Roland Bornhofen, Prof. Dr. Udo Bühler
Rz. 179
Die Vereinbarung von Widerrufsvorbehalten in Arbeitsverträgen soll dem Arbeitgeber ermöglichen, einmal zugesagte Leistungen zu widerrufen, wenn sich die Rahmenbedingungen ändern, die zur früheren Zusage geführt haben. Bei der Gewährung von Leistungen unter Widerrufsvorbehalt erwächst dem Arbeitnehmer im Gegensatz zur Gewährung freiwilliger Leistungen (zum Freiwilligkeitsvorbehalt siehe Rdn 95) ein vertraglicher Anspruch, der durch Ausübung des Widerrufsrechts wieder beseitigt werden soll. Für Widerrufsvorbehalte hat die Rechtsprechung deshalb deutlich engere Grenzen gesteckt als für Freiwilligkeitsvorbehalte. Denn durch den Widerruf wird dem Arbeitnehmer im Unterschied zur Nichtgewährung freiwilliger Leistungen ein bestehender Rechtsanspruch entzogen (zur Kombination einer Widerrufsklausel mit einem Freiwilligkeitsvorbehalt siehe Rdn 102).
Rz. 180
Das in einem Formulararbeitsvertrag vorbehaltene Recht des Arbeitgebers, von einer einmal versprochenen Leistung abzuweichen, ist nach § 308 Nr. 4 BGB nur wirksam, wenn der Vorbehalt unter Berücksichtigung der Interessen des Verwenders auch dem anderen Vertragsteil zumutbar ist. Dies ist nur der Fall, wenn es für den Widerruf einen sachlichen Grund gibt und dieser bereits in der Widerrufsklausel beschrieben ist. Der Sachgrund muss in der Klausel so beschrieben sein, dass der Arbeitnehmer erkennen kann, was ggf. auf ihn zukommt.
Rz. 181
Nach früherer Rechtsprechung des BAG ist dabei mindestens "die Richtung anzugeben, aus der der Widerruf möglich sein soll (wirtschaftliche Gründe, Leistung oder Verhalten des Arbeitnehmers)". Der Grad der Störung (wirtschaftliche Notlage des Unternehmens, negatives wirtschaftliches Ergebnis der Betriebsabteilung, nicht ausreichender Gewinn, Rückgang bzw. Nichterreichen der erwarteten wirtschaftlichen Entwicklung, unterdurchschnittliche Leistungen des Arbeitnehmers, schwerwiegende Pflichtverletzungen) muss konkretisiert werden, wenn der Arbeitgeber hierauf abstellen will und nicht schon allgemein auf die wirtschaftliche Entwicklung, die Leistung oder das Verhalten des Arbeitnehmers gestützte Gründe nach dem Umfang des Änderungsvorbehalts ausreichen und nach der Vertragsregelung auch ausreichen sollen.
Rz. 182
In einer Entscheidung aus 2010 hat das BAG indes das einfache Abstellen auf "wirtschaftliche Gründe" für nicht ausreichend gehalten. Nicht jeder Grund, der wirtschaftliche Aspekte betrifft, sei ein anzuerkennender Sachgrund für den Entzug einer Leistung, im entschiedenen Fall der privaten Dienstwagennutzung. Es empfiehlt sich deshalb, die Widerrufsgründe möglichst genau zu fassen und es nicht bei unpräzisen Umschreibungen zu belassen.
Rz. 183
Sind im Arbeitsvertrag oder der entsprechenden Nebenvereinbarung (z.B. in der Dienstwagenüberlassungsvereinbarung) keine sachlichen Gründe für den Widerruf angegeben, scheidet ein Widerruf schlechthin aus, wenn der Arbeitsvertrag nach dem 31.12.2001 abgeschlossen wurde. Für Altfälle hat das BAG in mehreren Fällen Widerrufsklauseln im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung um die nicht angegebenen Widerrufsgründe ergänzt und in diesem Umfang die Wirksamkeit bestätigt.
Rz. 184
Das Widerrufsrecht muss außerdem wegen der unsicheren Entwicklung der Verhältnisse als Instrument der Anpassung notwendig sein. Es genügt deshalb nicht, dass die Widerrufsregelung klar und verständlich ist, sondern sie darf den Vertragspartner darüber hinaus nicht unangemessen benachteiligen. Die Widerrufsklausel hat sich deshalb auf die Fälle zu beschränken, in denen ein anzuerkennender Sachgrund besteht, die einmal gewährte Leistung zu widerrufen.
Rz. 185
Steht die widerrufliche Leistung in einem Gegenseitigkeitsverhältnis, z.B. als Teil der laufenden Vergütung, so ist die Vereinbarung eines Widerrufsvorbehalts nur zulässig, soweit der widerrufliche Teil weniger als 25 % des Gesamtverdienstes beträgt und der einschlägige Tariflohn nicht unterschritten wird.
Rz. 186
Die Ausübung des Widerrufsrechts aufgrund einer wirksamen Widerrufsklausel unterliegt der Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB. Unter diesem Aspekt ist auch die Frage zu betrachten, ob bei der Ausübung des Widerrufsrechts eine Ankündigungsfrist einzuhalten ist. Ein Widerruf ist stets nur für die Zukunft zulässig, vor Erklärung des Widerrufs Geleistetes kann deshalb nicht zurückgefordert werden.