Roland Bornhofen, Prof. Dr. Udo Bühler
Rz. 2302
Bei der Inhaltskontrolle von Vertragsstrafeklauseln in vorformulierten Arbeitsverträgen sind stets die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten angemessen zu berücksichtigen (§ 310 Abs. 4 S. 2 BGB), zu denen das BAG auch tatsächliche Besonderheiten des Arbeitslebens (denkbar sind Üblichkeit einer Klausel, Beweisschwierigkeiten hinsichtlich der Schadenshöhe bei Vertragsbruch u.Ä.) zählt. Vor diesem Hintergrund zieht das BAG nicht § 309 Nr. 6 BGB als Prüfungsmaßstab für die Wirksamkeit von Vertragsstrafeklauseln heran. Zunächst wäre § 309 Nr. 6 BGB bei Arbeitsverträgen sowieso nur in Bezug auf solche Vertragsstrafen einschlägig, die für den Fall versprochen werden, dass sich der Arbeitnehmer vom Vertrag löst. Andere arbeitsrechtliche Vertragsstrafeklauseln werden hingegen nicht vom Klauselverbot des § 309 Nr. 6 BGB erfasst. Überdies findet § 309 Nr. 6 BGB nach ständiger Rechtsprechung des BAG wegen der im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten auch auf die zuerst genannte Fallgruppe keine Anwendung. Als im Arbeitsrecht geltende Besonderheit i.S.d. § 310 Abs. 4 S. 2 BGB ist insoweit anzusehen, dass die – grundsätzlich höchstpersönlich zu erbringende – Arbeitsleistung eine wegen § 888 Abs. 3 ZPO nicht vollstreckbare Handlung darstellt. Im Gegensatz zu anderen Gläubigern fehlt dem Arbeitgeber demnach die Möglichkeit, den durch die vereinbarte Vertragsstrafe abgesicherten vertraglichen Primäranspruch, die Leistung der Arbeit, durchzusetzen.
Rz. 2303
Die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten stehen aber einer Inhaltskontrolle von Vertragsstrafeklauseln in formularmäßigen Arbeitsverträgen nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB grundsätzlichen nicht entgegen. Danach sind Vertragsstrafeklauseln in Formulararbeitsverträgen unwirksam, wenn sie den Arbeitnehmer entgegen Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Unangemessen ist jede Beeinträchtigung eines rechtlich anerkannten Interesses des Arbeitnehmers, die nicht durch begründete und billigenswerte Interessen des Arbeitgebers gerechtfertigt oder durch gleichwertige Vorteile ausgeglichen wird. Nach § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB sind auch die den Vertragsschluss begleitenden Umstände bei der Beurteilung der unangemessenen Benachteiligung zu berücksichtigen. Regelmäßig unzulässig wird eine von den gesetzlichen Leitbildern wie dem Verschuldenserfordernis (§ 339 BGB) und Verbot der Kumulierung von Vertragsstrafe und Schadensersatz (§ 340 Abs. 2 BGB) abweichende Bestimmung sein. Sichert die Vertragsstrafe das typischerweise berechtigte Bedürfnis des Arbeitgebers, eine arbeitsvertragswidrige und schuldhafte Nichtaufnahme oder Beendigung der Arbeitstätigkeit seitens des Arbeitnehmers zu vermeiden, ist eine entsprechende Abrede grundsätzlich nicht unangemessen. Etwas anderes gilt, wenn das sanktionierte Verhalten typischerweise zu keinem Schaden oder nur zu einem völlig unerheblichen Schaden des Arbeitgebers führt, die Vertragsstrafeklausel also allein oder vorrangig der Bereicherung des Arbeitgebers dient.
Rz. 2304
Eine unangemessene Benachteiligung kann auch durch die Höhe der vereinbarten Vertragsstrafe begründet sein, etwa wenn die Strafe zum Gewicht der Pflichtverletzung oder zur Höhe des zu erwartenden Schadens in keinem vernünftigen Verhältnis steht. Eine generelle, absolute Höchstgrenze von einem Monatsgehalt besteht zwar nicht. Sanktioniert die Vertragsstrafe aber eine arbeitsvertragswidrige und schuldhafte Nichtaufnahme oder Beendigung der Arbeitstätigkeit seitens des Arbeitnehmers, wird die vereinbarte Vertragsstrafe das Arbeitsentgelt während der Kündigungsfrist im Normalfall nicht übersteigen dürfen. Ungewöhnliche, ein besonderes Sanktionsinteresse des Arbeitgebers begründende Umstände können aber im Einzelfall eine höhere Vertragsstrafe angemessen erscheinen lassen. Bei der Sanktionierung von Verstößen gegen ein Wettbewerbsverbot hielt das BAG eine Klausel für unzulässig, die eine Vertragsstrafe in Höhe des ein- bis dreifachen Monatsgehalts je Wettbewerbsverstoß vorsah und nach der die genaue Höhe der Strafe vom Arbeitgeber nach der Schwere des Verstoßes festgelegt werden konnte. Die unangemessene Benachteiligung führt nach § 307 Abs. 1 BGB ohne Weiteres zur Unwirksamkeit der Klausel; die Herabsetzung einer überhöhten Strafe nach § 343 Abs. 1 BGB oder im Wege einer geltungserhaltende Reduktion ist nicht möglich.
Rz. 2305
Um dem Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB zu genügen, müssen sowohl die tatbestandlichen Voraussetzungen als auch die Art und Höhe der Vertragsstrafe im Rahmen des rechtlich und tatsächlich Zumutbaren so klar und präzise beschrieben sein, dass sich der Arbeitnehmer in seinem Verhalten darauf einstellen kann. Bei der Beurteilung dessen ist nicht auf den flüchtigen Betrachter, sondern auf den aufmerksamen und sorgfältigen Teilnehmer am Wirtschaftsverkehr abzustellen. Die Vertragsstrafenabrede verletzt das Bestimmtheitsgebot, wenn sie vermeidbare Unkla...