Roland Bornhofen, Prof. Dr. Udo Bühler
Rz. 251
Die Aufrechnung hat zwei Funktionen, die in erster Linie den Interessen des Aufrechnenden dienen. Sie ist zum einen ein Erfüllungssurrogat; zum anderen ist die Aufrechnung ein der Zwangsvollstreckung ähnlicher, außergerichtlicher Zugriff auf die Gegenforderung, eine Forderungsdurchsetzung im Wege der Selbsthilfe, die insbesondere im Fall der Insolvenz des Aufrechnungsgegners von Bedeutung ist (Sicherungs- und Vollstreckungsfunktion). Andererseits hat der Aufrechnungsgegner ein Interesse an der Durchsetzung seiner Hauptforderung ohne Verzögerung, die insbesondere bei der Geltendmachung von bestrittenen Gegenforderungen eintreten kann.
Rz. 252
Ein Verbot der Aufrechnung kann individualvertraglich vereinbart werden, sofern dem nicht gesetzliche Vorschriften entgegenstehen. Formularmäßige Aufrechnungsverbote sind nur in den Grenzen der §§ 309 Nr. 3, 307 BGB wirksam. So verbietet § 309 Nr. 3 BGB den Ausschluss der Aufrechnung mit unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Forderungen. Der Aufrechnungsausschluss ist zulässig, sofern die Klausel die beiden Ausnahmen ausdrücklich aufnimmt. Wird in der Klausel nur allgemein die Aufrechnung mit Gegenforderungen verboten, ist sie insgesamt unwirksam (vgl. die Kommentierung in § 309 Nr. 3 BGB Rdn 14). Die Rechtsprechung hat derartige Klauseln aus Praktikabilitätsgründen bisher jedoch anwenderfreundlich ausgelegt, um die harte Rechtsfolge der Unwirksamkeit zu vermeiden. Folgende Konstellationen sind zu unterscheiden:
Rz. 253
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Nimmt eine Klausel nur unbestrittene Gegenforderungen von dem Aufrechnungsverbot aus, so ist die Klausel dahingehend auszulegen, dass auch rechtskräftige Gegenforderungen ausgenommen werden sollen. |
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Im umgekehrten Fall gilt dies nur eingeschränkt. Nimmt eine Klausel nur rechtskräftige Gegenforderungen aus, so sollen nach der Rechtsprechung jedenfalls dann auch unstreitige Forderungen ausgenommen sein, wenn die Klausel die Einschränkung enthalte, dass sie die Aufrechnung nur beschränken will, soweit dies gesetzlich zulässig ist. |
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Wird die Aufrechnung in einem Gerichtsverfahren geltend gemacht und besteht hinsichtlich dieser Forderung Entscheidungsreife, so ist die Aufrechnungsbeschränkung unter Berücksichtigung von Treu und Glauben nicht zu beachten. Es führt dabei nicht zur Unwirksamkeit des Aufrechnungsausschlusses, wenn die Klausel lediglich unbestrittene und rechtskräftige Forderungen ausnimmt und den Fall der Entscheidungsreife nicht erwähnt. |
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Dieselben Erwägungen gelten für den Fall der Insolvenz des Aufrechnungsgegners. Unter Berücksichtigung von Treu und Glauben gilt ein formularmäßiges Aufrechnungsverbot nicht in der Insolvenz. Diesen Sonderfall muss die Klausel nicht ausdrücklich ausnehmen, damit sie ihre ansonsten gegebene Wirksamkeit nicht verliert. |
Rz. 254
Jedenfalls für Architektenverträge gilt Vorstehendes jedoch nicht. Der BGH hat die von einem Architekten verwandte Klausel "Eine Aufrechnung gegen den Honoraranspruch ist nur mit einer unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Forderung zulässig" als unwirksam eingestuft. Nach seiner Auffassung liege insoweit eine unangemessene Benachteiligung des Bestellers vor, weil das Aufrechnungsverbot auch die in einem engen synallagmatischen Verhältnis zur Werklohnforderung stehenden Ersatzansprüche wegen Mängelbeseitigungskosten und Fertigstellungsmehrkosten umfasse. Ausdrücklich offengelassen hat der BGH die Frage, ob ein Ausschluss der Aufrechnung auch für nicht-synallagmatische Gegenforderungen unzulässig sei. Es bleibt abzuwarten, wie sich die Rechtsprechung insoweit entwickelt.