Entscheidungsstichwort (Thema)

Geltendmachung eines Rechts des Geschädigten auf abgesonderte Befriedigung aus der Versicherungsforderung ohne Umwegüber das insolvenzrechtliche Prüfungsverfahren durch unmittelbare Klage auf Zahlung gegen den Insolvenzverwalter. Unmittelbarer Zahlungsanspruch gegen den Haftpflichtversicherer des Insolvenzschuldners nach Feststellung des Haftpflichtanspruchs des Geschädigten

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein Geschädigter kann sein Recht auf abgesonderte Befriedigung aus der Versicherungsforderung ohne Umweg über das insolvenzrechtliche Prüfungsverfahren durch unmittelbare Klage auf Zahlung gegen den Insolvenzverwalter geltend machen.

2. Voraussetzung hierfür ist aber, dass der Haftpflichtanspruch des Geschädigten zuvor festgestellt worden ist. Eine solche Feststellung kann beispielsweise durch ein Anerkenntnis der Schadenersatzforderung durch den Insolvenzverwalter erfolgen. Erst danach kann der Schadenersatzgläubiger im Insolvenzfall von dem Haftpflichtversicherer des Insolvenzschuldners unmittelbar Zahlung verlangen.

 

Normenkette

InsO § 87; VVG § 110; HGB § 435; VVG §§ 106, 130

 

Verfahrensgang

OLG Nürnberg (Urteil vom 12.12.2007; Aktenzeichen 12 U 195/07)

KG Berlin (Urteil vom 17.01.2006; Aktenzeichen 6 U 275/04)

BGH (Entscheidung vom 17.03.2004; Aktenzeichen IV ZR 268/03)

 

Tenor

Die Klage wird als unzulässig abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtstreits und die der Streithelferin entstandenen Kosten.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Streitwert: 56.192,13 EUR.

 

Tatbestand

Die Klägerin ist Assekuradeurin der Transportversicherer der Firma B. GmbH aus T. (Versicherungsnehmerin) und macht als solche aus abgetretenem Recht Ansprüche gegen den Beklagten als Insolvenzverwalter über das Vermögen der Firma W. GmbH (Insolvenzschuldnerin) geltend, die aus einem Transportvertrag der Versicherungsnehmerin mit der Insolvenzschuldnerin herrühren. Die Insolvenzschuldnerin ihrerseits war bei der Streithelferin gegen Diebstahlschäden versichert.

Zwischen der Versicherungsnehmerin der Klägerin, die Computer vertreibt, und der Insolvenzschuldnerin bestanden seit Jahren Geschäftsbeziehungen, in deren Rahmen die Insolvenzschuldnerin Computerwaren der Versicherungsnehmerin der Klägerin transportierte. Am 11.11.2008 beauftragte die Versicherungsnehmerin der Klägerin im Rahmen dieser Geschäftsbeziehung die Insolvenzschuldnerin mit der Beförderung von 6 Einwegpaletten ACER-PC, 182 Stück ACER-PC Veriton, verpackt in 182 Kartons zu einem Gewicht von 2.960 kg von T. zur Firma D. in den circa 200 km entfernt gelegenen M.. Die Insolvenzschuldnerin nahm den Auftrag an und übernahm die 6 Einwegpaletten mit Notebooks am 11.11.2008 in T.. Die Sattelzugmachine der Insolvenzschuldnerin hatte noch weitere Güter geladen, die an anderen Orten entladen werden mussten. Nach Übernahme der Notebooks in T. gegen 18:00 Uhr erreichte der Fahrer der Sattelzugmachine, der Zeuge E., wenig später die Bundesautobahn A…, wo er den Rastplatz C. in N. ansteuerte, um dort zu übernachten.

In der Nacht vom 11.11.2008 auf den 12.11.2008 wurde ein Teil der Notebooks (158 Stück) von dem Sattelzug des Zeugen E. entwendet, der dies gegen 06:15 Uhr bemerkte und zugleich feststellte, dass die Seitenplane an dem Auflieger mehrere Einschnitte aufwies. Der Zeuge E. erstattete Strafanzeige (Az. 80 UJs 1177/09, StA Hagen).

Mit Schreiben vom 13.11.2008 machte die Versicherungsnehmerin der Klägerin die Insolvenzschuldnerin für den Schaden haftbar (Anlage K5). Die Versicherungsnehmerin der Klägerin trat am 03.12.2008 sämtliche Ansprüche aus dem streitbefangenen Transport an die Klägerin ab, die mit Schreiben vom 26.01.2009 einen Warenschaden in Höhe von 55.910,00 gegenüber der Insolvenzschuldnerin geltend machte, und den sie nunmehr mit der Klage bei Erhöhung der Forderung um die anteilige Fracht (282,13 EUR) weiter verfolgt.

Durch Beschluss des Amtsgerichts Arnsberg (21 IN 324/08) wurde am 01.02.2009 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin eröffnet.

Mit der am 02.10.2009 beim Landgericht eingegangenen und am 21.10.2009 zugestellten Klageschrift hat die Klägerin die Insolvenzschuldnerin auf Zahlung in Anspruch genommen. Auf Antrag der Klägerin ist das Passivrubrum dahingehend geändert worden, dass Beklagte nicht die Insolvenzschuldnerin, sondern der jetzige Beklagte ist; der entsprechende Schriftsatz der Klägerin ist dem neuen Beklagten spätestens am 30.11.2009 zugegangen.

Die Klägerin ist der Ansicht, aus § 110 VVG folge das Recht auf abgesonderte Befriedigung aus dem Freistellungsanspruch der Insolvenzschuldnerin gegenüber der Streithelferin, das die Klägerin gegen den nunmehr beklagten Insolvenzverwalter geltend mache, und zwar ohne Umweg über das insolvenzrechtliche Prüfungsverfahren.

Wegen der Klageforderung selbst ist die Klägerin der Ansicht, die Insolvenzschuldnerin treffe ein qualifiziertes Verschulden gemäß § 435 HGB. Angesichts der k...

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