Roland Bornhofen, Prof. Dr. Udo Bühler
Rz. 1039
Gerichtsstandsklauseln mit Auslandsbezug regeln nicht nur die örtliche Zuständigkeit, sondern gleichzeitig auch die internationale Zuständigkeit, d.h. die Frage, welche Gerichte eines Landes zuständig sind. Innerhalb der Europäischen Union wird die Zulässigkeit von Gerichtsstandsvereinbarungen geregelt in Art. 25 EuGVVO (Verordnung (EG) Nr. 2015/2012 vom 12.12.2012 des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen). Danach ist bei Fällen mit Auslandsbezug Art. 25 EuGVVO anwendbar, wenn die Parteien ein Gericht oder die Gerichte eines Mitgliedsstaates für zuständig erklärt haben. Art. 25 EuGVVO geht § 38 ZPO vor. Art. 25 EuGVVO gilt entgegen früherer Rechtslage nunmehr auch dann bei Auslandsfällen, wenn keine der Parteien ihren Wohnsitz in einem der Mitgliedsstaaten hat und dennoch ein Gericht eines Mitgliedsstaates den Rechtsstreit entscheiden soll.
Rz. 1040
Die EuGVVO gilt gemäß deren Art. 81 ab dem ist am 10.1.2015 – mit Ausnahme Dänemarks – in den Mitgliedstaaten. Ergänzt wird die EuGVVO durch das am 30.10.2007 zwischen der Europäischen Union und Dänemark, Island, Norwegen und der Schweiz geschlossene und am 1.1.2010 in Kraft getretene revidierte Lugano Übereinkommen (auch: Lugano II-Übereinkommen), das in Art. 23 hinsichtlich des Zustandekommens von Gerichtsstandsvereinbarungen eine mit Art. 25 EuGVVO vergleichbare Regelung enthält.
Rz. 1041
Gemäß Art. 67 EuGVVO gehen Zuständigkeitsregelungen der Europäischen Gemeinschaft in besonderen Sachbereichen der EuGVVO vor. Das gleiche gilt gemäß Art. 71 EuGVVO für völkerrechtliche Verträge über besondere Rechtsgebiete, etwa Art. 32 des Warschauer Abkommens (internationaler Lufttransport) oder Art. 31 CMR (grenzüberschreitender Straßengütertransport).
I. Art. 25 EuGVVO
Rz. 1042
Innerhalb seines Anwendungsbereiches verdrängt Art. 25 EuGVVO das nationale Recht als lex specialis. Von daher ist ein Rückgriff auf § 38 ZPO für die Bestimmung der Gerichtszuständigkeit ausgeschlossen. Dies gilt auch für eine Missbrauchskontrolle gemäß § 307 BGB. Die Frage, ob die Vertragsparteien sich auf ein Gericht eines Mitgliedstaates geeinigt haben, ist allein anhand Art. 25 EuGVVO zu prüfen. Es muss folglich eine Vereinbarung der Parteien über die Zuständigkeit eines Gerichts eines Mitgliedslandes vorliegen und diese muss den Formvorschriften der Regelung entsprechen. Eine derartige Vereinbarung kann auch formularmäßig erfolgen. Gleichwohl erfolgt keine eigene Einbeziehungskontrolle nach §§ 305, 305c BGB.
1. Vereinbarung
Rz. 1043
Nach Auffassung des EuGH hat das angerufene Gericht zu prüfen, ob die seine Zuständigkeit begründende Klausel tatsächlich Gegenstand einer Willenseinigung zwischen den Parteien war, die klar zum Ausdruck gekommen ist. Die Formerfordernisse des Art. 25 EuGVVO sollen gewährleisten, dass die Einigung zwischen den Parteien tatsächlich feststeht. Damit werden Konsens und Form miteinander vermengt. Die Literatur spricht deswegen von "unauflösbarer Einheit" von Form und Konsens.
Rz. 1044
Nach zutreffender Auffassung enthält Art. 25 EuGVVO hinsichtlich der für Vertragsschlüsse relevanten Aspekte wie Rechts- und Geschäftsfähigkeit oder Vertretungsmacht und die Rechtsfolgen von Willensmängeln keine eigenen Regelungen, sodass diese Fragen nach dem materiellen Recht zu beurteilen sind, das nach IPR maßgebend ist (Vertragsstatut).
2. Formvorschriften
Rz. 1045
Gerichtsstandsvereinbarungen können gemäß Art. 25 EuGVVO geschlossen werden:
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schriftlich oder mündlich mit schriftlicher Bestätigung (sog. halbschriftlich); |
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in einer Form, welche den Gepflogenheiten entspricht, die zwischen den Parteien entstanden sind, oder |
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im internationalen Handel in einer Form, die einem Handelsbrauch entspricht. |
Rz. 1046
Das Erfordernis der Schriftlichkeit dient der Sicherstellung der Feststellung einer Willenseinigung über die Gerichtsstandsabrede. Hat nur der Käufer den Vertrag mit der Gerichtsstandsvereinbarung unterschrieben, so genügt für die Einhaltung des Schriftormerfordernisses gemäß Art. 23 Abs. 1 S. 3a LugÜ/Art. 25 Abs. 1 S. 3a EuGVVO, dass die Parteien die ihnen nach dem Vertrag obliegenden Leistungen zeitnah erbracht haben, was die Willensübereinstimmung der Parteien auch hinsichtlich der Gerichtsstandsvereinbarung belege. Sind Gerichtsstands...