Gründe
›Der Bekl. hat als Halter seines Kfz für den Schaden zu haften, der dem Kl. dadurch entstanden ist, daß ein Dritter aus dem fahrenden Pkw des Bekl. ein Glas auf den Pkw des Kl. geschleudert hat. Der Bekl. haftet aus dem Gesichtspunkt der Betriebsgefahr (§ 7 Abs. 1 StVG) für den durch das Glas hervorgerufenen Schaden, weil beim und durch den Betrieb seines Kfz die für den Schaden ursächliche Gefahrenquelle geschaffen wurde.
Soweit ersichtlich, ist zur vorliegenden Fallgestaltung noch keine Entscheidung veröffentlicht worden. Im Schrifttum wird die Auffassung vertreten, daß Schäden, die darauf zurückzuführen sind, daß aus einem fahrenden Kfz Gegenstände geworfen werden, als ›beim Betrieb‹ dieses Kfz verursacht anzusehen sind (vgl. Drees, Kuckuck, Werny, Straßenverkehrsrecht, 4. Auflage 1981, § 7 StVG Rdnr. 21; Jagusch, Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 29. Auflage 1987, § 7 StVG Rdnr. 6; Greger, Zivilrechtliche Haftung im Straßenverkehr, 1985, § 7 StVG Rdnr. 102). Sämtliche Fundstellen beziehen sich auf einen Aufsatz von Weimar in MDR 1958, 746. Gegen diese Auffassung wenden sich Müller, StVG, 22. Auflage, § 7 Rdnr. 87 und Füll/Möhl/Rüth, StVG, § 7 Rdnr. 89, die meinen, das Hinauswerfen eines Gegenstandes aus dem fahrenden Kraftfahrzeug sei nicht zum Betrieb eines Kfz zu rechnen.
Weimar (MDR 1958, 746) greift in seiner Begründung auf die Rechtspr. des RG zurück, wonach das Hinauswerfen von Gegenständen aus fahrenden Zügen eine für den Eisenbahnbetrieb typische Betriebsgefahr i. S. des § 1 Abs. 1 Haftpflichtgesetz darstelle. [Wird ausgeführt] ...
Der BGH hat einen Betriebsunfall i. S. von § 1 Abs. 1 Haftpflichtgesetz in einem Fall bejaht (NJW 1987, 2445 f.), in dem ein Schüler bei einer Eisenbahnfahrt gelegentlich des Hinauslehnens aus dem Fenster von einem Gegenstand getroffen und verletzt wurde. ...
Die Kammer hält es für gerechtfertigt, die Überlegungen der Obergerichte zu § 1 Haftpflichtgesetz auf den vorl. Fall anzuwenden. Dabei verkennt sie nicht, daß wegen der sachlichen Verschiedenheit der Betriebsarten von Eisenbahn und Automobil, wegen der unterschiedlichen Verkehrsdichte, Geschwindigkeit und des verschiedenen Gefahrenpotentials der Auslegung des Begriffs ›Betrieb eines Kfz‹ nicht ohne weiteres die Auslegung des Begriffs ›Betrieb einer Eisenbahn‹ als bindend zugrunde gelegt werden kann .. . Gleichwohl ist mit Weimar (MDR 1958, 746) das Vorliegen des Merkmals ›bei dem Betrieb‹ nach § 7 Abs. 1 StVG aus den gleichen Argumenten zu bejahen, die auch das RG schon in den Eisenbahnfällen angeführt hatte; denn ebenso wie bei der Eisenbahn wirkt beim fahrenden Pkw der [sich] schnell verändernde Standort, von dem aus der Wurf erfolgt, auf die Richtung, in der der Gegenstand fliegt, sowie auf die Wucht des Aufschlages entscheidend mit ein. Somit wird durch die Fahrt des Autos, also durch dessen Betrieb eine Voraussetzung für die schadensursächliche Flugbahn des Glases und die dadurch begründete Gefahrenquelle geschaffen. Der Betrieb des Fahrzeugs schafft und erhöht die Gefahr für den Eintritt derartiger Schäden .. .
Anhaltspunkte für einen Haftungsausschluß nach § 7 Abs. 2 StVG sind [im Streitfall] nicht ersichtlich (zumal der Bekl. eine erkennbar betrunkene Person mitgenommen hatte).‹
Fundstellen
Haufe-Index 2996642 |
NJW 1988, 1152 |
DRsp II(294)233c |
DAR 1988, 384 |