Roland Bornhofen, Prof. Dr. Udo Bühler
Rz. 1055
Soweit persönlicher Schuldner und Sicherungsgeber identisch sind, ist eine weite Sicherungszweckerklärung grundsätzlich nicht überraschend i.S.v. § 305c Abs. 1 BGB. Für den Sicherungsgeber ist bei einer Grundschuldbestellung überschaubar, in welcher Höhe er mit seinem Grundstück haftet. Ebenso wenig liegt ein Verstoß gegen § 305c Abs. 1 BGB vor, wenn die Haftung auf alle künftigen Forderungen des Sicherungsnehmers gegen den Sicherungsgeber erstreckt wurde. War aber der Anlass für die Grundschuldbestellung eine konkrete Schuld des Sicherungsgebers, so verstößt eine weite Sicherungszweckerklärung gegen § 305c Abs. 1 BGB, wenn alle bestehenden und künftigen Forderungen auch gegen einen Dritten einbezogen werden. Es ist auch nicht per se überraschend, wenn der Sicherungsgeber zugleich die persönliche Haftung übernimmt. Während die Forderungserstreckung auf künftige Forderungen den Sicherungszweck erweitert, führt die persönliche Haftungsübernahme nicht zu einer Erweiterung des Sicherungszwecks hinsichtlich der Grundschuld. Die Haftungssumme wird hierdurch nicht verdoppelt, da die Erklärung regelmäßig so auszulegen ist, dass die persönliche Haftungsübernahme an die Inhaberschaft der Grundschuld gekoppelt ist. Nur wenn eine von der Inhaberschaft an der Grundschuld unabhängige Haftung begründet würde, wäre im Falle der Weiterübertragung der Grundschuld die Gefahr einer doppelten, unter Umständen sogar mehrfachen Inanspruchnahme gegeben. Eine Ausnahme hierzu gilt, wenn die persönliche Haftungsübernahme mit der Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung verbunden ist (siehe hierzu Rdn 1070).
Rz. 1056
Ist der Sicherungsgeber nicht der persönliche Schuldner, ist eine Sicherungszweckerklärung, wonach die Grundschuld auch solche über den Anlass der Grundschuldbestellung hinausgehende Forderungen eines Dritten absichert, als überraschend i.S.v. § 305c Abs. 1 BGB einzustufen (Anlassrechtsprechung). Bei der Frage, was der Anlass der Sicherheitenbestellung war, soll es auf den Zeitpunkt der Zweckerklärung ankommen, wenn diese zeitlich nach der Grundschuldbestellung erfolgt ist. Das gilt ebenso, wenn der Dritte der Ehegatte des Sicherungsgebers ist. Aber auch dann, wenn der Dritte selbst Sicherungsgeber ist, ist eine über den Anlass der Grundschuldbestellung hinausgehende Sicherungszweckerklärung überraschend. Bestellen etwa Miteigentümer eines Grundstücks aus Anlass der Sicherung bestimmter gemeinsamer Verbindlichkeiten eine Grundschuld, ist die formularmäßige Sicherungsabrede, wonach die Grundschuld am eigenen Miteigentumsanteil auch alle bestehenden und künftigen Verbindlichkeiten des anderen Miteigentümers sichert, regelmäßig als überraschend einzustufen. Dies gilt gleichfalls, wenn die Miteigentümer an dem Grundstück Eheleute sind. Die familiäre Bindung ändert am Überraschungscharakter einer über den Anlass der Sicherheitenbestellung hinausgehenden Haftung nichts. Ebenso verhält es sich bei einer entsprechend weiten Zweckerklärung einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR). Soll die von einer GbR eingeräumte Grundschuld auch sonstige private Darlehen der Gesellschafter sichern, ist dies für die GbR überraschend. Unwirksam ist in einem Formularvertrag die gegenseitige Ermächtigung mehrerer Sicherungsgeber die Sicherungsabrede zu erweitern. Daher sind Nachfolgeklauseln unwirksam, die die Schuld eines neuen Geschäftsinhabers in die Haftung einbeziehen.
Rz. 1057
Darauf, ob das Darlehen zweckgebunden ist, kommt es nicht an. Eine formularmäßige Zweckerklärung, die den Sicherungszweck über den durch den Anlass des Geschäfts bestimmten Rahmen hinaus in einem nicht zu erwartenden Ausmaß erweitert, ist unabhängig davon überraschend, ob das zu sichernde Darlehen zweckgebunden ist. Der überraschende Charakter entfällt, wenn das Risiko künftiger von der Grundschuldhaftung erfasster Kreditaufnahmen durch den Schuldner für den Sicherungsgeber berechenbar und vermeidbar ist. Dies ist etwa dann der Fall, wenn Anlass der Sicherung eine fremde Schuld aus laufender Rechnung (Kontokorrentkrediten) war. In diesem Fall dient die Grundschuld nicht der Sicherung eines bestimmten Kredits oder Kreditverhältnisses, sodass es an einem konkreten "Anlass" fehlt. Die Namen aller Schuldner, deren Verbindlichkeiten der Sicherungsnehmer gesichert haben möchte, müssen in das Formular indessen nicht eingetragen werden.
Rz. 1058
Soweit eine Sicherungszweckerklärung auf bereits bestehende konkrete Forderungen erstreckt wird, die nicht Anlass der Grundschuldbestellung gewesen sind, kommt es auf den Einzelfall an. Eine solche Erstreckung darf nach den konkreten Umständen und Verhältnissen, insbesondere nach dem äußeren Erscheinungsbild nicht so ungewöhnlich sein, dass der Vertragspartner mit ihr nicht zu rechnen braucht. Ein der Klausel innewohnender Überrumplungseffekt ist anzunehmen, wenn der Klauselinhalt bzw. ihre Bede...