Entscheidungsstichwort (Thema)

Gebühren. Kopierkosten. zweiter Aktenauszug. Erstattungsfähigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

Grundsätzlich obliegt der Staatskasse der Nachweis, dass die von dem Verteidiger geltend gemachten Auslagen zur sachgemäßen Wahrnehmung der Verteidigungsinteressen nicht erforderlich waren.

Zur Frage, der Erstattungsfähigkeit der Kopierkosten für einen kompletten zweiten, für den Beschuldigten vorgesehenen Aktenauszug.

In Betäubungsmittelverfahren sind Auslagen für die doppelte Ablichtung von Telefonüberwachungsprotokollen i.d.R. erstattungsfähig.

 

Tenor

Auf die Erinnerung des Rechtsanwalts S. gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 29.12.2009 wird über die bisher festgesetzten 2473,52 EUR hinaus ein weiterer Betrag in Höhe von 120,50 EUR (zzgl. MwSt) als von der Staatskasse an den Rechtsanwalt zu zahlende Vergütung festgesetzt.

Im Übrigen wird die Erinnerung als unbegründet verworfen.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

Die Kammer hat im vorliegenden Verfahren durch Urteil vom 30.07.2009 gegen A, B, und C jeweils mehrjährige Haftstrafen verhängt, vornehmlich wegen Verstößen gegen das BtMG.

Das Urteil ist seit dem 04.02.2010 gegen alle 3 Angeklagten rechtskräftig.

In dem Verfahren ist Rechtsanwalt S. dem Angeklagten A. Pflichtverteidiger beigeordnet worden.

Am 15.12.2009 hat Rechtsanwalt S. die Festsetzung von Gebühren und Auslagen in Höhe von insgesamt 2899,89 EUR beantragt. Dabei hat Rechtsanwalt S. gemäß Nr. 7000 Nr. 1 W RVG neben den Kosten für einen eigenen Aktenauszug (für 2352 Seiten insgesamt 370,30 EUR) auch die Kosten für einen weiteren Aktenauszug, den er dem Angeklagten A. überlassen hat, geltend gemacht (für 2272 Seiten insgesamt 358,30 EUR).

Die Rechtspflegerin bei dem Landgericht Bad Kreuznach hat die zu zahlende Vergütung am 29.12.2009 auf lediglich 2473,52 EUR festgesetzt. Sie hat die Kosten des für den Angeklagten gefertigten Aktenauszugs (358,30 EUR zzgl. MwSt) abgesetzt, da sie der Ansicht ist, dass diese Kosten nicht gemäß § 46 Abs. 1 RVG zur sachgemäßen Durchführung der Angelegenheit erforderlich waren. Auch bei einer umfangreichen und komplexen Sache sei es dem Verteidiger zuzumuten, die Angelegenheit anhand seines eigenen Aktenauszugs mit dem Mandanten zu erörtern.

Gegen diese Entscheidung wendet sich Rechtsanwalt S. am 14.01.2010 mit der Beschwerde, die als das hier statthafte Rechtsmittel der Erinnerung ( § 56 Abs. 1 RVG ) auszulegen ist.

Er trägt vor, aufgrund des Umfangs der Akten und der Inhaftierung des Angeklagten A. sei hier ein zweiter Aktenauszug erforderlich gewesen.

Der Bezirksrevisor bei dem Landgericht Bad Kreuznach führt in seiner Stellungnahme vom 19.04.2010 aus, das die Ablichtung der kompletten Akten hier nicht erforderlich gewesen sei. Das Verfahren habe sich gegen drei Beschuldigte gerichtet und sei nur von etwa der Hälfte der Fälle der Anklage betroffen gewesen. Im Falle solch umfangreicher Akten sei es Aufgabe des Verteidigers, mit seinem beruflichen Sachverstand das Wesentliche herauszuschälen und dem Beschuldigten die Punkte, auf die es ankomme, begreiflich zu machen. Bei den Besprechungen mit dem inhaftierten Beschuldigten könne dies unter Heranziehung einzelner Schriftstücke aus den Akten geschehen, wobei der Verteidiger auf seinen eigenen Ablichtungssatz zurückgreifen könne (vgl. KG, 3 Ws 20/05 ). Die Überlassung eines vollständigen Aktendoppels an den Angeklagten lasse erkennen, dass statt der gebotenen schwerpunktmäßigen Durcharbeitung des Stoffs und der entsprechenden Präsentation ein arbeitsorganisatorisch einfacherer Weg beschritten worden sei, um den Angeklagten formal aber ungefiltert mit Informationen zu versorgen. Die Kosten einer solchen Vereinfachung seien aber nicht erstattungsfähig (vgl. OLG Koblenz, 2 Ws 526/09 ).

Hiergegen wendet Rechtsanwalt S. ein, dass er keine unnötigen Kopien gefertigt habe, da er es unterlassen habe, Deckblätter, Doppel und Ähnliches abzulichten.

Im Übrigen habe es aber in der Sache keine Teile gegeben, die dem Mandanten nicht vorzulegen gewesen seien.

Es habe sich um ein Strafverfahren auf dem Gebiet des Betäubungsmittelstrafrechts gehandelt, gegen A. und seine Mittäter seien über Monate Telefonüberwachungsmaßnahmen durchgeführt worden. Seitens der Verteidigung habe überhaupt nicht eingeschätzt werden können, inwieweit Telefonate unter den Mittätern auch hinsichtlich des Mandanten relevant seien. Im Bereich des Betäubungsmittelstrafrechts sprächen die Täter oft codiert. Nur A. selbst habe nach einem Studium der einzelnen Unterhaltungen mitteilen können, um welche Sachverhalte es sich handele und ob ein Bezug zu seiner Person gegeben sei. Es sei nicht möglich gewesen, Abhörprotokolle in einem Umfang von über 500 Seiten dem Mandanten während eines zweistündigen Besuches in der Untersuchungshaftanstalt vorzutragen.

Gleiches gelte für die in der Akte befindlichen umfangreichen Zeugenaussagen und die Durchsuchungsprotokolle.

Die Beschuldigten hätten sich die Verantwortung für die ...

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