Roland Bornhofen, Prof. Dr. Udo Bühler
Rz. 1034
Im unternehmerischen Geschäftsverkehr sind Gerichtsstandsvereinbarungen gemäß § 38 Abs. 1 ZPO zulässig. Hierzu befugt sind demnach Kaufleute, juristische Personen des öffentlichen Rechts oder öffentlich-rechtliche Sondervermögen. Diese Voraussetzung muss bei beiden Parteien der Gerichtsstandsvereinbarung vorliegen. Nicht zu den Kaufleuten zählen die Kleingewerbebetreibenden, Kannkaufleute und Landwirte gemäß §§ 1 Abs. 2, 2 und 3 HGB, sofern sie nicht im Handelsregister eingetragen sind. Mit der h.M. sind auch Freiberufler ausgenommen. Mittlerweile besteht zwar bei vielen Freiberuflern die Möglichkeit, ihren Beruf nicht nur in der Rechtsform einer Personengesellschaft, sondern auch in Form einer Kapitalgesellschaft auszuüben, etwa in Rechtsanwaltsgesellschaften gemäß § 59c BRAO. Diese Gesellschaften sind als Formkaufleute (§ 6 HGB) daher befugt, gemäß § 38 Abs. 1 ZPO Gerichtsstandsvereinbarungen zu treffen. Dennoch ist dies auch unter Berücksichtigung des Gleichbehandlungsgrundsatzes in Art. 3 GG kein Grund, den Anwendungsbereich des § 38 Abs. 1 ZPO auf sämtliche Freiberufler auszuweiten. Mit der Gründung einer Kapitalgesellschaft, die organisatorisch und rechtlich aufwendig sein kann, haben sich Freiberufler entschieden, ihre Tätigkeit in einer gewerblichen Rechtsform auszuüben, für die andere Rechtsregeln gelten. Derartige Gesellschaften sind nicht vergleichbar mit vielen Einzelpraxen in den unterschiedlichsten freiberuflichen Bereichen, die in ihrem Schutzbedürfnis Verbrauchern nahekommen oder gleichstehen können. Obwohl im kaufmännischen Geschäftsverkehr Gerichtsstandsklauseln bei Geschäften jeder Art "weithin üblich, weit verbreitet und in aller Regel nicht zu beanstanden sind", können sie wegen Verstoßes gegen § 305c Abs. 1 oder § 307 BGB unwirksam sein.
1. Überraschende Klauseln gemäß § 305c BGB
Rz. 1035
Für die Einstufung einer Klausel als überraschend i.S.d. § 305c BGB müssen besondere Umstände vorliegen, etwa wenn ein Kunde an der im Bestellformular für die Eintragung der Käuferdaten vorgesehenen Stelle einen Aufkleber mit großgedruckten Firmendaten anbringt, der im unteren Teil auch noch kleingedruckte Geschäftsbedingungen wie eine Gerichtsstandsklausel zu seinen Gunsten enthält. Eine unzulässige Überraschung kann auch vorliegen, wenn für beide Parteien ein gemeinsamer gesetzlicher Gerichtsstand besteht und der Verwender einen nicht mit seinem Sitz übereinstimmenden Gerichtsstand wählt und dieser keine Bezüge zu dem Vertrag und seiner Durchführung hat oder dem Verwender die freie Gerichtswahl eingeräumt werden soll. Wird formularmäßig deutsches Recht vereinbart, kann die Vereinbarung eines ausländischen Gerichtsstands gegen § 305c BGB verstoßen.
2. Unangemessene Klauseln gemäß § 307 BGB
Rz. 1036
Gerichtsstandsklauseln unterliegen auch der Angemessenheitskontrolle des § 307 BGB. Sie verstoßen dann nicht gegen diese Vorschrift, wenn für sie ein berechtigtes Interesse besteht oder ein entsprechender Handelsbrauch zugrunde liegt. In gleicher Weise sind Erfüllungsortvereinbarungen zu beurteilen, die den Gerichtsstand verändern. Zulässig ist etwa die formularmäßige Vereinbarung der Zuständigkeit des Gerichts am Ort der Hauptniederlassung des Verwenders. Dies gilt auch für den Kanzleiort seines Rechtsanwalts, es sei denn, dass dies wegen der örtlichen Lage der Parteien und dem fehlenden Bezug zum Vertrag ungewöhnlich und dem Vertragsgegner nicht zuzumuten ist.
Rz. 1037
Für Gerichtsstandsklauseln, die unabhängig vom Streitwert die Zuständigkeit eines Amtsgerichts begründen sollen, besteht kein berechtigtes Interesse. Zwar besteht auch bei Berufungsurteilen der Landgerichte die Möglichkeit, die Revisionsinstanz anzurufen (§§ 542, 543 ZPO). Amtsrichter unterliegen jedoch einer weit höheren Fallbelastung als Richter am Landgericht, sodass sie allein schon aus Zeitgründen nicht in der Lage sind, sich größeren Prozessen mit derselben Sorgfalt zu widmen wie Richter am Landgericht. Bei Landgerichtsprozessen ist zudem in vielen Sachgebieten ohnehin noch gemäß § 348 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 ZPO die aus drei Richtern bestehende Zivilkammer zuständig, etwa bei Streitigkeiten über Presseangelegenheiten, Bank- und Finanzgeschäften, Bau- und Architektenverträgen etc. Die Geschäftsverteilungspläne der Landgerichte tragen dem in aller Regel Rechnung und ermöglichen den einzelnen Kammern eine Spezialisierung, indem bestimmte Sachbereiche einer Kammer allein zugewiesen werden. Darüber hinaus besteht bei originärer Einzelrichterzuständigkeit gemäß § 348 Abs. 3 ZPO die Mög...