Schuldrechtsreform 2022 - ein digitales Update für den Verbraucherschutz
Diese Regelungen formen die Schuldrechtsreform 2022:
- Das „Gesetz für faire Verbraucherverträge“ trat in wesentlichen Teilen schon am 1.10.2021 in Kraft.
- Das „Gesetz zur Regelung des Verkaufs von Sachen mit digitalen Elementen und anderer Aspekte des Kaufvertrags“
- und das „Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte der Bereitstellung digitaler Inhalte und digitaler Dienstleistungen“ treten am 1.1.2022 in Kraft.
- Am 28.5.2022 wird das „Gesetz zur Umsetzung der EU-Richtlinie zur besseren Durchsetzung und Modernisierung der Verbraucherschutzvorschriften“ wirksam.
Die Änderungen im Kaufrecht
Neuer Sachmangelbegriff wird eingeführt
In Abkehr vom bisher vorherrschenden subjektiven Fehlerverständnis verlangt der neue Sachmangelbegriff nach § 434 Abs. 1 BGB n.F. für die Mangelfreiheit, dass gleichzeitig subjektive und objektive Anforderungen sowie Montageanforderungen erfüllt sind. Die Kaufsache muss also sowohl den Vereinbarungen der Vertragsparteien entsprechen als auch bestimmten objektiven Kriterien gerecht werden.
Eignet sich eine Sache etwa nicht zur gewöhnlichen Verwendung, kann sie hierdurch mangelhaft sein, obwohl sie möglicherweise der vertraglich vereinbarten Beschaffenheit entspricht. Sog. negative Beschaffenheitsvereinbarungen werden damit erheblich erschwert. Die Regelungen gelten auch für Verträgen zwischen Unternehmern (b2b) und nicht nur Verbraucherverträge (b2c), auf die die zugrunde liegende Richtlinie abzielte. Es steht zu befürchten, dass die Verschärfung des Mangelbegriffs gerade im Bereich b2b nicht immer zu sachgerechten Lösungen führen wird.
Verbrauchsgüterkaufrecht wird verschärft
Die Spezialvorschriften der §§ 474 ff. BGB für Kaufverträge zwischen Unternehmern und Verbrauchern werden umfangreich erneuert. Für den Verkauf von Waren „mit digitalen Elementen“ finden sich deshalb in den §§ 475b, c BGB n.F. neue Regeln. Nur unter sehr hohen und zum Teil unklaren Voraussetzungen ermöglicht § 476 Abs. 1 S. 2 BGB n.F. bei Verträgen mit Verbrauchern eine von den objektiven Anforderungen nach dem neuen Mangelbegriff abweichende vertragliche Vereinbarung. Außerdem bestimmt § 475e BGB n.F., dass die zweijährige Gewährleistungsfrist für vier Monate nach erstmaligem Auftreten des Mangels und für zwei Monate nach Reparaturversuch aus Gewährleistung oder Garantie unterbrochen wird. Dies kann zu einer deutlichen Verlängerung der Verjährung führen. Schließlich wurde die Beweislastumkehr bezüglich der Mangelhaftigkeit der Kaufsache bei Übergabe zu Lasten des Verkäufers von sechs Monaten auf ein Jahr verlängert.
Neue Regeln für digitale Produkte
Eigens für Verträge über digitale Waren und Dienstleistungen wurden die §§ 327 ff. BGB n.F. geschaffen. Sie gelten für ab dem 1.1.2022 geschlossene Verträge und auch für ältere Verträge, soweit die Bereitstellung des digitalen Produkts erst ab diesem Zeitpunkt erfolgt. Entscheidend ist nicht der Inhalt, sondern die digitale Form. Zwar gelten die Änderungen primär für Verträge zwischen Unternehmern und Verbrauchern, sie sind aber auch für den Regress des Unternehmers gegen seinen Lieferanten relevant.
- Besonderes Gewährleistungsrecht für digitale Produkte
Das Gesetz sieht ein besonderes Gewährleistungsrecht vor, welches die speziellen Regeln aus dem Kauf- oder Mietrecht verdrängt und damit vorrangig ist. Hierbei wird die einmalige Bereitstellung in Form eines Kaufmodells von der dauernden Bereitstellung unterschieden. Von den Neuerungen sind auch digitale Teile von beliebten Leistungspaketen umfasst, z.B. ein Streaming-Abo bei Kauf eines Smart TV oder das Navigationssystem bei Kauf eines Autos.
- Updatepflicht für digitale Produkte
Ausweislich des § 327f BGB n.F. schuldet der Unternehmer während des „maßgeblichen Zeitraums“ Aktualisierungen, die für den Erhalt der Vertragsmäßigkeit des digitalen Produkts erforderlich sind. Der „maßgebliche Zeitraum“ ist bei Mietmodellen der gesamte Mietzeitraum, bei Kaufverträgen der Zeitraum, den der Verbraucher aufgrund der Art und des Zwecks des digitalen Produkts und unter Berücksichtigung der Umstände und der Art des Vertrags erwarten kann.
Von der Update-Pflicht umfasst sind Funktions- und Sicherheitsupdates. Ungeklärt ist bisher, wie die Aktualisierungspflicht in der Praxis umgesetzt werden soll. In aller Regel ist der Verkäufer eines digitalen Produkts nicht auch der Hersteller der Hardware, der Software oder der einzelnen Anwendung. Vor diesem Hintergrund ist der Verkäufer meistens nicht in der Lage, die Update-Pflicht zu erfüllen, sondern muss hierzu wiederum Vorlieferanten oder den Hersteller vertraglich verpflichten. Das Verhältnis des Händlers zu Großhändlern und Herstellern bleibt im Gesetz aber ungeregelt.
- Kryptowährungen und Daten erstmals als Entgelt berücksichtigt
Ein entgeltlicher Vertrag über digitale Produkte wird auch dann vorliegen, wenn die Gegenleistung die „digitale Darstellung eines Werts“ ist oder der Verbraucher personenbezogene Daten zur Verfügung stellt. Die Einordnung der Bezahlung mit Kryptowährungen wie dem Bitcoin als Kauf oder Tausch wird damit zumindest insoweit obsolet. Daten als Gegenleistung sind vor allem bei der Nutzung sozialer Netzwerke üblich.
Informationspflichten auf Online-Marktplätzen
Ab dem 25.5.2022 gelten nochmals erweiterte Informationspflichten auf Online-Marktplätzen wie eBay oder Amazon. Der Verbraucher soll, um eine informierte Kaufentscheidung treffen zu können, u.a. erfahren,
- nach welchen Kriterien die Reihenfolge der Suchergebnisse zustande kommt
- und inwieweit der Betreiber des Marktplatzes mit dem Anbieter des einzelnen Produkts wirtschaftlich verflochten ist
- bzw. ob der Betreiber selbst das Produkt anbietet.
- Beim Weiterverkauf von Eintrittskarten muss außerdem der ursprünglich vom Veranstalter festgelegte Preis angegeben werden.
Unabhängig vom Vorliegen eines Online-Marktplatzes ist bei Online-Verkäufen darüber hinaus immer anzugeben, ob der Preis eines Produktes durch ein automatisiertes Verfahren personalisiert berechnet wurde.
Beendigung von Langzeit- & Online-Verträgen für Verbraucher erleichtert
Verbrauchern wird es ab dem 1.3.2022 erleichtert, einer ungewollt langen Vertragsbindung zu entgehen.
- Einschränkung automatischer Vertragsverlängerung
Bei Langzeitverträgen nach § 309 Nr. 9 BGB kann zwar weiterhin eine Mindestlaufzeit von zwei Jahren durch AGB vereinbart werden. Eine stillschweigende Verlängerung solcher Verträge ist allerdings nur noch auf unbestimmte Zeit möglich und nur, wenn dem Verbraucher ab dann erlaubt wird, binnen Monatsfrist zu kündigen. Darüber hinaus wird der Verbraucher mit maximal Monatsfrist – statt den derzeitigen drei Monaten – zum Ende der Vertragslaufzeit kündigen können.
- Online-Kündigungsbutton wird eingeführt
Ab dem 1.7.2022 sollen außerdem alle Verträge, die von Verbrauchern online abgeschlossen werden, unkompliziert online gekündigt werden können. Hierzu verpflichtet der neue § 312k BGB Online-Anbieter auf der Website des Angebots eine Kündigungsschaltfläche einzurichten, die den Verbraucher auf eine Bestätigungsseite führt, wo er die nötigen Angaben machen kann. Die Kündigungsdetails sind vom Anbieter umgehend elektronisch in Textform zu bestätigen.
- Verbot von Abtretungsausschlüssen
Durch § 308 Nr. 9 BGB n.F. sind Abtretungsausschlüsse für Geldansprüche von Verbrauchern gegen Unternehmer in AGB künftig unwirksam. Gleiches gilt außerdem für alle anderen Ansprüche von Verbrauchern, wenn der Unternehmer kein schützenswertes Interesse am Abtretungsausschluss hat, welches berechtigte Belange des Verbrauchers überwiegt. Ersteres erleichtert vor allem die Abtretung von Geldforderungen an Dritte zur Durchsetzung. Beispielsweise für Fluggastrechte haben sich solche Angebote etabliert. Zweiteres könnte es Verbrauchern im Einzelfall ermöglichen, Langzeitverträge vor Ende der Laufzeit an andere Interessenten abzugeben, um sich so frühzeitig von ihnen zu lösen.
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