Leitsatz (amtlich)
Mit der Grundgebühr gemäß Nr. 4100 VV RVG wird lediglich die erstmalige Einarbeitung in den Rechtsfall abgegolten. Entfaltet der Verteidiger hingegen darüber hinaus gehende Tätigkeiten, werden diese mit der jeweiligen Verfahrensgebühr abgegolten.
Die zusätzliche Gebühr gemäß Nr. 4141 VV RVG entsteht auch dann, wenn das Strafverfahren eingestellt und anschließend gemäß § 43 OWiG an die Verwaltungsbehörde zwecks Durchführung eines Bußgeldverfahrens abgegeben wird.
Verfahrensgang
AG Norden (Entscheidung vom 11.04.2011; Aktenzeichen 8c OWi 395/10) |
Tenor
1.
Auf die sofortige Beschwerde des Verteidigers wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts Norden vom 11.04.2011 (Az: 18 OWi 395/10) dahingehend geändert, dass diesem über den bereits festgesetzten Betrag in Höhe von 600,-- Euro hinaus ein weiterer Betrag in Höhe von 405,-- Euro aus der Staatskasse zu erstatten ist.
2.
Im Übrigen wird die sofortige Beschwerde als unbegründet zurückgewiesen.
3.
Das Verfahren ist gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I.
Gegen den Betroffenen wurden wegen des Verdachts des Zulassens des Fahrens ohne Fahrerlaubnis gemäß § 21 Abs. 1 Nr. 2 StVG von Amts wegen ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet. Nachdem dem Betroffenen ein Anhörungsbogen zugesendet worden war, meldete sich der Verteidiger zur Akte und beantragte Akteneinsicht. In demselben Schriftsatz wies der Verteidiger - so wörtlich - "schon jetzt den Vorwurf des Zulassens des Fahrens ohne Fahrerlaubnis als unbegründet zurück. Sein Mandant wusste nichts von der fehlenden Fahrerlaubnis seines Mitarbeiters und hatte keinen Anlass, diese gezielt zu überprüfen."
Dieses Verfahren ist sodann in das staatsanwaltschaftliche Verfahrensregister unter dem Vorwurf des Zulassens des Fahrens ohne Fahrerlaubnis eingetragen und knapp zwei Wochen später gemäß § 153 Abs. 1 StPO wegen Geringfügigkeit eingestellt worden. Zugleich hat die Staatsanwaltschaft die Akten dem Landkreis Aurich - Bußgeldstelle - zur Durchführung eines Ordnungswidrigkeitenverfahren übersandt, in welchem gegen den Betroffenen schließlich ein Bußgeldbescheid über eine Geldbuße in Höhe von 90,-- Euro sowie 3 Punkte verhängt worden ist.
Gegen diesen Bußgeldbescheid hat der Verteidiger Einspruch eingelegt, woraufhin ein Termin zur Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht Norden - Bußgeldrichter - anberaumt wurde. Bereits in der Ladung hat das Gericht darauf hingewiesen, dass der "Betroffene verpflichtet gewesen sein dürfte, sich bei der Einstellung des Zeugen N. davon zu überzeugen, ob dieser über die erforderliche Fahrerlaubnis verfügt". In dem darauf anberaumten, 25 Minuten andauernden Hauptverhandlungstermin, in dem dieser Zeuge angehört worden ist, erteilte das Gericht zunächst den weiteren Hinweis, dass ggfls. auch eine höhere Geldbuße (180,-- Euro), als im Bußgeldbescheid verhängt, in Betracht käme, da ein Lkw gefahren worden sei. In diesem Termin ist der Betroffene schließlich von dem Vorwurf freigesprochen worden, die Inbetriebnahme eines Fahrzeugs angeordnet zu haben, obwohl der Führer zur selbständigen Leitung nicht geeignet war (§§ 31 Abs. 2, 69 a StVZO; § 24 StVG; 189.1.2 BKat). Zugleich sind die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Betroffenen der Staatskasse auferlegt worden.
Der Verteidiger beantragte schließlich für den Betroffenen die Erstattung folgender notwendiger Auslagen als Verteidigerkosten:
Grundgebühr Nr. 4100 VV-RVG |
165,00 EUR |
Verfahrensgebühr Nr. 4104 VV-RVG |
140,00 EUR |
Zusatzgebühr Nr. 4141 VV-RVG |
140,00 EUR |
Verfahrensgebühr Nr. 5103 VV-RVG |
135,00 EUR |
Verfahrensgebühr Nr. 5109 VV-RVG |
135,00 EUR |
Terminsgebühr Nr. 5115 VV-RVG |
215,00 EUR |
Dokumentenpauschale Nr. 7000 VV-RVG |
|
13 Kopien aus der Ermittlungsakte |
6,50 EUR |
Akteneinsichtsgebühr |
12,00 EUR |
Entgeltpauschale Nr. 7002 VVRVG |
20,00 EUR |
Fahrtkosten Nr. 7003 VV-RVG, 55 km á 0,30EUR |
16,50 EUR |
Tagegeld Nr. 7005 VV-RVG |
20,00 EUR |
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1.005,00 EUR |
19% Mehrwertsteuer |
190,95 EUR |
|
1.195,95 EUR |
In dem Festsetzungsantrag teilte der Verteidiger zudem mit, dass der Betroffene zum Abzug der Vorsteuer berechtigt sei.
Das Amtsgericht Norden hat hingegen in dem angefochtenen Beschluss die notwendigen Rechtsanwaltskosten wie folgt festgesetzt:
Notwendige Rechtsanwaltskosten |
|
Grundgebühr Nr. 5100 VV-RVG |
85,00 EUR |
Verfahrensgebühr Nr. 5103 VV-RVG |
135,00 EUR |
Verfahrensgebühr Nr. 5109 VV-RVG |
135,00 EUR |
Terminsgebühr Nr. 5110 VV-RVG für 1 Termin |
170,00 EUR |
Dokumentenpauschale Nr. 7000 1a VV-RVG für 13 Kopien |
6,50 EUR |
Pauschale Nr. 7002 VV-RVG |
20,00 EUR |
Fahrtkosten Nr. 7003 VV-RVG 55 km x 0,30 EUR |
16,50 EUR |
Tagegeld Nr. 7005 VV-RVG |
20,00 EUR |
Auslagenerstattung Akteneinsichtskosten |
12,00 EUR |
Zusammen: |
600,00 EUR |
|
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Erstattungsbetrag: |
600,00 EUR |
Zur Begründung führt das Amtsgericht an, dass die Grundgebühr gemäß Nr. 5100 VV RVG hinsichtlich der Bewertungskriterien des § 14 RVG deutlich überhöht gewesen seien. Die Gebühren nach Nr. 4104 VV RVG und Nr. 4141 VV RVG seien im vorliegenden OWi-Verfahren nicht...