Roland Bornhofen, Prof. Dr. Udo Bühler
Rz. 95
Das BAG erkennt Freiwilligkeitsvorbehalte in Bezug auf Sonderzahlungen, die einen Anspruch des Arbeitnehmers auf die Sonderzahlung bei wiederholter Zahlung von Anfang an nicht entstehen lassen, auch in Allgemeinen Geschäftsbedingungen grundsätzlich als zulässig an. Ein solcher Freiwilligkeitsvorbehalt weicht nicht von § 611 Abs. 1 BGB ab und verstößt, sofern es sich um einen klar und verständlich formulierten Vorbehalt handelt, nicht gegen § 308 Nr. 4 BGB, da es bereits an einer versprochenen Leistung fehlt.
Rz. 96
Allerdings hat die Rechtsprechung die Zulässigkeit von vertraglichen Freiwilligkeitsvorbehalten im Laufe der Zeit an zunehmend engere Voraussetzungen geknüpft. Zuletzt hat der 10. Senat des BAG dann auch Bedenken geäußert, ob ein vertraglicher Freiwilligkeitsvorbehalt dauerhaft den Erklärungswert von Zahlungen erschüttern kann, die ohne jeden Vorbehalt und ohne Hinweis auf die vertragliche Regelung geleistet werden (der Entscheidung lag eine 20-jährige vorbehaltlose Zahlungspraxis zugrunde). Infolge dessen ist davon auszugehen, dass das BAG arbeitsvertragliche Freiwilligkeitsvorbehalte als Instrument zum dauerhaften Ausschluss von Ansprüchen nicht mehr anerkennt. Der Arbeitgeber muss den Arbeitnehmer vielmehr bei jeder Auszahlung gesondert darauf hinweisen, dass die Leistung unter Freiwilligkeitsvorbehalt erfolgt. Damit ist die Zweckmäßigkeit arbeitsvertraglicher Freiwilligkeitsvorbehalte mittlerweile grundlegend in Frage gestellt.
Rz. 97
Bereits nach der bisherigen Rechtsprechung sind Freiwilligkeitsvorbehalte bei Sonderzahlungen, die einen Rechtsanspruch des Arbeitnehmers auf künftige Leistungen ausschließen sollen, nur wirksam, wenn sie so klar und verständlich abgefasst sind, dass der Arbeitnehmer gemäß dem Sinn und Zweck des Transparenzgebots den Vertragsinhalt sachgerecht beurteilen und erkennen kann, dass er keinen Rechtsanspruch auf die zu gewährenden Leistungen hat. Dazu genügt nicht der Hinweis, dass die Leistung freiwillig und ohne rechtliche Verpflichtung erfolgt. Dieser kann auch so verstanden werden, dass der Arbeitgeber lediglich nicht durch Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung oder Gesetz zur Leistung verpflichtet ist (und sich daher "freiwillig" vertraglich verpflichtet). Vielmehr muss darüber hinaus klargestellt werden, dass kein Rechtsanspruch auf die Leistung besteht, auch bei wiederholter Zahlung in Zukunft nicht begründet werden soll.
Rz. 98
Unwirksam ist ein vertraglicher Freiwilligkeitsvorbehalt, der alle zukünftigen Leistungen unabhängig von ihrer Art und ihrem Entstehen erfasst ("Auf sonstige, in diesem Vertrag nicht vereinbarte Leistungen erwirbt der Arbeitnehmer keinen Rechtsanspruch für die Zukunft."). Ein derart weit gefasster Freiwilligkeitsvorbehalt benachteiligt den Arbeitnehmer nach Ansicht des BAG unangemessen. Er bezieht in unzulässiger Weise auch laufende Leistungen ein (zur Unzulässigkeit des Freiwilligkeitsvorbehalts in Bezug auf laufendes Arbeitsentgelt vgl. Rn 102) und verstoße sowohl gegen den in § 305b BGB bestimmten Vorrang der Individualabrede als auch gegen den Rechtsgrundsatz, dass Verträge einzuhalten sind. Daher muss ein vertraglicher Freiwilligkeitsvorbehalt ausdrücklich klarstellen, dass er sich nur auf bestimmte Arten von Sonderzahlungen bezieht und dass er einer Entstehung von Ansprüchen aufgrund künftiger ausdrücklicher oder konkludenter Individualabreden nicht entgegensteht. Es kann auch ausdrücklich klargestellt werden, dass damit das Entstehen einer betrieblichen Übung hinsichtlich bestimmter Sonderzahlungen ausgeschlossen werden soll.
Rz. 99
Eine Sonderzahlung in beträchtlicher Höhe spricht für sich betrachtet nicht dagegen, einen künftigen Anspruch wirksam ausschließen zu können. Eine Abgrenzung nach Prozentsätzen der Jahresgesamtvergütung lässt sich nicht rechtfertigen. Hier besteht ein entscheidender Unterschied zu der Zulässigkeit und der Ausübung von Widerrufsvorbehalten, die nur dann interessengerecht sind, wenn ihr Volumen unter einem Viertel des Jahresgesamteinkommens liegt. Während bei Widerrufsvorbehalten ein Anspruch zunächst entsteht, aber wieder beseitigt werden kann, ist er im Falle eines Freiwilligkeitsvorbehalts nie entstanden. Es entspräche nach Auffassung des BAG nicht den Interessen der Arbeitsvertragsparteien, wenn der Arbeitgeber gehindert wäre, Sonderzahlungen ab einer bestimmten Höhe unter Freiwilligkeitsvorbehalt zu stellen.
Rz. 100
Auch wenn die freiwillig geleistete Sonderzahlung an den Unternehmenserfolg oder die individuellen Leistungen des Arbeitnehmers anknüpft, können zukünftige Ansprüche wirksam ausgeschlossen werden. Der Arbeitgeber ist frei darin, den Zweck von Sonderzahlungen festzusetzen. Er kann auch freiwillige Sonderzahlungen erbringen, die an keine anderen Voraussetzungen gebunden sind als die reine Arbeitsleistung. Im Umkehrschluss darf er die Sonderzahlung auch zweckbezogen, aber dennoch freiwillig gewähren.
Rz. 101
Ein Freiwilligkeitsvorbehalt kann ...