Entscheidungsstichwort (Thema)
Gebührenstreitwert für ein Vollstreckungsschutzverfahren des zur Räumung verurteilten Mieters
Orientierungssatz
(aus Wohnungswirtschaft & Mietrecht WuM)
Der Gebührenstreitwert für das Vollstreckungsschutzverfahren nach ZPO § 765a bei Räumung von Wohnraum bestimmt sich gem ZPO § 3 nach der für die Dauer des beantragten Räumungsschutzes geschuldeten Miete bzw Nutzungsentschädigung.
Tatbestand
(Aus Wohnungswirtschaft & Mietrecht WuM)
Die Gläubiger betreiben die Zwangsvollstreckung aus einem Räumungsurteil des AG München v. 2. 8. 1995, betreffend die bisherige Wohnung der Schuldner. Am 12. 10. 1995 beantragten die Schuldner gemäß § 765a ZPO einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung bis 24. 10. 1995, da sie ab 24. 10. 1995 ihre Möblierung in der neu angemieteten Wohnung unterbringen könnten. Mit Beschluß v. 12. 10. 1995 hat das AG die Zwangsräumung wegen eines Anspruchs aus dem Urteil des AG v. 2. 8. 1995 einstweilen eingestellt, längstens jedoch bis 24. 10. 1995 gemäß § 765a ZPO.
Mit Antrag v. 18. 10. 1995 beantragte der Gläubigervertreter Kostenfestsetzung aus einem Gegenstandswert von DM 27 984,-. Mit dem angefochtenen Beschluß v. 14. 11. 1995 hat das AG den Streitwert gemäß § 3 ZPO auf DM 2420,- festgesetzt, entsprechend dem Wert einer Monatsmiete für die Wohnung, da die Zwangsvollstreckung lediglich für zwei Wochen eingestellt worden sei.
Gegen diesen Beschluß richtet sich die "Erinnerung/Beschwerde" des Gläubigervertreters v. 16. 11. 1995, welcher das AG nicht abgeholfen hat.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Streitwertbeschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.
Der Gebührenstreitwert für das Vollstreckungsschutzverfahren bei Räumung von Wohnraum bestimmt sich gemäß § 3 ZPO nach dem Interesse des Räumungsschuldners an dem Räumungsschutz, mithin nach der für die Dauer des beantragten Räumungsschutzes zu zahlenden Miete bzw. Nutzungsentschädigung. Im vorliegenden Fall wurde Räumungsaufschub für ca. 2 Wochen im Oktober 1995 begehrt. Der Streitwert bemißt sich mithin nach einer Monatsmiete/Nutzungsentschädigung für den Monat Oktober 1995 in Höhe von DM 2420,-.
Der Gebührenstreitwert für Vollstreckungsschutzanträge ist gemäß § 3 ZPO zu bewerten (vgl. Zöller-Schneider, Rn. 16 zu § 3 ZPO, Stichwort: Vollstreckungsschutz m. w. N.; Thomas-Putzo, Rn. 123 zu § 3 ZPO für den gleichgelagerten Fall einer Räumungsfrist, wonach in der Regel die Nutzungsentschädigung für den betreffenden Zeitraum anzusetzen ist).
Eine Änderung dieser Berechnung des Gebührenstreitwerts nach § 3 ZPO bedingt auch nicht die Neufassung des § 57 Abs. 2 Satz 1 BRAGO, zumal der Streitwert des gerichtlichen Verfahrens nach § 8 I 1 BRAGO unverändert Vorrang hat.
Nach dieser Bestimmung - § 57 BRAGO - bestimmt sich der Gegenstandswert in der Zwangsvollstreckung nach dem Wert der herauszugebenden Sachen. Bei einer Räumungsvollstreckung in einer Mietwohnung wäre demnach der Verkehrswert der Mietwohnung der anzusetzende Gegenstandswert. Zu diesem Ergebnis gelangen auch Donnerbauer in WM 1994, 597 und das LG München I im Beschluß v. 7. 2. 1995 (WM 1995, 197).
Anderer Ansicht sind LG Münster in WM 1995, 663 (Wertbestimmung nach billigem Ermessen nach dem Interesse des Antragstellers, bei Vollstreckungsschutzantrag für eine gewisse Zeit Höhe des zeitadäquaten Nutzungsentgelts) und AG Koblenz (DGVZ 1995, Heft Nr. 6, S. 94: einjähriger Mietzins der zu räumenden Wohnung).
Das Beschwerdegericht schließt sich der Rechtsansicht an, wonach es für den Gebührenstreitwert eines Wohnraumvollstreckungsschutzantrages nach § 3 ZPO auf die Miete oder Nutzungsentschädigung während der beantragten Einstellungsdauer ankommt. Zutreffend führt das LG Münster (a.a.O.) unter Hinweis auf die Gesetzesmaterialien aus, daß sich der Wert eines derartigen Anspruchs auf Vollstreckungsschutz nicht abschließend bestimmen läßt, weil er von dem Antrag abhängig und daher nicht immer gleich hoch ist wie der zu vollstreckende Anspruch, weshalb der Gegenstandswert dem Interesse des Antragstellers entsprechend nach billigem Ermessen bestimmt werden soll. Daß eine derartige Einschränkung in § 57 Abs. 2 BRAGO in den Gesetzeswortlaut für die Wohnraumvollstreckungsschutzanträge nicht aufgenommen worden ist, spricht bei den gegebenen Gesetzesmaterialien eher für eine legislatorische Unaufmerksamkeit. Dieses Ergebnis deutet auch Donnerbauer (a.a.O.) am Ende seiner Ausführungen an, indem er ausführt: "Einiges spricht dafür, daß durch eine legislatorische Unaufmerksamkeit ganz einfach unbeachtet geblieben ist, daß auch die Räumung einer Wohnung durch den Gerichtsvollzieher ein Fall der Zwangsvollstreckung ist." Donnerbauer kommt allerdings letzten Endes zu dem Ergebnis, daß hier genausogut eine Änderung mit "Strafcharakter" ganz bewußt eingeführt worden sei und der Gesetzgeber dem mit Mietsachen häufig befaßten Anwalt ein kleines "Bonbon" habe zukommen lassen, welches den Schmerz über die ansonsten nicht einmal inflationsdeckende Gebührenerhöhung ein wenig mildern möge. ...