Employee-Buy-Out als Nachfolgelösung für Unternehmen
Mehr Nachfolgen – weniger Nachfolger
Bis zum Ende des Jahres 2026 steht bei ca. 560.000 mittelständischen Unternehmen die Unternehmensnachfolge an. Allerdings haben immer mehr Unternehmer das Problem, keinen geeigneten Nachfolger zu finden. Einer gemeinsamen Umfrage der bundesweit 79 Industrie- und Handelskammern zufolge, gab es im Jahr 2023 dreimal mehr abgabewillige Unternehmer, als es Nachfolgeinteressenten gab.
Die Gründe dafür sind vielfältig: Familieninterne Unternehmensnachfolgen werden weniger, weil zunehmend die Bereitschaft fehlt, unternehmerische Verantwortung zu übernehmen. Aber auch die familienexterne Unternehmensnachfolge wird immer schwieriger. Insbesondere scheitert der Verkauf des Unternehmens in wirtschaftlich schwierigen Zeiten immer häufiger an der fehlenden Kaufpreisfinanzierung durch den potenziellen Erwerber. Hinzu kommen bürokratische Hindernisse, die einzelne Erwerber abschrecken. Die Übernahme durch einen (Finanz-) Investor ist zumeist nicht gewünscht, da viele Unternehmer das Abhandenkommen der Unternehmenskultur, die Verschlechterung des Betriebsklimas oder den Verlust des Mitarbeiterzuspruchs befürchten.
Daher verfolgen immer mehr Unternehmen mit dem Employee-Buy-Out (EBO) einen alternativen Ansatz zur Unternehmensnachfolge.
Erwerb des Unternehmens durch die Mitarbeiter
Die dahinterstehende Idee ist einfach: Die Mitarbeiter selbst erwerben das Unternehmen vom ursprünglichen Inhaber. Anders als beim sogenannten Management-Buy-Out (MBO) jedoch nicht nur einer oder wenige aus dem Management, sondern jeder Mitarbeiter, der Interesse daran hat. Der Erwerb durch die Mitarbeiter erfolgt allerdings nicht unmittelbar, sondern über eine Genossenschaft, zu der sich die Mitarbeiter zunächst zusammenschließen. Diese erwirbt sodann vom Unternehmer die Geschäftsanteile des Unternehmens, entweder stufenweise oder en bloc. Der EBO wird daher vielfach auch als Genossenschaftsmodell bezeichnet.
Die Genossenschaft bietet für den Zusammenschluss der Mitarbeiter das passende Forum, weil Solidarität und gleichberechtigte Teilhabe dort seit jeher im Vordergrund stehen und Genossenschaften im Vergleich zu Kapitalgesellschaften stärker demokratisch organisiert sind. Der Zweck der Genossenschaft ist nicht in erster Linie auf die Beteiligung an Kapital und Rendite ausgerichtet, sondern auf die Förderung der Interessen ihrer Mitglieder. Beim EBO besteht der Genossenschaftszweck regelmäßig in der Sicherung und Förderung der Erwerbstätigkeit des Unternehmens und der Mitglieder, einschließlich deren persönlicher und beruflicher Entwicklung. Hiervon profitieren die Mitarbeiter und das Unternehmen gleichermaßen.
Genossenschaft als passende Rechtsform
Gründung und Struktur der Genossenschaft sind dabei ähnlich einer Kapitalgesellschaft. Insbesondere bedarf es zur Gründung einer Satzung mit einem gesetzlich vorgeschriebenen Mindestinhalt sowie der Eintragung der Genossenschaft in das Genossenschaftsregister. Die Genossenschaft muss einen Vorstand und auch zwingend einen Aufsichtsrat haben, wenn sie mindestens 20 Mitglieder hat. Diese wiederum üben ihre Rechte in der Generalversammlung aus, die bei der Genossenschaft ebenfalls zwingend ist. Die Generalversammlung ist das wichtigste Organ der Genossenschaft, denn ähnlich wie bei einem Verein werden die wesentlichen Entscheidungen von den Mitgliedern getroffen. Ihnen obliegt insbesondere die Wahl des Vorstands und des Aufsichtsrats. Darüber hinaus ist die Generalversammlung grundsätzlich auch für Satzungsänderungen, für die Feststellung des Jahresabschlusses und für die Entscheidung über die Gewinnverwendung zuständig. Dabei gilt üblicherweise das Prinzip „ein Mitglied – eine Stimme“, unabhängig von Anzahl und Höhe der Zahlung auf die übernommenen Geschäftsanteile.
Anders als bei Kapitalgesellschaften ist der Geschäftsanteil einer Genossenschaft allerdings nicht gleichbedeutend mit der Mitgliedschaft oder der Beteiligung als solcher, sondern stellt nur zahlenmäßig den Betrag in Euro dar, mit dem sich ein Mitglied höchstens mit Einlagen beteiligen darf. Dieser beträgt beim EBO in der Regel zwischen 100 und 1.000 Euro, was jedem Mitarbeiter die Teilhabe an der Genossenschaft ermöglicht.
Ein- und Austritt sind unkompliziert und können mittels schriftlicher Erklärung erfolgen. Scheidet ein Mitglied aus der Genossenschaft aus, ist der Abfindungsanspruch auf den Stand des vorhandenen Geschäftsguthabens beschränkt und bemisst sich gerade nicht nach dem Verkehrswert des Anteils, wie es bei beispielsweise bei GmbH oder AG der Fall ist. Dies sorgt für Beständigkeit und wirkt sich auch positiv auf die Kreditwürdigkeit der Genossenschaft aus. Letzteres ist gerade bei der Unternehmensnachfolge für die Finanzierung des Kaufpreises ein wichtiger Faktor.
Alternative zu konventionellen Nachfolgelösungen
Der EBO vereint viele Vorteile auf sich, sowohl für den Unternehmer als auch für das Unternehmen und deren Mitarbeiter. Aus Sicht des Unternehmers ist die Nachfolge gesichert und vor allem bei den Mitarbeitern „in guten Händen“. Möchte der Unternehmer die Verantwortung nicht sofort vollständig abgeben, kann er sich nach Wunsch schrittweise zurückziehen oder für eine Übergangszeit operative oder beratende Funktionen, zum Beispiel als Vorstands- oder Aufsichtsratsmitglied in der Genossenschaft wahrnehmen. Das Unternehmen profitiert davon, dass der EBO zur Incentivierung der Mitarbeiter führt, da diese fortan Teil ihres „eigenen“ Unternehmens sind. Dies bedingt wiederum, dass die Mitarbeiter aus Eigeninteresse dafür sorgen, dass Gewinne in erster Linie dem Unternehmen zugutekommen. Da die kapitalmäßige Last beim Genossenschaftsmodell in aller Regel auf viele Schultern verteilt wird, ist auch das finanzielle Risiko des einzelnen Mitarbeiters gering.
Der EBO bietet daher eine echte Alternative zu den konventionellen Nachfolgelösungen, gerade wenn sich kein passender Nachfolger finden lässt. Zudem rücken Werte wie Solidarität und gleichberechtigte Teilhabe heutzutage wieder stärker in den Fokus, sodass die Rechtsform der Genossenschaft, die immerhin schon seit mehr als 170 Jahren existiert, auch den Zeitgeist trifft. Es ist daher kein Zufall, dass sich in anderen Ländern, wie beispielsweise Italien, diese Form der Unternehmensnachfolge bereits längst etabliert hat. Auch hierzulande wird die Zahl der EBO‘s deshalb künftig sicherlich noch zunehmen.
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