Entscheidungsstichwort (Thema)
Eintragungsfähigkeit eines umfassenden Nießbrauchs trotz eines eingetragenen Wohnungsrechts
Orientierungssatz
Ein eingetragenes lebenslanges Wohnungsrecht stellt kein Hindernis für die Eintragung eines nachrangigen umfassenden Nießbrauchs dar (Abgrenzung BayObLG München, 1979-10-26, BReg 2 Z 51/79, DNotZ 1980, 479).
Tenor
I. Auf die Beschwerde des Antragstellers ... wird die Zwischenverfügung des Amtsgerichts - Grundbuchamt - Aschaffenburg vom 5.2.1992 aufgehoben.
II. Die Sache wird zur anderweitigen Entscheidung über den Eintragungsantrag an das Amtsgericht - Grundbuchamt - Aschaffenburg zurückgegeben.
Gründe
I.
In einem Überlassungsvertrag vom 7. Januar 1992 räumt der Antragsteller ... dem Veräußerer ... unter anderem ein lebenslanges Nießbrauchsrecht an dem Grundstück Flurnummer ... betreffend die Grundakten von ... zu Band ... Bl. ... ein.
Die Parteien vereinbarten dazu in § 3 der Urkunde (Urkundsnummer 007/92): "Der Erwerber bestellt zu Gunsten des Veräußerers ein Nießbrauchsrecht am Vertragsbesitz, für das die gesetzlichen Bestimmungen gelten sollen.
Die Eintragung des Nießbrauchsrechts zu Gunsten des Berechtigten an nächstoffener Rangstelle am Vertragsbesitz wird bewilligt und beantragt, mit dem Vermerk, daß zur Löschung des Rechts der Nachweis des Todes des Berechtigten genügen soll".
Gem. § 15 GBO beantragte Notar ... am 21.1.1992 den Vollzug.
Mit Zwischenverfügung vom 5.2.1992 teilte der Rechtspfleger beim Grundbuchamt Aschaffenburg mit, daß der Eintragung folgendes Hindernis entgegenstehe, weshalb Frist bis 10.3.1992 zur Behebung des Hindernisses gesetzt wurde, unter Hinweis auf kostenpflichtige Zurückweisung des Vollzugsantrags bei Nichtbehebung:
Im Grundbuch sei für das Grundstück Flurnummer ... ein Wohnungsrecht zu Gunsten von Frau ... eingetragen, welches sich auf einzelne Zimmer des Dachgeschosses des Wohngebäudes erstreckt und durch den Überlassungsvertrag auf das gesamte Dachgeschoß erweitert wird. Dieses Wohnungsrecht stehe dem umfassenden Nutzungsrecht des Nießbrauchs entgegen.
Gegen diese Zwischenverfügung legte der Notar, als Vertreter für den Antragsteller ... am 18.2.1992 Erinnerung ein. Wegen der Begründung wird auf den Schriftsatz vom 12.2.1992 Bezug genommen.
Rechtspfleger und Grundbuchrichter halfen dem Rechtsmittel mit Verfügung vom 18.2.1992 und Beschluß vom 20.2.1992 nicht ab.
II.
Die nach Nichtabhilfe des Rechtspflegers und Grundbuchrichters als Beschwerde des gem. § 13 Abs. 2 GBO antragsberechtigten J. Stahl zu behandelnde Erinnerung ist gem. §§ 3 Nr. 1 h, 11 Abs. 1, 2 Rechtspflegergesetz, § 73, 75 GBO zulässig und hat auch in der Sache selbst Erfolg.
Der beantragten Grundbucheintragung des Nießbrauchs aus der notariellen Urkunde vom 7.1.1992 steht zumindest nicht das in der Zwischenverfügung vom 5.2.1992 genannte Eintragungshindernis entgegen.
1. Zwar ist richtig, daß im Grundbuch des Amtsgerichts Aschaffenburg von ... im Band ..., Bl. ... für das Flurstück ... ein erst bei Todesnachweis löschungsfähiges Wohnungsrecht für Frau ... eingetragen ist, das in Abteilung 2 an erster Rangstelle steht. Dieses Wohnungsrecht umfaßt nach Erweiterung durch § 8 der Urkunde 007/92 vom 7.1.1992 das gesamte Dachgeschoß des Wohnhauses ... in ...
2. Daraus folgt jedoch nicht, daß die Nießbrauchsbestellung im vorliegenden Fall wegen des vermeintlichen Ausschlusses wesentlicher Nutzungsrechte unzulässig und deshalb nicht im Grundbuch eintragungsfähig ist.
a) Zutreffend führt der Rechtspfleger aus, daß der Nießbrauch dem Berechtigten grundsätzlich das umfassende Recht, die gesamten Nutzungen im Sinne des § 100 BGB des mit ihm belasteten Vermögensgegenstand zu ziehen (§ 1030 Abs. 1 BGB), gibt.
Der Nießbrauch kann aber nach § 1030 Abs. 2 BGB durch den Ausschluß einzelner Nutzungen beschränkt werden, was nach einhelliger Ansicht in Literatur und Rechtsprechung jedoch bedeutet, daß von der Übertragung der Gesamtnutzung lediglich einzelne Nutzungen ausgenommen werden können, ohne daß dadurch der Charakter des Nießbrauchs als umfassendes Nutzungsrecht beeinträchtigt werden darf.
Es ist daher insbesondere unzulässig, die Nutzung von vornherein auf eine einzelne Nutzungsart oder auf verschiedene einzelne Nutzungsrechte zu beschränken, wofür das Rechtsinstitut der beschränkten persönlichen Dienstbarkeit (§§ 1090 ff. BGB) vorgesehen ist (vgl. BayObLGZ 79, 361 ff.).
b) Eine solche unzulässige und damit im Grundbuch nicht eintragungsfähige Nießbrauchsbestellung ist im vorliegenden Fall nicht gegeben, da zum einen das Nießbrauchsrecht des Berechtigten gem. § 3 der notariellen Urkunde vom 7.1.1992 ausdrücklich ein umfassendes Nutzungsrecht im Sinne des § 1030 BGB an dem gesamten Vertragsbesitz gewährt.
Zum anderen wird der rechtliche Bestand des Nießbrauchs - entgegen der Auffassung des Rechtspflegers - nicht dadurch in Frage gestellt bzw. verhindert, daß im Grundbuch bereits ein Wohnungsrecht zugunsten von ... eingetragen ist. Wie sich aus den Bestimmungen der §§ 1060 und 1024 BGB ergibt, ...