Gesetz für faire Verbraucherverträge schärft Verbraucherschutz

Ein Entwurf des Bundesjustizministeriums plant, Verbraucher künftig besser vor aufgedrängten Verträgen, undurchsichtigen Vertragsstrukturen, kalkulierten Kostenfallen und ungewollten automatischen Vertragsverlängerungen zu schützen. Der DAV und die Wirtschaft üben an dem Entwurf scharfe Kritik, u.a. sieht man zuviel Bürokratie und eine Begünstigung von Legal Tech-Angeboten.  

Das BMJV plant ein "Gesetz für faire Verbraucherverträge". Grund:  Noch immer gibt es nach Ansicht des Ministeriums zuviel unerlaubte Telefonwerbung, in denen Verbrauchern mit viel Geschick und wenig Skrupel „abgezockt“ und ihnen unzweckmäßige Verträge aufgedrängt würden. In nicht wenigen Verträgen würden Verbraucher festgehalten über AGB, die ihnen durch automatische Vertragsverlängerung die Kündigung erschweren oder übervorteilt, z. B. indem ihnen die Abtretung ihrer Ansprüche an Dritte verwehrt wird. Der DAV kritisiert schon die Wortwahl dieser Begründung des Referentenentwurfs des BMJV als zu tendenziös und damit als unangemessen.

Justizministerium sagt verbraucherfeindlichen Praktiken den Kampf an

Den seitens des Ministeriums als verbraucherfeindlich bewerteten Praktiken will das BMJV einen Riegel vorschieben und hat den Entwurf eines Gesetzes für faire Verbraucherverträge veröffentlicht, mit dem die Position der Verbraucher gegenüber Wirtschaftsunternehmen gestärkt werden soll. Die Reform umfasst vor allem vier Bereiche:

  • Abtretungsverbote in AGB sollen weitgehend unzulässig werden.
  • Durch Einführung einer Dokumentations- und Aufbewahrungspflicht bei telefonischer Einwilligung eines Verbrauchers in einen Vertragsabschluss will das BMJV unerlaubte Telefonwerbung besser als bisher in den Griff bekommen.
  • Durch eine Änderung des Rechts der AGB-Vorschriften soll auf dem Energiesektor die sogenannte Bestätigungslösung eingeführt werden, die den Verbraucher besser vor aufgedrängten oder untergeschobenen Verträgen schützen soll.
  • Daneben soll die Gewährleistung beim Verbrauchsgüterkauf klarer geregelt werden, um mehr Rechtssicherheit beim Verkauf und Kauf gebrauchter Sachen zu schaffen.

Abtretungsausschluss in AGB nur noch ausnahmsweise zulässig

Im Internet häufen sich zunehmend die Angebote zum Aufkauf von einfach feststellbaren Geldforderungen durch gewerbliche Anbieter, die Ansprüche der betroffenen Verbraucher dann nach Abtretung im eigenen Namen ohne Kostenrisiko für die Verbraucher entgeltlich geltend machen. Ein Beispiel ist etwa das legal tech-Angebot „fluggastrechte.de“.

Nach Auffassung des BMJV wird Verbrauchern durch Vertragsklauseln in den AGB häufig die Abtretung ihrer Ansprüche zum Zwecke der Geltendmachung durch Dritte unverhältnismäßig erschwert.

Deshalb soll in § 308 BGB (Klauselverbote mit Wertungsmöglichkeit) ein neues Klauselverbot für Abtretungsverbote eingefügt werden. Gemäß § 308 Nr. 9 BGB-E  würde künftig eine Bestimmung unwirksam, durch die die Abtretbarkeit für einen auf Geld gerichteten Anspruch des Vertragspartners gegen den Verwender oder für ein anderes Recht, das der Vertragspartner gegen den Verwender hat, ausgeschlossen wird, wenn entweder kein schützenswertes Interesse des Verwenders an dem Abtretungsausschluss besteht oder ein berechtigtes Interesse des Vertragspartners an der Abtretbarkeit des Rechts das schützenswerte Interessen des Verwenders an dem Abtretungsausschluss überwiegt.

DAV kritisiert unangemessene Begünstigung von Legal Tech-Angeboten

Nach Auffassung des DAV besteht von Verbraucherseite für das neue Abtretungsverbot kein zwingendes Bedürfnis. Die durch ein Abtretungsverbot bewirkte einseitige Begünstigung von internetbasierten Inkassodienstleistungen führe in der Praxis häufig zu einer Verschlechterung der Qualität der juristischen Beratung im Einzelfall.

Kürzere Vertragslaufzeiten: Schluss mit 24-Monats-Verträgen

In § 309 Nr. 9 BGB (Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit) soll die

  • Vereinbarung einer Mindestlaufzeit in AGB bei Dauerschuldverhältnissen von bisher zwei Jahren auf ein Jahr verkürzt,
  • die mögliche automatische Vertragsverlängerung von einem Jahr auf drei Monate,
  • die Kündigungsfrist von maximal drei Monaten auf einen Monat reduziert werden.

DAV bezweifelt den Mehrwert für Verbraucher

Die Verkürzung der Vertragslaufzeiten und der Kündigungsfristen sieht der DAV ebenfalls kritisch. Das BMJV berücksichtige zum vermeintlichen Schutz der Verbraucher nicht hinreichend die wirtschaftlichen Hintergründe für zweijährige Vertragslaufzeiten und zwölfmonatige Kündigungsfristen.

Der Amortisationsaufwand der Wirtschaft bei solchen Verträgen müsse in Rechnung gestellt werden. Ein Mobilfunkanbieter beispielsweise könne bei verkürzten Vertragslaufzeiten ein Handy nicht mehr „kostenfrei“ zur Verfügung stellen. Letztlich sei die Reform in diesem Punkt auch aus Sicht der Verbraucher eher kontraproduktiv, führe zu Preissteigerungen und sei damit keineswegs verbraucherfreundlich.

Bestätigungslösung mit Verweigerungsfiktion für Energielieferverträge

Der Reformentwurf sieht eine Ergänzung des § 312 c BGB vor. In einem neu hinzugefügten Abs. 3 soll die Wirksamkeit eines telefonisch abgeschlossenen Vertrags über weder im Volumen noch in der Menge begrenzte Lieferungen von Gas oder Strom von einer Genehmigung durch den Verbraucher in Textform abhängig gemacht werden.

Die Genehmigung kann der Verbraucher erst erteilen, nachdem ihm der Unternehmer das Angebot auf einem dauerhaften Datenträger zur Verfügung gestellt hat. Die Genehmigung soll als verweigert gelten, wenn der Verbraucher sie nach Aufforderung durch den Unternehmer nicht innerhalb von zwei Wochen erklärt hat. Gemäß dem neu einzufügenden § 312 c Abs. 4 BGB soll dem Unternehmer kein Anspruch auf Wertersatz zu stehen, wenn er den Verbraucher in Erwartung der Genehmigung vorab beliefert hat.

DAV kritisiert Verbraucherschutz-Neuregelung als zu kompliziert

Auch die Bestätigungslösung für telefonisch im Fernabsatz abgeschlossene Gas- und Stromlieferverträge hält der DAV für nicht geeignet, das gesetzgeberische Ziel, nämlich mehr Schutz und Rechtssicherheit für den Verbraucher bei telefonisch abgeschlossenen Verträgen, zu erreichen. Der DAV verweist auf das parallel weiter bestehende Widerrufsrecht. Ein Nebeneinander dieses Widerrufsrechts und des neu eingeführten Bestätigungsprinzips sei praktisch und rechtlich äußerst kompliziert und führe zu einer weiteren Fragmentierung des bürgerlichen Rechts durch eine bürokratische Speziallösung. Der DAV schlägt stattdessen eine Ergänzung des Widerrufsrechts durch ein schlichtes Textformerfordernis (ähnlich § 675 Abs. 3 BGB) vor. Alternativ könne auch entsprechend § 550 BGB ein jederzeitiges kurzfristiges Kündigungsrecht für bestimmte Dauerschuldverhältnissen eingeführt werden. Die Konstruktion der Bestätigungslösung als Genehmigung eines schwebend unwirksamen Vertrages sei jedenfalls rechtlich unnötig kompliziert.

Neue Dokumentationspflicht für telefonisch geschlossene Verträge

Das UWG soll durch einen neu einzuführenden § 7a UWG ergänzt werden. Hiernach wäre der Unternehmer im Fall eines telefonischen Vertragsabschlusses verpflichtet, die Einwilligung des Kunden zu dokumentieren und das Dokument gemäß § 7a Abs. 2 UWG-E über einen Zeitraum von fünf Jahren aufzubewahren. Auf Anforderung wäre er verpflichtet, die Nachweise der zuständigen Verwaltungsbehörde unverzüglich vorzulegen. Ein Verstoß gegen die Dokumentations- und Aufbewahrungspflicht soll gemäß modifiziertem § 20 UWG durch ein Bußgeld bis zu 50.000 EUR geahndet werden können. Hierdurch soll die bisher geltende Regelung des § 20 UWG ergänzt werden, wonach die rechtlich unzulässige Telefonwerbung gegenüber Verbrauchern ohne deren vorherige ausdrückliche Einwilligung mit einem Bußgeld von bis zu 300.000 Euro geahndet werden kann.

DAV plädiert für weniger Bürokratie im Verbraucherschutz

Der DAV schlägt statt neuer bürokratischer Pflichten und zur weiteren Ermöglichung eines schnellen und unbürokratischen Vertragsschlusses die Einführung einer materiellen Beweislastregel vor. So könne man im Rahmen von § 312 a Abs. 1 BGB regeln, dass der Vertrag mit einem Unternehmer aufgrund eines Werbeanrufs nur dann mit dem vom Unternehmer gemäß § 312 f Abs. 2 BGB auf dauerhaftem Datenträger bestätigten Inhalt wirksam wird, wenn der Verbraucher dem nicht innerhalb einer angemessenen Frist nach Zugang der Vertragsbestätigung widerspricht. Auch könne man die Fälle unerlaubter Telefonwerbung und ähnlicher verbotener Geschäftspraktiken ausdrücklich als Anfechtungsgründe im Sinne von § 119 oder § 123 BGB etablieren. Damit sei der gewünschte Schutz der Verbraucher unbürokratisch und effektiv gewährleistet.

Keine Verkürzung der Verjährungsfrist beim Verkauf gebrauchter Sachen

Schließlich sieht der Entwurf eine Reform des § 476 Abs. 2 BGB vor. Dort wird den Vertragsparteien beim Verkauf einer gebrauchten Sache die Möglichkeit eingeräumt, die Länge der Verjährungsfrist auf die Dauer von bis zu einem Jahr zu verkürzen. Nach einem Urteil des EuGH erlaubt Art. 7 der EU-Verbrauchsgüterkaufrichtlinie zwar eine Verkürzung der gesetzlichen Gewährleistungsfrist beim Verkauf gebrauchter Güter, nicht jedoch eine Verkürzung der Verjährungsfrist (EuGH, Urteil v. 13.7.2017, C-133/16).

Diese den Mitgliedsstaat Belgien betreffende EuGH-Entscheidung wurde in dem Reformentwurf berücksichtigt. Künftig soll den Vertragsparteien im Interesse der Marktfähigkeit gebrauchter Sachen erlaubt werden, sich auf eine Verkürzung der Gewährleistungsfrist auf einen Zeitraum von nicht unter einem Jahr zu einigen. Die Möglichkeit der Verkürzung der Verjährungsfrist auf ein Jahr soll demgegenüber in § 476 BGB gestrichen werden.

Geltung der Reform nur für zukünftige Verträge

Die Änderungen sollen sämtlich nur für Verträge gelten, die nach Inkrafttreten des Gesetzes geschlossen werden.

Auch die Wirtschaft ist vom Reformvorhaben für faire Verbraucherverträge nicht begeistert

Dass die Reform das Gesetzgebungsverfahren ohne Modifikationen, insbesondere in Form von Abschwächungen, durchläuft, erscheint nach der umfassenden Kritik des DAV als eher zweifelhaft. Auch der „Verband Deutscher Kabelnetzbetreiber e.V.“ hat sich zur beabsichtigten Verkürzung von Vertragslaufzeiten bereits in einer schriftlichen Stellungnahme kritisch geäußert und verweist auf die hohen Investitionskosten im Zusammenhang mit dem Ausbau von Glasfasernetzen, die durch die Verkürzung der vertraglichen Bindungsdauer von Mobilfunkkunden konterkariert würde. Auch die geplante Bestätigungslösung für telefonisch geschlossene Energielieferverträge lehnt der Verband als unzulässigen Eingriff in die Vertragsfreiheit ab. Im Ergebnis hat der Referentenentwurf des BMJV auch in handwerklicher Hinsicht noch deutlichen Nachbesserungsbedarf.

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