Roland Bornhofen, Prof. Dr. Udo Bühler
Rz. 1378
Die Vorschrift des § 309 Nr. 1 verbietet die klauselmäßige Vereinbarung von sog. kurzfristigen Preiserhöhungen in Verträgen mit einer Laufzeit von maximal vier Monaten ausnahmslos, ohne dass es auf einen sachlichen Grund für die Erhöhung ankommt.
I. Anwendbarkeit
Rz. 1379
Das Verbot von § 309 Nr. 1 BGB wird auf alle Verträge mit Ausnahme von Dauerschuldverhältnissen angewandt. Mit Leistungen sind nicht nur Dienstleistungen, sondern auch sonstige Vertragsleistungen wie Werkleistungen oder Geschäftsbesorgungen gemeint. Unter den Begriff der "Waren und Leistungen"“ fällt somit eine Vielzahl von Vertragsleistungen.
Die Anwendbarkeit von § 309 Nr. 1 BGB ist darüber hinaus auf Verträge beschränkt, die eine festgelegte oder zumindest fest bestimmbare Preisgestaltung beinhalten und eine Laufzeit von vier Monaten nicht überschreiten. Die Vorschrift bezieht zudem nur reine Preiserhöhungsklauseln, in denen tatsächlich das vereinbarte Entgelt erhöht wird, in das Verbot ein, sodass sämtliche sonstige Preisanpassungsklauseln (z.B. bei faktischen Erhöhungen durch Verringerung der Leistung) nicht nach § 309 Nr. 1 BGB, sondern nach § 308 Nr. 4 BGB (vgl. Rdn 1367 ff.) oder § 307 BGB zu beurteilen sind.
Im Einzelfall können – entgegen § 310 Abs. 2 BGB – auch Preisanpassungsklauseln in einem Vertrag zwischen Lieferanten und Abnehmern von Fernwärme anhand der §§ 307 ff. überprüft werden.
II. Frist von vier Monaten
Rz. 1380
Das Klauselverbot erfasst nach seinem eindeutigen Wortlaut nur solche Verträge, bei denen die geschuldete Hauptleistung binnen vier Monaten zu erbringen ist. Diese Frist muss sich aus den maßgeblichen Vertragsinhalten nach dem Kalender ermitteln lassen. Sie beginnt mit dem beiderseitigen Vertragsschluss und endet in dem Zeitpunkt, in dem die Leistung nach dem Inhalt des Vertrags spätestens zu erbringen ist. Eine tatsächliche spätere Lieferung macht die Klausel nicht nachträglich wirksam bzw. führt nicht zu einer Unanwendbarkeit von § 309 Nr. 1 BGB. Entscheidend ist allein die vertragliche Ausgestaltung.
Rz. 1381
Die Wirksamkeit von Fristen, die von vornherein länger als vier Monate ausgestaltet sind, wird anhand von § 308 Nr. 4 BGB beurteilt (vgl. Rdn 1367 ff.). Für Dauerschuldverhältnisse, die ausdrücklich aus dem Anwendungsbereich von § 309 Nr. 1 BGB ausgenommen sind, wird die Wirksamkeit von Preiserhöhungsklauseln im Rahmen der allgemeinen Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 2 BGB überprüft.
III. RL 93/13/EWG
Rz. 1382
Da auch § 309 Nr. 1 BGB – was Art. 8 der Richtlinie zulässt – strenger ist als Nr. 1 des Anhangs zu Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie, der lediglich Preiserhöhungsklauseln untersagt, die dem Verbraucher kein Lösungsrecht für den Fall einräumen, dass "der Endpreis im Verhältnis zu dem Preis, der bei Vertragsschluss vereinbart wurde, zu hoch ist", besteht kein Bedürfnis nach einer richtlinienkonformen Auslegung von § 309 Nr. 1 BGB. § 309 Nr. 1 BGB verbietet – mit Ausnahme von Dauerschuldverhältnissen – in den ersten vier Monaten nach Vertragsschluss Preiserhöhungen jeglicher Art. Bei Preiserhöhungen nach Ablauf von vier Monaten und bei Klauseln, die aus dem Anwendungsbereich von § 309 Nr. 1 BGB ausgenommen sind, werden die Vorgaben der Richtlinie durch die Rechtsprechung im Rahmen der Inhaltskontrolle des § 307 Abs. 2 umgesetzt.
IV. Rechtsfolgen
Rz. 1383
Die Unwirksamkeit einer Klausel nach § 309 Nr. 1 BGB führt dazu, dass die Preiserhöhungsklausel nicht einschlägig und allein der ursprünglich vereinbarte Preis für den Vertrag maßgeblich ist. Dies gilt nur dann nicht, wenn "dispositives Gesetzesrecht im Sinne konkreter materiell-rechtlicher Regelungen nicht zur Verfügung steht und das Offenlassen der mit dem Fortfall der Klausel entstandenen Lücke zu einem Ergebnis führte, das den beiderseitigen Interessen nicht mehr in vertretbarer Weise Rechnung trüge."
Rz. 1384
Aufgrund des in § 306 Abs. 2 BGB normierten Verbots der geltungserhaltenden Reduktion kann eine unwirksame Klausel nicht in der Form teilweise aufrechterhalten werden, dass diese auf ein zulässiges Maß begrenzt wird. Ein Verstoß gegen § 309 Nr. 1 BGB führt vielmehr dazu, dass die gesetzlichen Vorschriften zur Anwendung kommen. Hier besteht unter Umständen die Möglichkeit, unter Anwendung der §§ 612 Abs. 2 bzw. § 632 Abs. 2 BGB eine taxmäßige Vergütung als für das Vertragsverhältnis maßgeblich anzusehen, wenn sich aus dem Vertrag Anhaltspunkte dafür ergeben, dass beide Parteien davon ausgegangen sind, dass ein vereinbarter Preis nur vorläufig sein sollte ...