Roland Bornhofen, Prof. Dr. Udo Bühler
Rz. 1356
Als Leistungsfrist i.S.v. § 308 Nr. 1 BGB sind alle Fristen zu verstehen, die nach dem Inhalt der AGB verstreichen müssen, bevor die Leistung fällig wird und deren Ablauf Voraussetzung dafür ist, dass der Vertragspartner den Verwender in Verzug setzen kann. Wenn zwischen den Parteien keine Absprache getroffen wird, gilt § 271 BGB. Eine Leistungsfrist i.S.v. § 308 Nr. 1 liegt unabhängig davon vor, ob diese unmittelbar die Fälligkeit der Leistung regelt oder dies nur mittelbar dadurch geschieht, dass eine bestimmte Voraussetzung für die Fälligkeit der Leistung nach hinten verschoben werden kann. § 308 Nr. 1 wird auf Leistungsfristen jeglicher Art, z.B. auch auf Fristenregelungen bezüglich der Abnahmeverpflichtung des Klauselverwenders nach § 640 BGB angewandt.
Rz. 1357
Zur Vereinbarung längerer als gesetzlich vorgeschriebener Fristen ist der Klauselverwender nur berechtigt, wenn diese längere Frist nicht "unangemessen" ist. Zur Bestimmung der Unangemessenheit einer Leistungsfrist können keine pauschalen Aussagen in Tagen, Wochen oder Monaten getroffen werden. Vielmehr bemisst sich die Angemessenheit einer Leistungsfrist in jedem Einzelfall gesondert anhand der jeweils geschuldeten Leistung und ist letztlich eine Wertungsfrage.
Als Richtschnur kann aber der Grundsatz herangezogen werden, dass die Vereinbarung von Leistungsfristen einen sachlichen Hintergrund haben und zudem argumentativ begründbar sein muss. Erscheint die Vereinbarung einer Leistungsfrist hingegen willkürlich und bürdet dem Gegenüber eine Unsicherheit auf, die objektiv nicht erforderlich ist, liegt eine Unwirksamkeit der Klausel stets nahe. Die Rechtsprechung hat in zwei Fällen, in denen es um die klauselmäßige Vereinbarung von Leistungs- und Annahmefristen in notariell beurkundeten Eigentumswohnungskaufverträgen ging, sowohl eine Frist von zehn Wochen als auch eine Frist von vier Wochen für unwirksam erachtet. Im Kfz-Neuwagengeschäft sind Leistungsfristen von sechs Wochen zulässig, bei Einbauküchen ist eine Frist von vier Wochen zulässig, eine sechswöchige Frist dagegen unwirksam.
Rz. 1358
Für die Beurteilung der Unangemessenheit ist nicht nur die mittels AGB eingeräumte Frist heranzuziehen, sondern grundsätzlich "die gesamte Zeitspanne zu berücksichtigen, die zwischen dem Eintritt der Fälligkeit nach den gesetzlichen Vorschriften und dem durch AGB festgelegten oder zu bestimmenden Fälligkeitseintritt liegt". Wird also ein Vertrag z.B. am 1.8. geschlossen und als Liefertermin der 1.11. vereinbart sowie weiterhin bestimmt, dass der Vertragspartner erst nach Ablauf einer weiteren Überziehungsfrist von zwei Monaten vom Vertrag zurücktreten kann, müssen beide Fristen zusammengerechnet und überprüft werden. Diese Zusammenrechnung findet auch dann statt, wenn der Liefertermin mittels Individualabrede vereinbart und nur die Zusatzfrist durch die AGB festgelegt worden ist. In diesem Fall kann auch schon die Überziehungsfrist für sich betrachtet unwirksam sein. Nicht anwendbar ist § 308 Nr. 1, wenn der Leistungszeitpunkt nur durch Individualabrede vereinbart wurde.
Rz. 1359
Von Leistungsfristen zu unterscheiden sind Leistungsvorbehalte, die nicht nur die Fälligkeit der Leistung regeln, sondern die Leistungspflicht als solche einschränken (z.B.: "Selbstbelieferung vorbehalten"). Sie sind am Maßstab von § 308 Nr. 3 und nicht von Nr. 1 zu messen (vgl. Rdn 1831 ff.).