Roland Bornhofen, Prof. Dr. Udo Bühler
Rz. 7
Die AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht stellt eine vergleichsweise neue rechtliche Betrachtungsweise dar. Bis zum 31.12.2001 waren vorformulierte arbeitsrechtliche Vertragswerke nach § 23 Abs. 1 AGBG vom Anwendungsbereich des AGB-Rechts ausgenommen. Erst im Zuge der Schuldrechtsreform, die zum 1.1.2002 in Kraft getreten und mit der die Regelungen des AGBG in das BGB aufgenommen wurden, fiel die umfassende Bereichsausnahme weg. An ihre Stelle trat der heutige § 310 Abs. 4 BGB, der den Anwendungsausschluss im Bereich des Arbeitsrechts nur noch für Tarifverträge und Betriebs- und Dienstvereinbarungen aufrechterhält. Bei der Anwendung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen auf Arbeitsverträge sind allerdings "die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten angemessen zu berücksichtigen", § 310 Abs. 4 S. 2 BGB. Mit der weitgehenden Beseitigung der Bereichsausnahme sollte das Arbeitsrecht wieder näher an das übrige Zivilrecht herangeführt und damit sichergestellt werden, dass das Schutzniveau der Inhaltskontrolle im Arbeitsrecht nicht hinter demjenigen des allgemeinen Zivilrechts zurückbleibt.
Rz. 8
Bis zum 31.12.2001 fand eine Inhaltskontrolle von Arbeitsverträgen ausschließlich nach Maßgabe der allgemeinen Bestimmungen des BGB als Billigkeitskontrolle statt. Wurden einzelne Vertragsklauseln als unbillig bewertet, wurde die dadurch entstandene Lücke regelmäßig im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung gefüllt und damit letztlich eine geltungserhaltende Reduktion durchgeführt. Dies führte beispielsweise bei unbilligen Rückzahlungsklauseln für vom Arbeitgeber übernommene Fortbildungskosten dazu, dass der Rückzahlungsbetrag auf das gerade noch zulässige Maß gekürzt wurde, nicht aber die Rückzahlungsvereinbarung insgesamt entfiel. Klauseln, die faktisch eine Gesetzesumgehung implizierten (so z.B. die Vereinbarung einer auflösenden Bedingung als Umgehung des KSchG) entfielen ersatzlos, wobei in aller Regel der übrige Arbeitsvertrag als wirksam angesehen wurde.
Rz. 9
Nach aktueller Rechtslage ist dieser langjährigen und in der arbeitsgerichtlichen Praxis tief verwurzelten Handhabung die Grundlage entzogen. Arbeitgeber stehen heute vor der Herausforderung, Formularverträge AGB-konform zu gestalten oder das Risiko einzugehen, dass statt der unwirksamen Klausel die gesetzliche (oder tarifliche bzw. in einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung enthaltene, vgl. § 310 Abs. 4 S. 3 BGB) Regelung greift. Besteht keine solche Regelung, entfällt die Klausel insgesamt. Damit gilt auch in der Praxis der Arbeitsvertragsgestaltung weitgehend der AGB-rechtlich bekannte Grundsatz des "Alles oder Nichts"-Prinzips.
Rz. 10
Sowohl die arbeitsgerichtliche Praxis als auch weite Teile der Literatur haben von Beginn an ein eigenes arbeitsrechtliches Profil bei der Anwendung der §§ 305 ff. BGB entwickelt. Auf die von den Zivilgerichten aufgestellten Grundsätze der AGB-Kontrolle wurde nur zurückhaltend zurückgegriffen. Die vom Gesetzgeber gebaute Brücke der "Berücksichtigung arbeitsrechtlicher Besonderheiten" tat und tut dazu ihr Übriges. So orientiert sich die Angemessenheitskontrolle arbeitsrechtlicher Klauseln nach den §§ 307 bis 309 BGB im Arbeitsrecht fast ausschließlich an der Generalklausel des § 307 Abs. 1 BGB, während im übrigen Zivilrecht die Klauselverbote der §§ 308, 309 BGB eine deutlich stärkere Rolle spielen. Noch heute können die vom Bundesgerichtshof entwickelten Grundsätze nicht ohne Vorbehalt auf arbeitsrechtliche Sachverhalte übertragen werden. Auf die Rechtsprechung der Zivilgerichte sollte man bei der Bewertung arbeitsrechtlicher Streitfragen deshalb ebenso wenig vertrauen wie auf Entscheidungen, die das BAG zur alten Rechtslage, also im Rahmen der "Billigkeitsprüfung" getroffen hat.
Rz. 11
Zwischenzeitlich liegt eine Fülle von Einzelentscheidungen des BAG und der Instanzgerichte vor, die die praktisch bedeutsamsten, mit der Schuldrechtsreform neu aufgeworfenen Fragen beantwortet haben. Sie geben dem Rechtsanwender überwiegend ausreichende Hinweise, um Klauseln rechtssicher zu formulieren. Die arbeitsrechtliche Literatur bemüht sich fortwährend, die verbliebenen Lücken zu schließen.