Aufhebungsvertrags oder eines (Prozess-)Vergleichs vorformulierte "Ausgleichsquittung", wonach sich die Parteien darüber "einig" sind, dass "sämtliche gegenseitigen Ansprüche erledigt sind", kommt dieser allenfalls die Bedeutung eines deklaratorischen negativen Schuldanerkenntnisses zu.
Rz. 35
In der Regel ist davon auszugehen, dass die Arbeitsvertragsparteien das Arbeitsverhältnis abschließend bereinigen und alle Ansprüche erledigen wollen, gleichgültig ob sie bei Abschluss der Vereinbarung an diese dachten oder nicht. Entsprechende Vereinbarungen sind deshalb weit auszulegen. Eine Ausgleichsklausel, wonach sämtliche Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und anlässlich seiner Beendigung abgegolten sind, erfasst grundsätzlich auch Ansprüche aus Aktienoptionen, wenn die Bezugsrechte vom Arbeitgeber eingeräumt wurden. Von Ausgleichsklauseln werden allerdings solche Forderungen nicht erfasst, die objektiv außerhalb des von den Parteien Vorgestellten liegen und bei Abschluss des Aufhebungsvertrags subjektiv unvorstellbar waren. Dasselbe gilt für Ansprüche, die in der Regel nach dem beiderseitigen Parteiwillen nicht Gegenstand der Ausgleichsklausel sein sollen, insbesondere Betriebsrentenansprüche, den Zeugniserteilungsanspruch, Ansprüche auf Rückgabe des Dienstwagens oder von Geschäftsunterlagen sowie unter Umständen Pflichten aus einem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot.
Rz. 36
Eine Inhaltskontrolle solcher Klauseln erfolgt nur, soweit sie ihrer Natur nach keine Hauptleistungspflicht betreffen. Keine Inhaltskontrolle findet deshalb statt, wenn als Gegenleistung für die Ausgleichs- oder Abgeltungserklärung eine Abfindung gezahlt wird oder die Gegenseite ebenfalls auf Ansprüche verzichtet, die tatsächlich bestehen. Ausgleichsklauseln, die im Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses vereinbart werden, insbesondere im Rahmen eines Aufhebungsvertrags, beinhalten hingegen regelmäßig nur Nebenbestimmungen und sind damit nicht gemäß § 307 Abs. 3 S. 1 BGB kontrollfrei. Vereinbarungen, die allein den Verzicht auf Ansprüche des Arbeitnehmers vorsehen (z.B. sog. einseitige Ausgleichsquittungen), ohne hierfür eine kompensatorische Gegenleistung zu gewähren, sind in der Regel unangemessen benachteiligend und deshalb unwirksam. Aber auch Vereinbarungen, die einen umfassenden beiderseitigen Verzicht auf bekannte und unbekannte Ansprüche gleich welcher Art vorsehen, bewirken nach in der Rechtsprechung zunehmend verbreiteter Auffassung regelmäßig eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers, weil das Risiko des Anspruchsverlustes auf Seiten des Arbeitnehmers typischerweise höher sei als auf Seiten des Arbeitgebers. Bis eine anderslautende Entscheidung des BAG vorliegt, ist davon auszugehen, dass Ausgleichsklauseln nur wirksam sind, wenn für den Anspruchsverzicht des Arbeitnehmers eine über den Anspruchsverzicht des Arbeitgebers hinausgehende, angemessene Gegenleistung vereinbart wird. Im Rahmen der Inhaltskontrolle ist indes stets zu beachten, dass Ausgleichsklauseln nicht gegen zwingendes Arbeitnehmerschutzrecht verstoßen dürfen. Der in der Praxis diesbezüglich relevanteste Umstand dürfte der seit dem 1.1.2015 in Kraft getretene allgemeine gesetzliche Mindestlohn sein, der nach § 3 S. 2 MiLoG unverzichtbar ist. Allgemeine Ausgleichsklauseln sollten daher stets um den Zusatz ergänzt werden, dass Ansprüche auf den gesetzlich unverzichtbaren Mindestlohn hiervon nicht erfasst sind, andernfalls besteht die Gefahr der Intransparenz gemäß § 307 Abs. 1 S. 2 BGB.