Roland Bornhofen, Prof. Dr. Udo Bühler
Rz. 898
Gleichwohl nimmt das Handelsvertreterrecht eine gewichtige Rolle bei der AGB-rechtlichen Beurteilung von Franchiseverträgen ein. Die analoge Anwendung bestimmter Handelsvertretervorschriften auf den Franchisenehmer ist geboten, da das Verhältnis zwischen Franchisegeber und Franchisenehmer – trotz der o.g. Abgrenzung – wesentliche Ähnlichkeiten mit dem Handelsvertreterverhältnis aufweist. So ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass § 90a HGB analog auf den Franchisenehmer anzuwenden ist.
Rz. 899
Nach der herrschenden Ansicht in der Literatur gilt Gleiches für den Ausgleichsanspruch nach § 89b HGB analog. Die analoge Anwendung des § 89b HGB auf Vertragshändler ist – unter bestimmten Voraussetzungen – in Rechtsprechung und Literatur anerkannt. Vor dem Hintergrund, dass das Subordinationsfranchising, wie eingangs angesprochen, in gewisser Weise eine Weiterentwicklung des Vertragshändlervertriebs darstellt, ist die grundsätzliche Möglichkeit der analogen Anwendung des § 89b HGB auf Franchiseverträge folgerichtig. Im Rahmen eines anonymen Massengeschäfts bei bloß faktischer Kontinuität des Kundenstamms hat der BGH einen Ausgleichsanspruch des Franchisenehmers jedoch abgelehnt. Dies lag daran, dass es in dem Fall an einer rechtlichen Einbindung in die Absatzorganisation fehlte; die Vorteile des Kundenstamms waren nicht nutzbar, was jedoch für eine analoge Anwendung des § 89b HGB erforderlich ist.
Rz. 900
Der Ausgleichsanspruch nach § 89b Abs. 1 HGB analog ist auf Wertausgleich für den vom Franchisenehmer geworbenen Kundenstamm gerichtet, der dem Franchisegeber als nutzbares betriebswirtschaftliches Aktivum überlassen wird. Es kann sich somit das Problem ergeben, unter welchen Voraussetzungen Geschäftsbeziehungen mit neuen Kunden als "durch den Franchisenehmer begründet" i.S.d. § 89b Abs. 1 HGB anzusehen sind. Die Frage kann in Fällen franchise-typischer Formen der Kundenwerbung, bei denen der Systemzentrale z.B. durch zentral geschaltete Hotlines oftmals eine starke Stellung zukommt, besondere Schwierigkeiten aufwerfen. Die Einordnung als "Kundenstamm" setzt voraus, dass mit dem neuen Kunden ein "qualifizierter geschäftlicher Kontakt" begründet wurde. Ein solcher dürfte regelmäßig noch nicht durch bloße Kontaktaufnahme, wie z.B. über eine zentrale Hotline, angenommen werden, sondern erst, wenn sich daraus eine tatsächlich "gelebte" Geschäftsbeziehung entwickelt. Insofern kann ein maßgeblicher Beitrag des Franchisenehmers zu bejahen sein. Klauseln, in denen z.B. über eine Hotline geworbene Kunden bei der Berechnung des Ausgleichsanspruchs unberücksichtigt bleiben sollen, dürften daher regelmäßig unwirksam sein, da sie gegen § 89b Abs. 4 HGB verstoßen. Letztlich wird es insofern aber auf eine Einzelfallbetrachtung ankommen.
Rz. 901
Der Ausgleichsanspruch des Franchisenehmers bemisst sich dann nach einer üblichen Handelsvertreterprovision, die sich nach § 87b HGB und nicht nach der Handelsspanne des Franchisenehmers bestimmt. Der Ausgleichsanspruch kann gemäß § 89b Abs. 4 HGB nicht abbedungen werden, weder individualvertraglich noch – erst Recht – durch AGB. Regelmäßig unwirksam sind daher Klauseln, nach denen dem Franchisenehmer z.B. bei einer Veräußerung des Geschäftsbetriebs kein Ausgleichsanspruch zustehen soll; das Verbot des § 89b Abs. 4 HGB erfasst alle von der gesetzlichen Regelung zum Nachteil des Franchisenehmers abweichenden Vereinbarungen.