Roland Bornhofen, Prof. Dr. Udo Bühler
Rz. 1182
Bei Flugverspätungen hat der BGH die Rechtsprechung des EuGH bestätigt, wonach nach der Fluggast-VO Nr. 261/2004 bei Flugverspätung Ausgleichsansprüche bestehen können. Die Art. 5, 6 und 7 dieser VO sind dahin gehend auszulegen, dass Fluggäste im Hinblick auf verspätete Flüge nicht anders behandelt werden können wie Fluggäste annullierter Flüge. Art. 7 dieser VO ist daher in beiden Fällen anwendbar und gewährt einen Ausgleichsanspruch und Anspruch auf Entschädigung. Hierbei wird ein Zeitverlust von (mindestens) drei Stunden als wesentlich und als Voraussetzung des Ausgleichs vorausgesetzt. Der BGH hat Ausgleichsansprüche gewährt bei 20 Stunden, 23 Stunden bzw. 40 Stunden Verspätung.
Rz. 1183
Bei außergewöhnlichen Umständen darf die Ausgleichszahlung jedoch abgelehnt werden. Dies ist nicht allein deshalb der Fall, weil technische Probleme bestehen.
Rz. 1184
Wenn jedoch die technischen Probleme auf Vorkommnisse zurückzuführen sind, die nicht Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit des betroffenen Luftfahrtunternehmens sind und von ihm tatsächlich nicht zu beherrschen sind, können solche außergewöhnlichen Umstände bejaht werden. Beispiel: versteckte Fabrikationsfehler, Sabotageakte, etc. Auch Annullierungen von Flügen wegen Flugasche aus Vulkanausbrüchen (Fall Island April/Mai 2010 und Mai 2011) fallen grundsätzlich hierunter. Bei Nebel kann eine Haftung wegen Flugannullierung ausgeschlossen sein. Winterliches Glatteis u.a. ist dagegen nur ausnahmsweise höhere Gewalt. Stornierungen durch Kunden allein aufgrund des Verdachts (etwa wegen der Flugasche), einen Flug oder Anschlussflug nicht durchführen zu können, sind nicht möglich; hierzu bedarf es einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit, die es für den konkreten Kunden unzumutbar erscheinen lässt, den Flug anzutreten.
Rz. 1185
Bei zwei Stunden Verspätung gewährt die VO Ansprüche auf Betreuungsleistungen wie Telefonate, Getränke, Mahlzeiten und ggf. auch eine Übernachtung. Diese Wartezeit gilt für Flüge bis 1.500 Kilometer. Bei Flügen von 1.500 bis 3.500 Kilometer gibt es Ansprüche auf Unterstützung nach drei Stunden Wartezeit, ab 3.500 Kilometer erst nach vier Stunden Wartezeit. Ab fünf Stunden Wartezeit kann Erstattung des Flugpreises inklusive Steuern und Gebühren verlangt werden. Ausgleichszahlungen wegen großer Verspätung gewährt das LG Frankfurt nur bei Abflug- und zusätzlich Ankunftsverspätung von mindestens drei Stunden. Die Rechtslage bei Anschlussflügen ist wenig überschaubar. Bei Annullierung des in der EU startenden Zubringerfluges können unabhängig vom Ziel Ausgleichsansprüche bestehen, sofern es sich um einen direkten unmittelbaren Anschlussflug handelt.
Rz. 1186
Streiks wertet die Lufthansa wie "außergewöhnliche Umstände" und lehnt eine Entschädigung ab. Dies dürfte für zulässige und verhältnismäßige Arbeitskämpfe zutreffen.
Rz. 1187
Die Ansprüche nach der VO verjähren nicht entsprechend der Regelung des Montrealer Übereinkommens in zwei Jahren; vielmehr ist das deutsche Sachrecht anwendbar.
Rz. 1188
Ob die Fluggesellschaft auch für Fehler des Reiseveranstalters einzustehen hat ist strittig; richtigerweise ist dies analog Art. 13 der VO zu bejahen.
Rz. 1189
Gerichtsstand für die Geltendmachung von Ausgleichszahlungen ist nach Wahl des Fluggastes das Gericht des Abflugortes oder des Ankunftortes, Art. 5 Nr. 1 lit b 2. Gedankenstrich bzw. Analogie zu § 29 ZPO. Das Luftfahrtunternehmen schuldet auch nach § 280 Abs. 1 S. 1 BGB Schadensersatz, wenn es gegen die Verpflichtung aus Art. 8 Abs. 1 der VO verstößt.
Rz. 1190
Bei einer Pauschalreise kann wegen Sperrung des Luftraumes und damit verursachter Verzögerung des Fluges um ein bis zwei Tage jedenfalls bei einer zweiwöchigen Urlaubsreise der Vertrag nicht gekündigt werden; allerdings ist eine anteilige Minderung verschuldensunabhängig möglich.