Verfahrensgang
AG Aurich (Entscheidung vom 24.02.2011; Aktenzeichen 6 Gs 207/11) |
Tenor
I.
Die Beschwerde der Stadt E. - Jugendamt - vom 03.03.2011 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Aurich vom 24.02.2011 (Az: 6 Gs 207/11) wird als unbegründet verworfen.
II.
Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung wird damit gegenstandslos.
III.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens sowie die notwendigen Auslagen im Beschwerdeverfahren hat die Beschwerdeführerin selbst zu tragen.
Gründe
I.
Nach dem bisherigen Ergebnis der Ermittlungen hat am 11.01.2011 eine unbekannte Person gegenüber dem Jugendamt der Stadt E. - der Beschwerdeführerin - telefonisch Mutmaßungen bezüglich einer Kindeswohlgefährdung angestellt. Aufgrund dessen ist die Beschwerdeführerin tätig geworden und hat die Lebensgefährtin des Anzeigeerstatters und zugleich Kindesmutter diesbezüglich zu einem Gespräch geladen. In diesem Gespräch soll - so die Bekundung des Anzeigeerstatters gegenüber der Polizei - ihm von Seiten eines Mitarbeiters des Jugendamtes mitgeteilt worden sein, dass er die Tochter seiner Lebensgefährtin sexuell missbraucht habe. Es wurde ferner eine ärztliche Untersuchung durchgeführt, in der allerdings keine Anzeichen für einen sexuellen Missbrauch festgestellt wurden. Angesichts dessen hat die Staatsanwaltschaft Aurich ein Verfahren gegen Unbekannt wegen des Verdachts der falschen Verdächtigung und der Verleumdung eingeleitet und beim Amtsgericht Aurich - Ermittlungsrichter - einen Antrag gestellt, die Beschwerdeführerin dazu zu verpflichten, die Personalien des unbekannten Informanten mitzuteilen. Gegen eine entsprechende, auf § 73 Abs. 2, 3 SGB X i.V.m. § 72 Abs. 1 S. 2 SGB X gestützte Anordnung wendet sich nunmehr die Beschwerdeführerin, wiederum vertreten durch den Fachbereichsleiter des Jugendamtes, mit der vorliegenden Beschwerde.
II.
1.
Die Beschwerde ist gem. § 304 StPO zulässig. Insbesondere ist hier die Beschwerdebefugnis der Stadt E. - Jugendamt -, wiederum vertreten durch dessen Fachbereichsleiter, im Hinblick auf die sich aus der Regelung des § 67d Abs. 2 S. 1 SGB X ergebenden Verantwortlichkeit der übermittelnden Stelle für die Rechtmäßigkeit der Übermittlung gegeben (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss v. 11. 10. 2006 - 3 Ws 374/06, NJW 2006, S. 3656), zumal die Beschwerdeführerin über die geforderte Information verfügt und als solche auch Adressatin des Beschlusses ist.
2.
Die Beschwerde bleibt in der Sache indes ohne Erfolg.
a)
Die Berechtigung der Strafverfolgungsbehörden zu Ermittlungsmaßnahmen der vorliegenden Art steht grundsätzlich unter dem Vorbehalt datenschutzrechtlicher Sonderbestimmungen. Diesbezüglich bestimmt § 35 Abs. 1 S. 1 SGB I, dass jeder einen Anspruch darauf hat, dass ihn betreffende Sozialdaten i.S.v. § 67 Abs. 1 SGB X nicht unbefugt erhoben, verarbeitet oder genutzt werden. Gemäß § 35 Abs. 3 SGB I besteht für Sozialbehörden keine Auskunftspflicht, keine Zeugnispflicht und keine Pflicht zur Vorlegung oder Auslieferung von Schriftstücken, nicht automatisierten Dateien und automatisiert erhobenen, verarbeiteten oder genutzten Sozialdaten. Dieser Schutz des Sozialgeheimnisses bezieht sich auch auf die Verwendung von Sozialdaten im Strafverfahren.
Die mit dem angefochtenen Beschluss angeforderten Angaben über die Personalien des unbekannten Informanten stellen Sozialdaten i.S.d. § 35 Abs. 1 SGB I i.V.m. § 67 Abs. 1 SGB X dar. Bei Sozialdaten handelt es sich um Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person. Der Begriff ist umfassend zu verstehen, so dass hierunter sowohl der Name eines Behördeninformanten (vgl. BVerwG, Urteil v. 04.09.2003 - 5 C 48/02, NJW 2004, S. 1543 ff.) als auch dessen inhaltliche Angaben ( VG Oldenburg, Urteil v. 14.12.2009 - 13 A 1158/08, NVwZ-RR 2010, S. 439) fallen können. Angesichts dessen unterliegen die geforderten Informationen grundsätzlich dem Schutz vor unbefugter Offenbarung.
b)
Gleichwohl ist die Durchbrechung des Sozialgeheimnisses gerechtfertigt und damit im Ergebnis die gerichtliche Anordnung auf Auskünfte dieser Sozialdaten zutreffend, da die gesetzlichen Voraussetzungen gem. § 73 Abs. 2, 3 SGB X i.V.m. § 72 Abs. 1 S. 2 SGB X hierfür gegeben sind. Im vorliegenden Fall führt nämlich die Staatsanwaltschaft Aurich ein Strafverfahren wegen des begründeten Verdachts der falschen Verdächtigung und Verleumdung. Der beim zuständigen Amtsgericht - Ermittlungsrichter - gestellte Antrag bezieht sich dabei lediglich auf die Offenbarung der Personalien des unbekannten Informanten, so dass die gerichtliche Anordnung ohne Rücksicht auf die Bedeutung der zugrundeliegenden Straftat i.S.d. § 73 Abs. 1 SGB X zulässig und begründet ist.
c)
Etwas anderes ergibt sich auch nicht unter Berücksichtigung des in § 65 SGB VIII normierten besonderen Vertrauensschutzes, wonach Sozialdaten, die einem Mitarbeiter der öffentlichen Jugendhilfe zum Zweck persönlicher und erzieherischer Hilfe anvertraut worden sind, von diesem nur unter den dort enumerativ aufge...