Entscheidungsstichwort (Thema)
Patientenverfügung. Geschäftswert
Leitsatz (amtlich)
Der Beurkundung einer Patientenverfügung ist der Regelwert des § 30 Abs. 2 KostO von 3.000,00 € zugrunde zu legen.
Normenkette
KostO § 30 Abs. 2-3, § 156
Nachgehend
Tenor
Die Kostenberechnung des Beteiligten zu 1.) wird abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Geschäftswert: 3.000 Euro
Beurkundung Einseitige Erklärung §§ 32, 36 I KostO 10/10 26,00 Euro
Dokumentenpauschale § 136 I KostO 3,00 Euro
Post- und Telekommunikationsentgelte §§ 137 Ziff. 1, 152 II Zif. 1 KostO 3,06 Euro
Zwischensumme netto 32,06 Euro
16 % Mehrwertsteuer § 151a KostO 5,13 Euro
Gesamtbetrag 37,19 Euro
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; Auslagen werden nicht erstattet.
Die weitere Beschwerde wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Am 28.10.2002 beurkundete der Beteiligte zu 1.) eine Patientenverfügung des Beteiligten zu 2.), UR-Nr. 409/2002. Darin erklärte der Beteiligte zu 2.), daß bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen von einer Reanimation, von lebensverlängernden Maßnahmen, künstlicher Ernährung und Beatmung u.a. abgesehen werden soll, sondern lediglich Schmerzmittel u.a. verabreicht werden sollen. Er erklärte weiter, daß er für den Fall des klinischen Todes mit einer Organentnahme nicht einverstanden ist.
Der Beteiligte zu 2.) bevollmächtigte Dritte damit, seinen Wünschen Geltung zu verschaffen.
Für seine Tätigkeit erteilte der Beteiligte zu 1.) dem Beteiligten zu 2.) eine Kostenberechnung, in der er von einem Geschäftswert von 20.000 Euro ausging und eine 10/10-Gebühr gemäß §§ 32, 36 Abs. 1 KostO sowie Auslagen erhob.
Im Rahmen einer Geschäftsprüfung beanstandete der Präsident des Landgerichts den der Beurkundungsgebühr zugrunde gelegten Geschäftswert. Er führte aus, bei der Beurkundung einer sog. “Patientenverfügung” handele es sich um eine nichtvermögensrechtliche Angelegenheit, deren Wert mangels tatsächlicher Anhaltspunkte gemäß § 30 Abs. 2 und 3 KostO mit 3.000 Euro zu bemessen sei.
Der Beteiligte zu 1.) wurde angewiesen, die Entscheidung des Landgerichts zu beantragen.
Der Beteiligte zu 1.) ist der Ansicht, in der Patientenverfügung seien Anordnungen enthalten, aufgrund derer über Leben und Tod entschieden werde. Deshalb müsse der Rahmen des § 30 Abs. 2 KostO ausgeschöpft werden. Zwar handele es sich um eine nichtvermögensrechtliche Angelegenheit, jedoch könne das Vermögen des Erklärenden zumindest als Anhaltspunkt berücksichtigt werden.
Entscheidungsgründe
II.
Die Anweisungsbeschwerde des Beteiligten zu 1.) ist gemäß § 156 Abs. 6 KostO zulässig und führt zur Abänderung der Kostenberechnung in dem tenorierten Umfang.
Die Beschwerde beschränkt sich auf die Frage, welcher Geschäftswert der Beurkundung einer Patientenverfügung gemäß §§ 32, 36 Abs. 1 KostO zugrunde zu legen ist.
Nach Auffassung der Kammer handelt es sich bei der Beurkundung einer Patientenverfügung um eine nichtvermögensrechtliche Angelegenheit im Sinne von § 30 Abs. 3 KostO.
Als nichtvermögensrechtliche Angelegenheit kommen hauptsächlich personenrechtliche und familienrechtliche Angelegenheiten in Betracht, wie beispielsweise die Anerkennung der Vaterschaft und deren Widerruf, Zustimmung zur Vaterschaftsanerkennung, Sorgeerklärungen nichtverheirateter Eltern, Volljährigkeitserklärungen, Identitäts- und Lebensbescheinigungen usw., vgl. Rohs/Wedewer, Kostenordnung, § 30 RN 40.
Die Patientenverfügung enthält für den Fall der Entscheidungsunfähigkeit Erklärungen zu möglicherweise in der Zukunft erforderlich werdenden medizinischen Maßnahmen, zu denen die Einwilligung erklärt oder verweigert wird. Mit ihr soll in der Regel ein selbstbestimmter und würdiger Sterbevorgang gewährleistet werden. Sie richtet sich an behandelnde Ärzte, an den Betreuer oder an einen Bevollmächtigten. Damit ist sie mit den in der Rechtsprechung als nichtvermögensrechtlich Angelegenheit anerkannten Beispielsfällen uneingeschränkt vergleichbar. Sie ist aber von einer Altersvorsorgevollmacht und einer Betreuungsverfügung zu unterscheiden, vgl. dazu Palandt, vor § 1896, RN 6 ff, Keilbach, FamRZ 2003, 969 und Bund, JurBüro 2004, 173.
Gemäß § 30 Abs. 3 KostO in Verbindung mit § 30 Abs. 2 KostO ist der Wert mit dem Regelwert von 3.000 Euro anzunehmen, da genügende tatsächliche Anhaltspunkte für eine Schätzung fehlen. Die Vermögensverhältnisse des Erklärenden sind dabei unbeachtlich. Denn Sinn und Zweck der Patientenverfügung ist nicht die Sicherung der Interessen der hinterbliebenen Erben, sondern der bereits dargelegte Wunsch nach selbstbestimmten und würdevollen Sterben. Dieser Wunsch kann nicht in Abhängigkeit von dem Vermögen des Erklärenden unterschiedlich hoch bewertet werden, vgl. OLG Frankfurt, Beschluß vom 26.10.2000, 20 W 423/00, RenoR 2001, 219.
Eine Abweichung von dem Regelwert gemäß § 30 Abs. 2 Satz 2 KostO ist nicht geboten. Der Regelwert erscheint im Hinblick darauf, daß es sich bei der Beurkundung einer – im übrigen nicht formbedürftigen – Patientenverfügung um ei...