Roland Bornhofen, Prof. Dr. Udo Bühler
Rz. 814
Gemäß § 770 Abs. 2 BGB steht dem Bürgen ein Leistungsverweigerungsrecht zu, soweit der Gläubiger gegen eine Forderung des Hauptschuldners aufrechnen kann. Die Vorschrift gibt dem Bürgen zwar keine eigene Aufrechnungsbefugnis. Für den Fall, dass er an den Gläubiger zahlt, kann er die Leistung nicht gemäß § 812 BGB zurückverlangen. Die Vorschrift verstärkt aber das in § 771 BGB verankerte Subsidiaritätsprinzip. Der Bürge soll nur haften, wenn der Gläubiger keine Befriedigung beim Hauptschuldner erlangen kann. Erst seit dem Jahr 2003 sieht auch der BGH in einem umfassenden Verzicht auf die Einrede der Aufrechenbarkeit einen Verstoß gegen § 307 BGB. Zuvor hatte er die Auffassung vertreten, dass § 770 Abs. 2 BGB dem Bürgen nur eine verletzliche Rechtsposition gebe, da die Einrede vollständig vom Verhalten des Gläubigers und des Hauptschuldners abhängig sei. In diesem Fall aber sei der Bürge nicht schutzwürdig, wohingegen die Bank ein schutzwürdiges Interesse habe, da sie möglicherweise mit ungesicherten Forderungen aufrechnen müsse. Der BGH hat seine Rechtsprechung jedoch korrigiert. Ein Verzicht auf die Einrede aus § 770 Abs. 2 BGB würde der in § 309 Nr. 3 BGB verankerten Wertung widersprechen, die auch in Ansehung des Bürgschaftsvertrags gelten muss. Danach ist eine Bestimmung AGB unwirksam, durch die dem Vertragspartner des Verwenders die Befugnis genommen wird, mit einer unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Forderung aufzurechnen. Dies hat zur Folge, dass auch eine vorformulierte Sicherungsabrede zwischen Gläubiger und Hauptschuldner, wonach etwa ein Gewährleistungseinbehalt durch eine Bürgschaft abgelöst werden kann, in der der Bürge auf die Einrede der Aufrechenbarkeit vollumfänglich verzichten muss, unwirksam ist, mit der Folge, dass sich der Bürge gemäß § 768 Abs. 1 S. 1 BGB darauf berufen kann.
Rz. 815
Rechtsfolge einer umfassenden formularmäßigen Verzichtserklärung ist ihre vollständige Unwirksamkeit. Das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion lässt eine teilweise Aufrechterhaltung nicht zu. Der Ausschluss ist selbst dann insgesamt unwirksam, wenn im konkreten Fall die Gegenforderung weder unbestritten noch rechtskräftig festgestellt ist. Wird aber in einem Darlehensvertrag die Stellung einer selbstschuldnerischen, unbefristeten Bürgschaft vereinbart, so hat diese Vereinbarung auch dann Bestand, wenn vorgesehen war, dass die Bürgschaft mit einem unwirksamen Verzicht auf die Einrede der Aufrechenbarkeit gemäß § 770 Abs. 2 BGB zu versehen bzw. zu erbringen ist. Eine "konzeptionelle Einheit" zwischen dem mit der Stellung einer selbstschuldnerischen Bürgschaft einhergehenden Verzicht auf die Einrede der Vorausklage und dem unwirksamen Verzicht auf die Einrede der Aufrechenbarkeit besteht auch bei Formularverträgen nicht.