Roland Bornhofen, Prof. Dr. Udo Bühler
Rz. 83
Nach der Rechtsprechung des BAG sind formularvertragliche Bindungsklauseln immer dann unzulässig, wenn die Sonderzahlung als Gegenleistung für die vom Arbeitnehmer geleistete Arbeit erbracht wird und die Klausel beim Arbeitnehmer zu einem Zeitpunkt zum Wegfall der Leistung führt, zu dem er die vergütete Arbeitsleistung bereits erbracht hat. Das BAG sieht hierin einen Eingriff in das vertragliche Synallagma. Der Entzug bereits verdienten Entgelts sei mit der gesetzlichen Wertung des § 611 Abs. 1 BGB nicht vereinbar und beeinträchtige den Arbeitnehmer stets unangemessen in seiner durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Freiheit zur selbstbestimmten Arbeitsplatzaufgabe. Auf die Dauer der Bindung kommt es dabei nicht an. Diese Grundsätze gelten nach der jüngeren Rechtsprechung gleichermaßen, wenn mit der Leistung neben dem Vergütungszweck zusätzlich noch weitere Zwecke verfolgt werden (Sonderzahlung mit Mischcharakter). Unzulässig sind nicht nur Klauseln, die die Auszahlung der Leistung von dem Bestand des Arbeitsverhältnisses an einem Stichtag nach dem Ende des Zeitraums, in dem die Arbeitsleistung erbracht wurde abhängig machen. Auch eine Klausel, die einen Stichtag innerhalb des Bezugszeitraums bestimmt, ist grundsätzlich unwirksam, wenn die Sonderzahlung auch die bis zum Stichtag bereits erbrachte Arbeitsleistung vergüten soll. Das BAG begründet dies damit, dass der Wert der Arbeitsleistung regelmäßig nicht von der reinen Verweildauer des Arbeitnehmers im Arbeitsverhältnis abhänge. Etwas anderes könne gelten, wenn die Arbeitsleistung gerade in einem bestimmten Zeitraum vor dem Stichtag besonderen Wert habe (z.B. bei Saisonbetrieben oder branchen- bzw. betriebsbedingten Besonderheiten). Möglich ist auch, dass eine Sonderzahlung an bis zu bestimmten Zeitpunkten eintretende Unternehmenserfolge anknüpft; in diesen Fällen ist eine zu bestimmten Stichtagen erfolgende Betrachtung oftmals zweckmäßig und nicht zu beanstanden (vgl. auch Rdn 84). Zu welchem Zeitpunkt die Vergütung (ggf. anteilig) verdient ist, ist durch Auslegung der Regelung zu ermitteln.
Rz. 84
Vergütungscharakter haben auch erfolgsabhängige Sonderzahlungen, wobei es grundsätzlich unerheblich ist, ob sie vom individuellen Erfolg des Arbeitnehmers, vom Unternehmenserfolg oder von einer Kombination aus beidem abhängen. Eine Klausel, die den Anspruch auf eine solche Sonderzahlung von vornherein an das Bestehen des Arbeitsverhältnisses zum Ende des Geschäftsjahres knüpft, war nach bisheriger Rechtsprechung wirksam, wenn die Höhe des Bonus sich an dem Ergebnis im Geschäftsjahr und ggf. vereinbarten oder festgelegten Zielen orientierte, deren Erreichung erst mit Ablauf des jeweiligen Zeitraums festgestellt werden konnte. Der Wille der Arbeitsvertragsparteien, für den Anspruch auf den Bonus Jahresziele und nicht Tages-, Wochen- oder Monatsziele gemeinsam festzulegen, wurde vom BAG respektiert. Dies sieht das BAG mittlerweile deutlich kritischer und hat mehrfach erkennen lassen, dass auch Stichtagsklauseln innerhalb des Bezugszeitraums grundsätzlich einen unzulässigen Entzug von verdienter Vergütung bewirken. Das BAG lässt aber Ausnahmen zu, in denen die Arbeitsleistung gerade in einem bestimmten Zeitraum vor dem Stichtag besonderen Wert hat. Dies kann etwa bei Saisonbetrieben der Fall sein. Zudem erkennt das BAG aber auch an, dass Sonderzahlungen an bis zu einem bestimmten Zeitpunkt eintretende Unternehmenserfolge anknüpfen können. In diesen Fällen sei es oftmals zweckmäßig und nicht zu beanstanden, wenn eine Sonderzahlung auf den Bestand des Arbeitsverhältnisses zu diesem Zeitpunkt abstellt. Hierbei ist zu beachten, dass das Vorliegen dieser Ausnahmen nicht durch sonstige vertragliche Regelungen konterkariert werden darf. Sieht die Vereinbarung über die Sonderzahlung für das Jahr des unterjährigen Eintritts etwa eine anteilige Zahlung vor, spricht dies nach Ansicht des BAG dafür, dass die Zahlung gleichmäßig im Laufe des Jahres – und eben nicht zu einem besonderen Zeitpunkt im Jahr (Stichtag) – durch die Arbeitsleistung verdient wird.
Rz. 85
Soweit Bindungsklauseln in Bezug auf Sonderzahlungen mit Vergütungscharakter überhaupt noch zulässig sind, dürfen sie die Auszahlung nicht vom ungekündigten Bestand des Arbeitsverhältnisses am Stichtag abhängig machen, ohne solche Kündigungen aus ihrem Anwendungsbereich auszunehmen, die vom Arbeitgeber ausgesprochen oder von ihm veranlasst wurden. Andernfalls könnte der Arbeitgeber sich der Verbindlichkeit seines Leistungsversprechens, dessen verhaltenssteuernde Wirkung er für sich in Anspruch nimmt, eigenmächtig entziehen. Die Klausel muss deshalb so eingeschränkt formuliert werden, dass die Kündigung des Arbeitsverhältnisses dem Anspruch auf die Sonderzahlung nur dann entgegensteht, wenn der Arbeitnehmer sie zu vertreten hat. Zu berücksichtigen ist auch, dass Klauseln, die den Bestand des Arbeitsverhältnisses in ungekündigtem Zustand voraussetzen, zwangsläufig eine V...