Roland Bornhofen, Prof. Dr. Udo Bühler
Rz. 150
Versetzung ist die einseitig vom Arbeitgeber angeordnete Änderung des Arbeitsortes, der Lage der Arbeitszeit oder der Tätigkeit des Arbeitnehmers. Eine Versetzung liegt aber nur dann vor, wenn mit ihr die arbeitsvertraglichen Hauptleistungspflichten lediglich konkretisiert werden. Eine Änderung der Hauptleistungspflichten kann im Gegensatz dazu nur einvernehmlich vereinbart oder im Wege einer Änderungskündigung erfolgen. Der gesetzliche Rahmen des Versetzungsrechts ergibt sich aus § 106 GewO, nach dem der Arbeitgeber Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen kann, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrags oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind.
Rz. 151
Je allgemeiner die vom Arbeitnehmer zu leistenden Dienste im Arbeitsvertrag festgelegt sind, desto weiter geht deshalb die Befugnis des Arbeitgebers, dem Arbeitnehmer unterschiedliche Aufgaben im Wege des Weisungsrechts zuzuweisen. Bei einer engen Bestimmung der Tätigkeit wird das Weisungsrecht hingegen eingeschränkt. Dies gilt für alle Tatbestandsalternativen der Versetzung, also die örtliche, zeitliche und tätigkeitsbezogene Versetzung gleichermaßen (allerdings: zur örtlichen Versetzung vgl. Rdn 158).
Rz. 152
Die Erweiterung des Weisungsrechts über das gesetzliche Maß wird nur in wenigen Ausnahmefällen für zulässig gehalten. Dies liegt daran, dass bereits die Gesetzeslage dem Arbeitgeber große Spielräume bei der Versetzung gewährt.
Rz. 153
Eine vertragliche Versetzungsklausel hat allerdings auch dann ihre Berechtigung, wenn sie lediglich inhaltlich der gesetzlichen Regelung des § 106 GewO entspricht. Denn auf diese Weise kann, ist im Arbeitsvertrag z.B. ein bestimmter Arbeitsort vereinbart, die Versetzungsklausel das nach der gesetzlichen Konzeption bestehende Weisungsrecht wiederherstellen. Einschränkende Vereinbarungen von Arbeitsort, Arbeitszeit und geschuldeter Tätigkeit können sich im Übrigen auch aus den tatsächlichen Umständen bei oder nach Vertragsschluss ergeben. Auch für diesen Fall ist eine klarstellende Regelung im Arbeitsvertrag sinnvoll, nach der es beim unbeschränkten Weisungsrecht des Arbeitgebers nach Maßgabe des § 106 GewO verbleiben soll. Entspricht die Versetzungsklausel – ggf. nach Auslegung – inhaltlich der Regelung des § 106 S. 1 GewO, so unterliegt sie nicht der AGB-Inhaltskontrolle. Es muss allerdings aus der Formulierung erkennbar sein, dass sie nicht etwa das gesetzliche Direktionsrecht erweitern will.
Rz. 154
Aus Arbeitgebersicht kann es vor diesem Hintergrund zu empfehlen sein, im Arbeitsvertrag die Lage der Arbeitszeit und den Arbeitsort nicht anzugeben und den Inhalt der geschuldeten Tätigkeit nur allgemein zu formulieren (z.B. "Sekretär/in" anstelle von "Sekretär/in der Geschäftsleitung"; "kaufmännische/r Angestellte/r" anstelle von "Sachbearbeiter/in Einkauf im Bereich Kleinprodukte"). Über eine entsprechende Versetzungsklausel kann darüber hinaus klarstellend das ungeschmälerte Direktionsrecht des Arbeitgebers nach § 106 GewO bestätigt werden.
Rz. 155
Zu beachten ist allerdings, dass im Gegenzug der Arbeitnehmer für die von ihm abverlangte Flexibilität eine entsprechende stärkere Sicherung seines Arbeitsverhältnisses im Falle betriebsbedingter Kündigungen erhält. Durch eine weite Versetzungsklausel erweitert sich der Kreis der Sozialauswahl, in die die Arbeitnehmer auf allen in Frage kommenden alternativen Arbeitsplätzen einzubeziehen sind. Im Umfang der Versetzungsmöglichkeiten hat der Arbeitgeber außerdem zu prüfen, ob freie Arbeitsplätze zur Verfügung stehen.
Rz. 156
Erweist sich eine Versetzungsklausel im Rahmen der AGB-Kontrolle als unwirksam, fällt sie regelmäßig ersatzlos weg. Die Versetzungsmöglichkeit besteht in diesem Fall regelmäßig nur im Rahmen der vertraglich konkretisierten Hauptleistungspflichten. Bei vor dem 1.1.2002 abgeschlossenen Arbeitsverträgen kann jedoch die durch den Wegfall der Klausel entstehende Lücke ggf. im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung geschlossen werden. Dabei ist zu ermitteln, welche Regelung die Parteien vereinbart hätten, wenn ihnen die Unwirksamkeit der Versetzungsklausel bekannt gewesen wäre.