Verfahrensgang

AG Jülich (Beschluss vom 18.05.2000; Aktenzeichen 8 VI 105/00)

 

Nachgehend

OLG Köln (Beschluss vom 12.12.2005; Aktenzeichen 2 Wx 39/05)

 

Tenor

Die Beschwerde des Beteiligten zu 1) gegen den Beschluss des AG Jülich vom 18. Mai 2000 (Az. 8 VI 105/2000) wird zurückgewiesen.

Der Beteiligte zu 1) hat die dem Beteiligten zu 2) im Beschwerdeverfahren entstandenen Kosten zu tragen.

 

Tatbestand

I.

Die Erblasserin und der Beteiligte zu 1) waren Ehegatten. Der Beteiligte zu 2) ist eines der drei Kinder des Ehepaares.

Unter dem 25. August 1998 schlossen die Erblasserin und der Beteiligte zu 1) ein gemeinschaftliches Testament mit folgendem Inhalt (Bl. 4, 8 IV 8/2000):

Wir, die unterzeichneten Ehegatten bestimmen als unseren letzten Willen Folgendes:

Der Erstversterbende von uns vermacht dem Überlebenden Ehegatten an seinem gesamten Nachlass den unentgeltlichen Nießbrauch auf Lebenszeit. Der überlebende Ehegatte ist auch berechtigt, den Haus- und Grundbesitz zu vermieten und die Mietbeträge zu vereinnahmen.

Am 17. Dezember 1999 verstarb die Erblasserin.

Auf Antrag des Beteiligten zu 1) hat das Nachlassgericht am 18. Mai 2000 einen Erbschein ausgestellt, der den Beteiligten zu 1) als Alleinerben ausweist (Bl. 5). Mit Schriftsatz vom 31. Januar 2005 hat der Beteiligte zu 2) die Einziehung des Erbscheins wegen Unrichtigkeit angeregt (Bl. 14 ff.). Mit Beschluss vom 08. Juni 2005 hat das Nachlassgericht den Erbschein eingezogen (Bl. 44–45). Hiergegen richtet sich die Beschwerde vom 20. Juni 2005 des Beteiligten zu 1) (Bl. 49 ff.). Das Nachlassgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache der Kammer zur Entscheidung vorgelegt.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die gemäß §§ 19, 20, 21 FGG zulässige Beschwerde des Beteiligten zu 1) gegen die Einziehung des Erbscheins hat in der Sache keinen Erfolg.

Nach § 2361 I BGB hat das Nachlassgericht einen Erbschein einzuziehen, wenn dieser unrichtig erteilt worden ist. Nach dem Wortlaut ist die Einziehung zwingend, wenn die Unrichtigkeit festgestellt wird. Das Einziehungsverfahren wird vom Nachlassgericht von Amts wegen durchgeführt (§ 2361 III BGB). Eines Antrages bedarf es nicht. Die Grundsätze über die Verwirkung prozessualer Rechte gelten daher im Verfahren über die Erbscheinentziehung nicht (Lange/Kuchinke, 5. Aufl., § 39 VI 2 b, S. 1029). Ein Vertrauensschutz in den Fortbestand eines Erbscheins besteht nicht, zumal der Streit über das Erbrecht durch Erteilung eines Erbscheins nicht endgültig ausgeräumt wird, sondern der Streit vor dem Prozessgericht fortgesetzt werden kann (Lange/Kuchinke, a.a.O.). Auch wenn ein langer Zeitraum seit der Erbscheinserteilung verstrichen ist, kann und muss der Erbschein eingezogen werden, wenn er unrichtig ist (BGHZ 47, 58). Die Einziehung hat auch dann zu erfolgen, wenn sich seit der Erteilung keine neuen Tatsachen ergeben haben und das Nachlassgericht nur aufgrund einer anderen – nunmehr zutreffenden – Auslegung der letztwilligen Verfügung von der Unrichtigkeit des Erbscheins überzeugt ist (BGH a.a.O.).

Zutreffend hat das Nachlassgericht angenommen, dass das gemeinschaftlichen Testament keine Erbeinsetzung des Beteiligten zu 1) zum alleinigen Vollerben enthält. Nach dem eindeutigen Wortlaut des gemeinschaftlichen Testaments sollte dem Überlebenden nur am gesamten Nachlass des Erstversterbenden ein „unentgeltlicher Nießbrauch auf Lebenszeit” eingeräumt werden. Ein Fehlvorstellung dergestalt, dass die Ehegatten irrig annahmen, durch diese Formulierung würde der Überlebende zum alleinigen Vollerben bestimmt, kann zweifelsfrei ausgeschlossen werden. Hätten die Ehegatten eine Einsetzung zum unbeschränkten Vollerbe gewollt, so hätten sie nicht klarstellen müssen, dass der Überlebende „unentgeltlich” Vorteile aus dem Nachlass ziehen kann. Dass dem jeweils anderen Ehegatten für den Fall seines Überlebens nur ein auf Lebenszeit beschränktes Nutzungsrecht eingeräumt werden sollte, ergibt sich aber vor allem aus dem weiteren Satz „Der überlebende Ehegatte ist auch berechtigt, den Haus- und Grundbesitz zu vermieten und die Mietbeträge zu vereinnahmen.” Eine solche Klarstellung ist im Falle einer Einsetzung zum alleinigen Vollerben ersichtlich überflüssig. Ein unbeschränkter Vollerbe wäre sogar uneingeschränkt zur Veräußerung des Nachlasses berechtigt, was vorliegend aber nicht gewollt ist. Ob es sich bei der Zuwendung durch das gemeinschaftliche Testament um ein Vermächtnis oder um eine Einsetzung des Überlebenden zum unbefreiten Vorerben handelt, kann offen bleiben. Jedenfalls ist der Beteiligte zu 1) nicht zum alleinigen Vollerben bestimmt worden und damit der Erbschein unrichtig.

Danach war die Beschwerde des Beteiligten zu 1) mit der zwingenden Kostenfolge gemäß § 13 a I 2 FGG hinsichtlich des Beteiligten zu 2) zurückzuweisen. Wer die Gerichtskosten im Beschwerdeverfahren zu tragen hat, ergibt sich aus den Bestimmungen der Kostenordnung, ohne dass es insoweit eines Ausspruchs im Beschlusstenor bedurfte (Keidel/Kuntze/Winkler-Zimmermann, 15. Aufl., § 13 a...

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