Entscheidungsstichwort (Thema)
Gebührenstreitwert für das Räumungsvollstreckungsverfahren
Orientierungssatz
(aus Wohnungswirtschaft & Mietrecht WuM)
Der Gebührenstreitwert für das Räumungsvollstreckungsverfahren (hier: betreffend Wohnraum) bestimmt sich weiter nach dem Jahreskaltmietzins.
(von der Dokumentationsstelle des Bundesgerichtshofs)
Zitierung: Entgegen LG München I, 1995-02-07, 29 O 12882/93, WuM 1995, 197.
Tatbestand
(Aus Wohnungswirtschaft & Mietrecht WuM)
Zwischen den Parteien bestand ein Mietverhältnis über die im Dachgeschoß des Hauses gelegene Wohnung.
Mit Versäumnis-Urteil v. 19. 5. 1995 verurteilte das AG Brilon die Schuldner zur Räumung und Herausgabe der Wohnung an die Gläubigerin.
Mit Schriftsatz v. 14. 7. 1995 hat der Prozessbevollmächtigte der Gläubigerin Festsetzung des Streitwertes für das Räumungsvollstreckungsverfahren beantragt und geltend gemacht, nach neuem Recht, § 57 Abs. 2 BRAGO, sei nicht mehr auf die Einjahresmiete gemäß § 16 Abs. 2 GKG abzustellen, sondern auf den Verkehrswert der herauszugebenden Sache; dieser sei nach dem 17fachen Jahresmietwert zu berechnen und betrage vorliegend 97 920,- DM.
Das AG Brilon - Rechtspfleger - hat durch Beschluß v. 6. 9. 1995 den Streitwert, unter Zugrundelegung einer monatlichen Kaltmiete von 480,- DM, auf 5760,- DM festgesetzt und ausgeführt, der Wert der Sache bestimme sich bei Herausgabeansprüchen aus Mietverhältnissen nach § 16 GKG. Das Interesse der Gläubigerin an der Zwangsvollstreckung sei nicht höher zu bewerten als das Interesse an dem "Hauptverfahren" zur Erwirkung des Titels.
Hiergegen wenden sich die Prozessbevollmächtigten der Gläubigerin mit ihrer unter dem 20. 9. 1995 eingelegten Erinnerung. Der Rechtspfleger und die Richterin des AG haben der Erinnerung nicht abgeholfen, die Richterin hat sie dem LG zur Entscheidung vorgelegt.
Entscheidungsgründe
Hat - wie hier - der Rechtspfleger den Streitwert festgesetzt, ist die Rechtspflegererinnerung gemäß § 11 Abs. 1 S. 1 RpflG das statthafte Rechtsmittel. Die Erinnerung gilt, nachdem sie dem LG ordnungsgemäß zur Entscheidung vorgelegt worden ist, gemäß § 11 Abs. 2 S. 5 als Beschwerde gegen die Entscheidung des Rechtspflegers.
Die Beschwerde ist zulässig, jedoch nicht begründet.
Der Rechtspfleger war zuständig für die Festsetzung des Streitwertes für das Räumungsvollstreckungsverfahren. Solange der Rechtspfleger ein gerichtliches Verfahren bearbeitet, ist er gemäß § 4 Abs. 1 RpflG auch für die Wertfestsetzung zuständig (Hartmann, 26. Aufl. 1995, § 9 BRAGO Rn. 4).
Zutreffend hat der Rechtspfleger den Streitwert mit 5760,- DM bemessen. Allerdings ist in der durch Art. 7 KostRÄndG v. 24. 6. 1994 neugefaßten Vorschrift des § 57 Abs. 2 BRAGO geregelt, daß sich der Gegenstandswert für die Rechtsanwaltsgebühren in der Zwangsvollstreckung u. a. nach dem Wert der herauszugebenden Sache richtet. Richtig ist auch, daß § 57 Abs. 2 BRAGO vorrangige Wertvorschriften enthält (vgl. Hartmann, 26. Aufl. 1995, § 57 BRAGO Rn. 54). Damit verbietet sich ein Rückgriff auf die Wertvorschriften des Gerichtskostengesetzes, jedoch nur insoweit, als § 57 Abs. 2 BRAGO eine abschließende Regelung enthält.
Nach Auffassung der Kammer besteht für das Räumungsvollstreckungsverfahren, welches auf die Beendigung eines Miet-, Pacht- oder ähnlichen Nutzungsverhältnisses gestützt wird, keine solche abschließende Regelung, so daß § 16 Abs. 2 GKG anwendbar bleibt. Davon, daß der Gesetzgeber die Anwendbarkeit der differenzierten und interessengerechten Regelung des § 16 Abs. 2 GKG mit der Neufassung des § 57 Abs. 2 BRAGO hat ausschließen wollen, kann nicht ausgegangen werden.
Der gegenteiligen Auffassung des LG München I (WM 1995, 197), wonach im Räumungsvollstreckungsverfahren ausnahmslos auf den Verkehrswert der herauszugebenden Sache abzustellen sei, vermag sich die Kammer nicht anzuschließen. Sie führt zu einer durch nichts zu rechtfertigenden "Kostenexplosion im Räumungsverfahren" und widerspricht im übrigen in eklatanter Weise dem Grundsatz, wonach das Interesse des Gläubigers an der Durchführung des Zwangsvollstreckungsverfahrens in der Regel nicht höher zu bewerten ist als das Interesse an der Titelerlangung im Erkenntnisverfahren.
Gemäß § 16 Abs. 2 GKG war demnach der für die Dauer eines Jahres zu entrichtende Kaltmietzins für die Streitwertbemessung zugrunde zu legen.
Fundstellen